Ein deutsches Kriegsschiff in der Südsee. Bartholomäus von WernerЧитать онлайн книгу.
zu vertheilen und bunte Reihe herzustellen, misglückt aber, trotzdem sie sehen, daß die vier vorher genannten Damen sich ganz frei unter uns bewegen. Es scheint, daß eine gewisse Zeit dazu gehört, die erste Scheu zu überwinden. Wird eine an der Hand aus dem Knäuel herausgeführt, so kommt sie ängstlich und zagend mit, schießt aber sofort wieder in den Knäuel hinein, sobald ihre Hand losgelassen wird. Es bleibt daher nichts anderes übrig als sie zusammen zu lassen, und nun gelingt es auch, sie wenigstens zum Sitzen zu bewegen. Ein Theil setzt sich auf die gepolsterte Bank, ein anderer Theil auf Stühle, die meisten ziehen den Fußboden vor, und nun beginnt ein ohrenzerreißendes Concert. Wol infolge des seit zehn Monaten ununterbrochen währenden Regens und der damit verbundenen rauhen Witterung haben die Leute fast alle den Schnupfen, und da sie Taschentücher nicht kennen, helfen sie sich damit, daß sie den Schleim mit großem Getöse einziehen und ihn dann ausspucken. Bisher hatten sie sich noch beherrscht; jetzt aber behaglich gruppirt, glaubten sie, sich diese Erleichterung auch gönnen zu dürfen, nachdem ihnen einige Spucknäpfe, deren Nothwendigkeit bei dem vorhergegangenen Besuch von den Offizieren schon erkannt worden war, hingeschoben worden sind. Spucknäpfe sind allerdings nur zwei in der Messe vorhanden, und ich wollte schon bitten, noch einige herbeibringen zu lassen, als die sich entwickelnde Scene mich davon abhält. Mit großer Sorgfalt werden diese beiden Näpfe zur gefälligen Benutzung von Hand zu Hand gereicht und so gewissenhaft benutzt, daß weitere Zufuhr überflüssig erscheint. Nachdem so für den nothwendigsten Comfort Sorge getragen ist, wird an die Bewirthung gegangen, welche in Liqueur, Kakes und Cigarren besteht. Dies hebt bald die Stimmung, die Scheu schwindet mehr und mehr, eine allgemeine Unterhaltung bricht sich Bahn und bald fühlen sich unsere Gäste sichtlich wohl. Jetzt kann auch die Aufforderung zum Tanzen erlassen werden, doch finden wir noch keine Gegenliebe. Alle Aufforderungen der Dolmetscher scheitern an einem starren Eigensinn, und dieselben wiederholen uns immer wieder, daß die Nymphen sich zu sehr schämen. Da endlich schreiten mit Energie die drei Schwestern der Häuptlingsfrau ein, die Tänzerinnen stellen sich in einen Kreis, uns ihren sehr knapp in das Umschlagetuch eingehüllten Rücken zuwendend. Na — nun endlich geht es los. Ja, Prosit! — Die Mädchen sind hier gerade so wie bei uns, in richtigem Alter eine richtige Gänseheerde. Anstatt zu tanzen, stecken sie die Köpfe zusammen und kichern, schmiegen sich aneinander an und laufen wieder auseinander, wie dies bei uns Mädchen im reifern Backfischalter thun, wenn sie nicht recht wissen, wie sie sich benehmen sollen. Der einzige Unterschied liegt nur darin, daß man in solchem Falle bei uns bei dem dabei stets stattfindenden Bücken des Körpers faltenreiche, wogende Roben sieht, während man hier bei jedem Bücken mit Entsetzen das Unglaubliche sich zu vollziehen wähnt, daß der keineswegs zähe aber überstraff gespannte Stoff platzen wird. Ich sehe mich besorgt nach irgendetwas um, womit man den etwaigen Schaden schnell repariren könnte, das Unglaubliche passirt aber nicht, der Stoff hält die Anstrengung aus. Dieses kindische Benehmen wiederholt sich mehrere male, endlich reißt allen Zuschauern die Geduld, eine der drei Schwestern geht als Vortänzerin mit in den Kreis, wir alle klatschen mit den Händen und endlich — erst zag, dann aber energisch kommt der Tanz zu seiner Vollendung.
Unter dem Händeklatschen der Zuschauer setzt sich der Kreis in Bewegung, und die Tänzerinnen beginnen einen grabesstimmenähnlichen Gesang mit folgenden Worten:
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