Chefarzt Dr. Norden 3 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
er Gewissheit. Termin reihte sich an Termin. Es gab nur eine Möglichkeit.
»In der nächsten Stunde steht nur eine Besprechung mit Fuchs auf dem Plan«, dachte er laut nach. »Die kann ich auf später verschieben.«
»Wenn ich gewusst hätte, wie hart die Arbeit als Klinikchef ist, hätte ich mich um den Posten gerissen.« Nur ein Zucken um die Mundwinkel verriet, dass Lammers scherzte. Daniel lachte pflichtschuldig. Die Spatzen pfiffen es von den Dächern, dass der Kinderchirurg schon an seinem und Fees Stühlen gesägt hatte, bevor die Tinte unter seinem Vertrag getrocknet gewesen war.
*
Sophie Petzold hatte sich nicht geirrt. Die Aufnahmen von Frau Berger waren fertig. Sie ging an den Tresen und bat eine Schwester, den Klinikchef zu informieren. Sie selbst machte sich auf den Weg zu der Seniorin. Ein Rettungssanitäter kam ihr entgegen und bog vor ihr in einen der Gänge ab. Zwei Pfleger schoben ein Bett vor sich her. Mit einem Hüftschwung schlängelte sich Sophie an dem Transport vorbei. Der Widerstand, gefolgt von einem leisen Ratschen, bremste sie.
»Heute ist wirklich nicht mein Tag.« Seufzend betrachtet sie den Riss in der Kitteltasche.
»Sie haben sich den Kittel zerrissen, Kollegin Petzold.« Christine Lekutat kam ihr grinsend entgegen. Wie immer musste Sophie beim Anblick der Chirurgin an ein Nilpferd denken.
»Sie irren sich. Das ist die neueste Mode.« Sie warf den Kopf in den Nacken und stürmte auf Rosa Bergers Zimmertür zu. Sie klopfte. Gleichzeitig drückte sie die Klinke herunter. Nur einen Augenblick später griff eine eiskalte Hand nach ihrem Herzen.
»Frau Berger! Hallo Frau Berger!«
Der Kopf der Patientin lag auf der Seite. Die Augen waren geschlossen, der Mund stand halb offen. Sophie packte Rosas Handgelenk. Sie starrte auf die Armbanduhr. Ihre Lippen bewegten sich lautlos.
»Der Puls rast.« Mit der einen Hand zog sie eines von Rosas Augenlidern hoch, mit der anderen tastete sie nach dem Handy. Obwohl es nur drei Zahlen waren, vertippte sie sich mehrfach, bis sie endlich die richtige Nummer erwischte.
»Petzold hier. Haben Sie den Chef gefunden?«, fragte sie atemlos in den Hörer.
»Tut mir leid. Der ist im OP.«
»Mist!«, fluchte Sophie, drückte das Gespräch weg und wählte eine andere Nummer.
»Petzold, na endlich! Ausgeschlafen?« Matthias Weigands Stimme triefte vor Spott.
»Selten so gelacht, hahaha«, schnaubte sie. »Frau Berger ist ohnmächtig. Kommen Sie oder soll ich einen anderen Witzbold rufen?«
»Warum so aggressiv? Läuft es etwa nicht mit Jakob?«, entfuhr es ihm. Er legte schnell auf, bevor sie Gelegenheit hatte, etwas zu erwidern. »Idiot!« Er verpasste sich selbst eine Ohrfeige, ehe er sich im Laufschritt auf den Weg machte, um zu retten, was zu retten war.
*
Die Sohlen von Christian Bergers Schlangenlederschuhen klapperten auf dem PVC-Boden. Verliebt sah er hinunter, bewunderte die Musterung des exquisiten Leders, die spitz zulaufende Form, und wäre um ein Haar mit einer Krankenschwester zusammengestoßen. Rosas Reisetasche rutschte von seiner Schulter und klatschte auf den Boden.
»Können Sie nicht aufpassen?«, herrschte er die junge Schwester an.
»Tut mir leid.« Mit glühenden Wangen bückte sie sich und reichte ihm die Tasche.
»Das will ich auch hoffen.« Christian sah ihr kurz nach, ehe er an den Tresen trat. »Entschuldigung. Ich habe meiner Großmutter ein paar Sachen für die Nacht mitgebracht.«
Schwester Tina lachte auf.
»Oder auch für mehrere.«
»Hoffentlich nicht. Obwohl das hier ein sehr schönes Haus ist. Wie ein Hotel.« Christians Blick wanderte über den lackweißen Tresen mit den Absetzungen in Nussbraun. Aus einer edlen Vase ragte ein einzelner Baumwollblütenzweig. Daneben lagen vom häufigen Auf- und Zuschlagen mitgenommene Akten. »Fast.«
Kaum merklich zog Schwester Tina eine Augenbraue hoch.
»Wie heißt Ihre Großmutter denn?«
»Berger. Rosamunde Berger.«
Die Tastatur klapperte leise. Tinas Gesicht wurde vom Licht des Bildschirms angestrahlt. Sie sah kurz hinauf zu Christian und gleich wieder weg.
Seine Fingerspitzen tanzten auf dem Tresen.
»Stimmt was nicht?«
Tinas Miene entspannte sich.
»Hier habe ich sie ja. Frau Berger ist gerade aus dem CT zurückgekommen. Zimmer 112.« Sie deutete quer über den Flur auf den Menschenstrom, der sich eben auf den Flur ergoss. »Sie können gern den Aufzug nehmen. Erster Stock, links den Gang hinunter.«
»Danke.« Christian schulterte die Tasche und machte sich auf den Weg.
Er bog in dem Moment um die Ecke, als Sophie Petzold mit Hilfe eines Pflegers das Bett aus dem Zimmer schob. Von der anderen Seite des Flurs eilte Dr. Weigand herbei. Bei Rosa angekommen, blieb er stehen und zückte eine Taschenlampe, mit der er ihr in die Augen leuchtete.
»OP drei vorbereiten.« Er sah kurz zu Sophie hinüber. »Sie assistieren.«
Verdutzt zog sie das Handy aus der Tasche. Der Tross setzte sich in Bewegung. In diesem Moment erreichte Christian den Krankentransport. Er heftete sich an Sophies Fersen.
»Oma!«
Sophie Petzold presste das Telefon ans Ohr.
»Wir müssen intubieren«, soufflierte Matthias ihr.
»Sophie Petzold hier. Wir haben einen Patienten mit Verdacht auf innere Blutungen für OP drei. Danke.«
Die Tasche tanzte auf Christians Schulter.
»Was ist los? Was ist mit meiner Großmutter?«
Matthias sah zu Sophie hinüber. Sie verstand die stumme Aufforderung und drehte sich zu Christian um.
»Beruhigen Sie sich.« Sie legte ihm die Hände auf die Schultern. »Es gab Komplikationen. Machen Sie sich keine Sorgen. Wir kümmern uns um Ihre Großmutter.« Sie wandte den Kopf und sah und dem Transport nach. Dr. Weigand rangierte das Bett in den Fahrstuhl.
»Soll das ein Witz sein?«, schnaubte Christian.
»Tut mir leid.« Sophie hatte keine Zeit mehr. Sie spurtete los. Mit einem Sprung landete sie im Aufzug. Im nächsten Augenblick schlossen sich die Türen hinter ihr. Ruckelnd setzte sich das chromglänzende Gefährt in Bewegung.
»Alle Achtung. Ich sollte Sie zum deutschen Sportabzeichen anmelden«, scherzte Matthias.
Sophie schnitt eine Grimasse.
»Tun Sie, was Sie nicht lassen können.« Sie hoffte, dass er die Ader an ihrer Stirn nicht bemerkte, die immer dann pulsierte, wenn sie sich über Gebühr anstrengte. Wenigstens dieses eine Mal ging ihr Wunsch in Erfüllung, und Matthias wandte sich wieder seiner Patientin zu, die aussah, als ob sie schliefe.
*
»Mach dir keine Sorgen, Feelein. Das kriegen wir schon wieder hin«, versicherte Dr. Norden auf dem Weg in die Orthopädie. »Sobald die Tat vollbracht ist, gebe ich dir Rückmeldung.« Er nickte und lächelte. »Ich dich auch.« Er steckte das Telefon ein und machte vor dem Fahrstuhl Halt. Schnurrend glitten die Türen auf und gaben den Blick frei auf den Verwaltungsdirektor.
»Ah, Herr Dr. Norden! Das ist doch nicht nötig, dass Sie mich zu unserer kleinen Besprechung abholen.« Er schien ein paar Zentimeter zu wachsen und trat aus dem Aufzug.
Die Besprechung! Daniel stöhnte auf.
»Tut mir leid. Ich habe völlig vergessen, Sie zu informieren. Mir ist etwas Wichtiges dazwischengekommen. Ich bin sehr in Eile.«
»Kein Problem, mein Lieber, kein Problem.« Dieter hob die Hände. »Wir müssen nur eine Winzigkeit besprechen. Es dauert auch