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Kosmos - Alexander von  Humboldt


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Studien auf dem Hamburger Gymnasium gemacht habe. Es ist wohl keinem Zweifel unterworfen, daß dieser scharfsinnige Geograph ein Deutscher und zwar ein Lüneburger war. (Witten, Mem. Theol. 1685 p. 2142; Zedler, Universal-Lexikon Th. XLVI. 1745 S. 187.) in der Mitte des 17ten Jahrhunderts. Er unterscheidet sehr scharfsinnig allgemeine und specielle Erdbeschreibung; und theilt die erstere wieder in die absolut tellurische und die planetarische ein: je nachdem man betrachtet die Verhältnisse der Erdoberfläche in den verschiedenen Zonen, oder das solarisch-lunare Leben der Erde, die Beziehung unseres Planeten zu Sonne und Mond. Ein bleibender Ruhm für Varenius ist es, daß die Ausführung eines solchen Entwurfes der allgemeinen und vergleichenden Erdkunde Newton’s Aufmerksamkeit in einem hohen Grade auf sich gezogen hatte; aber bei dem mangelhaften Zustande der Hülfswissenschaften, aus denen Varenius schöpfte, konnte die Bearbeitung nicht der Größe des Unternehmens entsprechen. Es war unserer Zeit vorbehalten, die vergleichende Erdkunde in ihrem weitesten Umfange, ja in ihrem Reflex auf die Geschichte der Menschheit, auf die Beziehungen der Erdgestaltung zu der Richtung der Völkerzüge und der Fortschritte der Gesittung, meisterhaft bearbeitet Carl Ritter’s Erdkunde im Verhältniß zur Natur und zur Geschichte des Menschen, oder allgemeine vergleichende Geographie. zu sehen.

      Die Aufzählung der vielfachen Strahlen, die sich in dem gesammten Naturwissen wie in einem Brennpunkte vereinigen, kann den Titel des Werks rechtfertigen, das ich, am späten Abend meines Lebens, zu veröffentlichen wage. Dieser Titel ist vielleicht kühner als das Unternehmen selbst: in den Grenzen, die ich mir gesetzt habe. In speciellen Disciplinen hatte ich bisher, so viel als möglich, neue Namen zur Bezeichnung allgemeiner Begriffe vermieden. Wo ich Erweiterungen der Nomenclatur versuchte, waren sie auf die Einzeldinge der Thier-und Pflanzenkunde beschränkt gewesen. Das Wort: physische Weltbeschreibung, dessen ich mich hier bediene, ist dem längst gebräuchlichen: physische Erdbeschreibung nachgebildet. Die Erweiterung des Inhalts, die Schilderung eines Naturganzen von den fernen Nebelflecken an bis zur klimatischen Verbreitung der organischen Gewebe, die unsere Felksklippen färben, machen die Einführung eines neuen Wortes nothwendig. So sehr auch in dem Sprachgebrauch, bei der früheren Beschränktheit menschlicher Ansichten, die Begriffe Erde und Welt sich verschmelzen (ich erinnere an die Ausdrücke: Weltumseglung, Weltkarten, Neue Welt), so ist doch die wissenschaftliche Absonderung von Welt und Erde ein allgemein gefühltes Bedürfniß. Die schönen und richtiger gebildeten Ausdrücke: Weltgebäude, Weltraum, Weltkörper, Weltschöpfung für den Inbegriff und den Ursprung aller Materie, der irdischen, wie der fernsten Gestirne; rechtfertigen diese Absonderung. Um dieselbe bestimmter, ich könnte sagen feierlicher und auf alterthümliche Weise anzudeuten, ist dem Titel meines Werkes das Wort Kosmos vorgesetzt: das ursprünglich, in der Homerischen Zeit, Schmuck und Ordnung bedeutete, später aber zu einem philosophischen Kunstausdrucke, zur wissenschaftlichen Bezeichnung der Wohlgeordnetheit der Welt, ja der ganzen Masse des Raum-Erfüllenden, d. i. des Weltalls selbst, umgeprägt ward.

      Bei der Schwierigkeit, in der steten Veränderlichkeit irdischer Erscheinungen das Geregelte oder Gesetzliche zu erkennen, wurde der Geist der Menschen vorzugsweise und früh von der gleichförmigen, harmonischen Bewegung der Himmelskörper angezogen. Nach dem Zeugnisse des Philolaus, dessen ächte Bruchstücke Böckh so geistreich bearbeitet hat, nach dem einstimmigen Zeugniß des ganzen Alterthums Κόσμος war in der ältesten und eigentlichen Bedeutung wohl nur Schmuck (Männer-, Frauen-oder Pferdeschmuck); bildlich Ordnung, für ευταξια, und Schmuck der Rede. Daß Pythagoras zuerst das Wort für Weltordnung und Welt gebraucht, wird von den Alten einstimmig versichert. Da er selbst nicht geschrieben, so sind die ältesten Beweisstellen die Bruchstücke des Philolaus (Stob. Eclog. p. 360 und 460 Heeren; Philolaos von Böckh S. 62 und 90). Wir führen nicht mit Näke den Timäus von Locri an, weil seine Aechtheit zu bezweifeln ist. Plutarch (de plac. philos. II, 1) sagt auf das bestimmteste, daß Pythagoras zuerst den Inbegriff des Universums Kosmos nannte wegen der darin herrschenden Ordnung. (Eben so Galen. Hist. phil. p. 429.) Das Wort ging in der neuen Bedeutung aus der philosophischen Schule in die Sprache der Naturdichter und der Prosaiker über. Plato fährt fort die Weltkörper selbst Uranos zu nennen; die Weltordnung ist ihm aber auch Kosmos, und im Timäus (p. 30 B) heißt das Weltall ein mit Seele begabtes Thier (κόσμον ζωον εμψυχον). Vergl. über den von allem Stoff gesonderten weltordnenden Geist Anaxag. Claz. ed. Schaubach p. 111 und Plut. de plac. phil. II, 3. Bei Aristoteles (de Coelo I, 9) ist Kosmos »Welt und Weltordnung«; er wird aber auch betrachtet als räumlich zerfallend in die sublunarische Welt und die höhere, über dem Monde (Meteor. I. 2, 1 und I. 3, 13: p. 339, a und 340, b Bekk.). Die von mir oben im Text citirte Definition des Kosmos aus dem Pseudo-Aristoteles de Mundo cap. 2 (p. 391) lautet also: κόσμος εστι σύστημα εξ ουρανοι και γης και των εν τούτοις περιεχομένων φύσεων. λέγεται δε και ετέρως κόσμος η των όλων τάξις τε και διακόσμησις, υπο θεων φυλαττομένη. Die meisten Stellen der griechischen Schriftsteller über Kosmos finde ich gesammelt 1) in der Streitschrift von Richard Bentley gegen Charles Boyle (Opuscula philologica 1781 p. 347 und 445, Dissertation upon the Epistles of Phalaris 1817 p. 254) über die historische Existenz des Zaleucus, Gesetzgebers von Locri; 2) in Näke’s vortrefflichen Sched. crit. 1812 p. 9–15 und 3) in Theoph. Schmidt ad Cleom. cycl. theor. met. I, 1 (p. IX, 1 und 99). Kosmos wurde in engerer Bedeutung auch in der Mehrzahl (Plut. I, 5) gebraucht: indem entweder jeder Stern (Weltkörper) so genannt wird (Stob. I p. 514; Plut. II, 13); oder in dem unendlichen Weltraume viele einzelne Weltsysteme (Weltinseln) angenommen werden, deren jedes eine Sonne und einen Mond hat (Anaxag. Claz. fragm. p. 89, 93 und 120; Brandis, Gesch. der Griechisch-Römischen Philosophie Th. I. S. 252). Da jede Gruppe dann ein Kosmos wird, so ist das Weltall, το παν, ein höherer Begriff und von Kosmos verschieden (Plut. II, 1). Für Erde wird das letzte Wort erst lange nach der Zeit der Ptolemäer gebraucht. Böckh hat Inschriften zum Lobe des Trajan und Hadrian bekannt gemacht (Corpus Inscr. Graec. T. I. nr. 334 und 1306), in denen κόμος an die Stelle von οικουμένη tritt, ganz wie auch wir oft unter Welt die Erde allein verstehen. Die sonderbare, oben erwähnte Dreitheilung des Weltraumes in Olymp, Kosmos und Uranos (Stob. I. p. 488, Philolaos S. 94–102) bezieht sich auf die verschiedenen Regionen, welche den Heerd des Weltalls, die pythagoreische Εστία του παντός, umgeben. Die innerste Region zwischen Mond und Erde, das Gebiet des Veränderlichen, wird in dem Bruchstücke Uranos genannt. Das mittlere Gebiet, das der unveränderlich wohlgeordnet kreisenden Planeten, heißt nach einer sehr particulären Weltansicht ausschließlich Kosmos. Die äußerste Region, eine feurige, ist der Olymp. »Wenn man«, bemerkt der tiefe Forscher der Sprachverwandtschaften, Bopp, »κόσμος von der Sanskrit-Wurzel śudh, purificari, ableitet, wie schon Pott gethan (etymol. Forschungen Th. I. S. 39 und 252); so hat man in lautlicher Beziehung zu betrachten: 1) daß das griechische κ (in κόσμος) aus dem palatalen s, das Bopp durch ś und Pott durch ç ausdrücken, hervorgegangen ist: wie δέκα, decem, gothisch taihun, aus dem indischen daśan 2) daß das indische dh regelmäßig (vergleichende Gramm. § 99) dem griechischen θ entspricht: woraus das Verhältniß von κόσμος (für κόθμος) zur Skr. Wurzel śudh, wovon auch καθαρός klar wird. Ein anderer indischer Ausdruck für Welt ist dschagat, was eigentlich das Gehende bedeutet, als Participium von dschagâmi, ich gehe (aus der Wurzel gâ).« In dem inneren Kreise des hellenischen Sprachzusammenhanges knüpft sich nach dem Etym. M. p. 521, 12 κόσμος zunächst an κάζω oder vielmehr καινυμαι (wovon κεκασμένος oder κεκαδμένος) an. Hiermit verbindet Welcker (eine kretische Col. in Theben S. 23) auch den Namen Κάδμος, wie bei dem Hesychius κάδμος eine kretische Waffenrüstung bedeutet. – Die Römer haben, bei Einführung der philosophischen Kunstsprache der Griechen, ganz wie diese, das, mit κόσμος (Frauenschmuck) ursprünglich gleichbedeutende Wort


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