Leni Behrendt Staffel 2 – Liebesroman. Leni BehrendtЧитать онлайн книгу.
wurde die Tür geöffnet, und eine helle Kinderstimme rief:
»Endlich bist du da, Mamilein. Ich wußte vor Ungeduld kaum noch, was ich anfangen sollte.«
»Das sieht dir ähnlich, du Firlefanz«, lachte die Mutter dieses reizenden Töchterleins amüsiert. »Wo ist der Papi?«
»Hier hängt er.« Mit diesen Worten trat aus der Haustür ein Mann, der mehr einem Landwirt als einem Arzt glich. Groß, mit frischem Gesicht, blondem Schopf und vergnügten Blauaugen, deren Blick sich nun forschend auf den Gast hefteten, der indes ausgestiegen war.
»Guten Abend, Elonie«, sagte er munter. »Nett, daß du uns besuchst. Sei herzlich willkommen.«
Er nahm ihren Arm und zog sie in die Diele, wo ein Airedaleterrier angehetzt kam und der Fremden sein prachtvolles Gebiß zeigte.
»Benimm dich, Adolar«, wies Herrchen ihn zurecht. »Das hier ist ein liebes Frauchen, zu dem du freundlich zu sein hast, verstanden?«
Als Antwort setzte sich das Stummelschwänzchen in Bewegung, und somit war der Gast gnädigst anerkannt.
Jetzt trat auch die Hausherrin ein. Hinter ihr kam der Chauffeur, der zwei große Koffer abstellte und dann Haltung annahm.
»Ich möchte mich abmelden.«
»So eilig? Wollen Sie nicht noch eine Erfrischung nehmen?«
»Besten Dank, Herr Doktor. Ich habe Befehl von meinem Herrn, unverzüglich zurückzufahren.«
»Dann allerdings.«
Er ging mit dem Mann hinaus, und Beate sagte:
»Leg ab, mein Kind. Hat dich die Fahrt sehr angestrengt?«
»Ja, Tante Beate. Ich bin eben ein altes Wrack.«
»Na, nun wird’s Tag«, lachte der Hausherr, der soeben eintrat. »Bist ja noch nicht einmal hinter den Öhrchen trocken, du Heimchen. Gehen wir ins Wohnzimmer, da kannst du in aller Ruhe verschnaufen.«
Es war ein weites Gemach, das sie aufnahm. Mit schönen, gepflegten Mahagonimöbeln, weichen Polstern, einem dicken Teppich und ebensolchen Brücken. Im Kamin prasselte helles Feuer, eine Stehlampe erhellte heimelig den Raum.
»Wie schön«, sagte Elonie leise. »Das ist wie ein Nachhausekommen.«
»Du bist hier ja auch zu Hause«, sagte Tante Beate herzlich. »Nimm in dem Sessel dort Platz und halte die Hände ans Feuer, sie sind eiskalt.«
Als sie saß, schlängelte sich die kleine Tochter des Hauses zu ihr hin und betrachtete sie mit schiefgeneigtem Köpfchen.
»Du bist ja noch so schrecklich jung«, platzte sie heraus. »Und hast so einen alten Mann wie Vetter Diederich Brendor. Wie die Mutti mir erzählte, ist er schon dreißig Jahre.«
»Also ein Greis«, lachte der Vater. »Wie kann man bloß einen so steinalten Vetter haben? Du sehst blaß aus, Elonie. Bist du müde, mein Kind?«
»Ja, Onkel Fritz.«
»Dann husch, husch ins Körbchen. Birgit, du bleibst hier.«
Elonie bot leise den Gutenachtgruß und ging mit Tante Beate hinaus.
Diese führte sie durch die nett eingerichtete Diele, die breite reichgeschnitzte Treppe hinauf, deren dicke Läufer die Schritte dämpften. Man gelangte in eilnen Gang, der zu beiden Seiten weißlackierte Türen aufwies. Eine davon öffnete Beate Norber, knipste das Licht an, und man betrat ein Zimmer, in dem alles licht und hell war. Das breite weiße Bett mit der lichtgrünen Daunendecke machte einen bequemen Eindruck.
»So, Elo, das ist dein Reich«, sagte die Tante munter. »Fühle dich nur wohl darin.«
»Das werde ich bestimmt, Tante Beate. Hab Dank für die Güte, die ich gar nicht verdiene.«
»Das wollen wir erst einmal abwarten. Da stehen ja auch schon deine Koffer. Entnehmen wir einem nur das, was du heute brauchst, alles andere packen wir morgen aus. Setz dich hin, damit du nicht womöglich umfällst. Den Eindruck machst du nämlich.«
Elonie ließ sich auf dem Bettrand nieder und sah zu, wie die Tante dem Koffer das Nachtzeug entnahm. Alles sehr elegant, sehr teuer, wie es sich für die Gattin des reichen Brendor gehörte.
»So, meine feine Dame, jetzt werde ich mal Zofe spielen. Also, heraus aus den Kleidern, das Bad schenken wir uns. Himmel, bist du kalt, wie eine Eisfee. Das kommt davon, daß du zuwenig Blut hast. Da wollen wir mal für künstliche Erwärmung sorgen. Kriech indes unter die Decke, ich bin gleich wieder da.«
Sie ging, und als sie zurückkehrte, trug sie ein Tablett, auf dem ein Teller mit einer Butterschnitte und einer Banane stand. Daneben ein Glas mit einem Gemisch aus Pepsinwein, Baldrian und einigen Essenzen. Unter dem Arm trug Tante Beate eine Gummiwärmflasche, die sie der jungen Dame vorsichtig an die eiskalten Füße legte.
»Ist sie zu heiß?«
»Nein, danke, sie tut gut.«
»Dann ist ja der Zweck erfüllt. Nun sperr mal dein Schnäbelchen auf, du zerpliesertes Vöglein. Hinterher trinkst du diese Mischung, die der gute Onkel Doktor so wunderbar zu bereiten versteht. Danach wird einem so richtig wohl. Und ehe man sich versieht, wechselt man hinüber ins Land der Träume.«
Während sie sprach, steckte sie abwechselnd Brot und Banane in den Mund ihres Pfleglings, der zwar widerwillig, aber immerhin schluckte. Hinterher kam der Trank, der sehr bald seine Wirkung tat. In das blasse Gesichtchen stieg ein schwaches Rot, das Spitzengeriesel des Nachtkleides erzitterte unter tiefen Atemzügen. Elonie Brendor schlief so ruhig, wie sie es wohl schon lange nicht mehr getan hatte.
Beate knipste die Nachttischlampe aus und verließ leise das Zimmer.
*
»Nun aber mal aufgewacht, du Murmeltierchen!« riß eine Stimme Elonie Brendor aus dem Land der Träume in die Wirklichkeit. Die Augen öffneten sich, schauten verwirrt umher und blieben dann an der Tante hängen, die vor dem Bett stand.
»Na endlich!« sagte sie lachend. »Ermuntere dich, die Zeit deines täglichen Erwachens ist da, das Frühstück wartet.«
»Ist es denn tatsächlich schon elf Uhr?«
»Sogar schon darüber hinaus. Rappel dich mal hoch.«
Sie tat es und sah abweisend auf das Tablett, das die Tante ihr zuschob.
»Das kann ich unmöglich alles essen.«
»Du wirst es essen, mein Herzchen. Zwei Tassen Kaffee und zwei Brötchen sind zum Frühstück wahrlich nicht zuviel.«
»Tante Beate – bitte!«
»Nichts da, hier wird Order pariert.«
So blieb denn Elonie nichts anderes übrig, als alles aufzuessen. Satt wie schon lange nicht mehr, ließ sie sich zurückfallen, und die Tante nickte zufrieden.
»Na also. Nun verpuste dich ein wenig, und dann steh auf. Mußt dich allerdings allein ankleiden, du verwöhntes Prinzeßchen, eine Zofe gibt es hier nicht. Das Bad liegt deinem Zimmer gegenüber.«
Ihr aufmunternd zunickend, nahm sie das Tablett, das sie dann in der Küche ablieferte. Sie ging dann ins Wohnzimmer, wo der Gatte sie schmunzelnd empfing.
»Hast du mit deinem Samariterwerk bereits begonnen, du resolute Frau mit dem weichen Herzen? Wird wohl ein schwieriges Amt werden.«
»Das glaube ich noch nicht einmal«, meinte sie zuversichtlich. »Die Kleine scheint Respekt vor mir zu haben, und das ist schon viel wert. Was hast du da für einen Zettel in der Hand?«
»Diederich rief an und gab mir seine erstmalige Reiseroute bekannt, die ich hier notierte. Wenn die überholt ist, dann meldet er sich wieder, damit wir immer wissen, wo wir ihn auf alle Fälle erreichen können. Nimm bitte den Zettel an dich, weil du es ja sein wirst, der mit ihm in Briefwechsel tritt.«
»Der Not gehorchend!« Sie schnitt eine Grimasse. »Was sagt