Leni Behrendt Staffel 5 – Liebesroman. Leni BehrendtЧитать онлайн книгу.
seinen Augen
auf.
»Ich bin ein vorzüglicher Gesellschafter. Nicht wahr, Fräulein Berken?«
Der prüfende Blick der klaren, übrigens wunderschönen Mädchenaugen wurde ihm unbequem. Verlegen wandte er den Kopf zur Seite, als sie sagte: »Man ist zum frohen Plaudern nicht immer aufgelegt, Herr Dietsch. Das weiß ich von mir selber. Und daß Sie etwas bedrückt, sehe ich sehr wohl. Deshalb will ich mich verabschieden.«
Sie waren am Parkplatz angelangt und da vermißte Egolf sein Auto.
»Nanu, wo ist denn mein Wagen? Kann ich extra schlecht sehen?«
»Gewiß nicht, Herr Dietsch. Denn auch ich kann ihn nirgends erspähen.«
Ein halbwüchsiger Junge schob sich heran, der am Parkplatz herumlungerte. Ein Trinkgeld witternd, begann er eifrig zu erzählen:
»Ich hab’ gesehen, wie ein blondes Fräulein mit Ihrem Auto abhaute, Herr Dietsch.«
Egolf wurde es schwül.
»Wann war das?«
»So an die zwei Stunden wird es wohl her sein.«
Grinsend fing er das Geldstück auf, das der Herr ihm zuwarf, und trollte ab. Zufällig hatte er mit angesehen, wie Ebba in das Auto stieg. Und ein fixer Junge, der sich für Autos interesssiert, kennt natürlich die der Einheimischen. Hauptsächlich dann, wenn da »alles dran ist«, wie bei dem des jungen Dietsch. Und wenn da so ein hübsches Fräulein mit der »Mordskarre« so mir nichts dir nichts »abhaut«, dann ist bestimmt etwas faul. Jetzt hatte er, Geduld auch, und so wartete er, bis der Besitzer des Wagens kommen und ihn vermissen würde. Da hatte sein guter Riecher ihm also einen guten Braten eingebracht mit dem er sich schon was zugute tun konnte. Vergnügt zog er los.
»Tja, da bleibt mir nun nichts anderes übrig, als per pedes nach Hause zu trippeln«, war Egolf durchaus nicht entzückt. »So ein kleiner Racker.«
Na warte, Marjellchen, dachte er ärgerlich hinzu. Dich werde ich schon bei den niedlichen Ohren nehmen. So eine Eigenmächtigkeit darf erst gar nicht einreißen.
»So wissen Sie, wer sich Ihren Wagen ausgeliehen hat?« fragte Anita, und er lachte verlegen.
»Nehme ich wenigstens an. Blondes Fräulein – das kann nur die Ebba sein, die sich diesen schlechten Scherz erlaubt hat.«
»Kann Fräulein Runard denn chauffieren?«
»Schon ganz ordentlich. Ob sie jedoch auf belebten Straßen sicher durchkommt, das möchte ich beinahe anzweifeln.«
Anita merkte ihm die Unruhe an und blieb an seiner Seite.
»Wenn es Ihnen recht ist, Herr Dietsch, begleite ich Sie ein Stück. Wir haben nämlich denselben Weg. Nicht weit von Ihrem Haus entfernt liegt auch das unsere – allerdings klein und bescheiden.«
»Das habe ich nicht gewußt, Fräulein Berken. Sonst hätte ich sie gewiß jeden Tag zum Büro mitgenommen.«
»Ach, ich komme schon gut dahin. Wenn ich zu bequem bin, um zu Fuß zu gehen, kann ich ja die Straßenbahn benutzen. Kommen Sie mit, ich weiß einen wunderschönen Weg durch den Grund. Da schneiden wir eine gute Ecke ab.« Sie schritten rasch dahin, jedes mit seinen Gedanken beschäftigt. Sie sahen nichts von der wunderschönen Umgebung des romantischen Grundes, durch den ein Bächlein plätschernd sprang. Und als sie eine Strecke zurückgelegt hatten, sah Egolf auch sein Auto wieder.
*
Trostlos, zerschlagen, ein armseliges Wrack. Die Menschen, die es umstanden, gaben aufgeregt Auskunft. Erschütternd wäre es gewesen, als man die Fahrerin fand – mit zerdrücktem Brustkorb – tot. Ein Krankenwagen hat sie bereits abgeholt, um sie nach der Leichenhalle zu bringen. Wie sie aus den Personalien, die in der Handtasche steckten, ersehen konnten, handelte es sich um ein Fräulein Ebba Runard.
Aufs tiefste erschrocken, sah Anita ihrem Begleiter in das fahle Gesicht. Sanft schob sie ihren Arm unter den seinen.
»Kommen Sie, Herr Dietsch – vielleicht lebt sie doch noch«, versuchte sie gegen ihre Überzeugung den verstörten Mann zu trösten. Denn nach der Schilderung der Augenzeugen war das wohl ausgeschlossen. Fest umklammerte der den Arm des Mädchens, ließ sich fortführen von der Stätte des Grauens. Setzte wie ein Nachtwandler Fuß um Fuß. Auf einer versteckten Bank ließ sie sich nieder, zog Egolf an ihre Seite und legte, sich selbst wohl unbewußt, ihren Arm um seine Schulter. Ihr Herz krampfte sich zusammen, als sie das blasse, immer noch verstörte Gesicht des Mannes sah.
Und plötzlich begann er zu sprechen, leise, gequält. Sah sie dann wie hilfesuchend an, die voll Erbarmen nach seinen unruhigen Händen griff und herzlich sagte: »Nach allem, was ich von Ihnen gehört habe, trifft Sie an dem Unfall keine Schuld, Herr Dietsch. Und an dem anderen – auch nicht viel, zumal Sie bereit waren, für Ihre Unversonnenheit mit Ihrer ganzen Person einzustehen. Es hätte ja auch alles gut werden können, wenn Fräulein Runard nicht so ungeduldig gewesen wäre. So ging ihr alles zu langsam. Daher wollte wohl sie selbst mit Ihren Eltern sprechen und das wurde ihr zum Verhängnis. Sie konnte doch unmöglich ahnen, daß sie sich zu der Fahrt nach Ihrem Elternhaus Ihr Auto stehlen würde, Herr Dietsch! Nein, an dem letzten trifft Sie nicht die geringste Schuld.«
»Und doch, Anita – und doch… Ebbas arme Mutter!«
Ja, an die dachte auch Anita in tiefster Erschütterung. Die Tränen würgten sie im Halse, doch sie riß sich tapfer zusammen. Sprach gute, tröstende Worte zu dem gepeinigten Mann und trennte sich erst vor seinem Elternhaus von ihm mit warmem Händedruck.
*
Nun war alles vorüber. Ebba ruhte unter dem frischen Hügel, der über und über mit Kränzen belegt war. Fast fremde Menschen hatten der armen Mutter damit ihr Mitgefühl kundtun wollen – was jedoch von ihr unbemerkt blieb. Sie saß in ihrer Wohnung und starrte mit tränenlosen Augen vor sich hin. Hatte nur den einen Wunsch, auch zu sterben wie ihr Kind.
Der wütende Schmerz ließ sie immer unzurechnungsfähiger werden. Sonst hätte sie sich nicht in die Verbitterung hineinsteigern können, daß Holger Hadebrandt die Hauptschuld an allem Unglück trug. Hätte er ihr Kind geheiratet, dann lebte es noch.
Sie verrannte sich in einen Haß, der immer mehr Besitz von ihr ergriff. Was machte es ihm aus, daß Ebba tot war? Zwischen einer Zigarette würde er mit der Mutter darüber bedauernde Worte tauschen – zum Schluß noch betonen, daß der Tod die beste Lösung für das mißratene Geschöpf wäre – und dann zur Tagesordnung übergehen.
Nicht einmal eine Beileidskarte hatte er geschickt – und seine Mutter auch nicht. Ausmerzen wollte sie die Menschen aus ihrem Herzen, das bisher in so inniger Liebe für sie geschlagen. Das war sie ihrem armen Kinde schuldig.
Das ist nun einmal so: Schmerz machte egoistisch und ungerecht und verbittert. Sonst hätte ihr der Zweifel kommen müssen, ob Holger und seine Mutter überhaupt um Ebbas Tod wüßten. Angezeigt hatte sie ihn in der Zeitung nicht. Die darum wußten, hatten ihn durch Zufall erfahren.
Und dieser schaltete bei den beiden Menschen aus, da sich Frau Hadebrandt mit ihren Enkelkindern auf einem abgelegenen Gut befand und ihr Sohn eine Reise angetreten hatte. Und zwar gleich nach der letzten harten Auseinandersetzung mit Mechthild. Da war er in die Ferne hinausgefahren, um sich abzulenken. Seine Mutter, die es ohne ihn zu Hause nicht aushielt, erfüllte sich einen langgehegten Wunsch und besuchte mit den Kindern eine Verwandte, die immer wieder um ihr Kommen gebeten hatte. Der Aufenthalt sollte ursprünglich nur vier Wochen währen, dehnte sich dann jedoch länger aus, weil ihr das Landleben zusagte und den Kindern vorzüglich bekam. Wenn sie von der Abreise sprach, wurde die Verwandte unwillig. Hielt ihr vor, daß sie zu Hause nichts versäumte, da Holger ja auch abwesend war. Dann gab Frau Anne jedesmal lachend nach – und der Friede war wiederhergestellt.
So konnte es kommen, daß sie erst durch einen Brief Frau Wentrucks von dem erschütternden Unglück erfuhr. Noch ganz unter dieser Erschütterung stehend hatte Frau Herma ihn geschrieben. Sprach sich diese brieflich so ausführlich vom Herzen, daß Frau Anne bis ins kleinste unterrichtet