Gesammelte Werke. Джек ЛондонЧитать онлайн книгу.
auf und stieg die Treppe hinauf, während ich seiner Aufforderung, mich niederzulegen, Folge leistete. Ohne einen mir bewußten Grund, nur einer geheimnisvollen Eingebung folgend, entkleidete ich mich nicht, sondern legte mich völlig angekleidet in die Koje. Eine Zeitlang lauschte ich auf den Lärm im Zwischendeck und stellte Betrachtungen an über die Liebe, die zu mir gekommen war, aber mein Schlaf war auf der Ghost gesund und natürlich geworden, und bald erstarben Singen und Schreien, meine Augen schlossen sich, und mein Bewußtsein sank in den Halbtod des Schlummers.
Ich weiß nicht, was mich weckte, aber ich stand ganz wach vor meiner Koje, und meine Seele zitterte wie in Gefahr, als hätte mich Trompetenschall gerufen. Ich riß die Tür auf. Die Kajütslampe war tief her abgebrannt. Und ich sah Maud, meine Maud, die sich aus den Armen Wolf Larsens zu befreien suchte. Ich konnte ihre verzweifelten Anstrengungen sehen, sie preßte ihr Gesicht gegen seine Brust, um zu entkommen. Alles dies sah ich in einem Nu, und schon sprang ich in die Kajüte. Ich schlug ihm mit der Faust mitten ins Gesicht, aber der Schlag hatte keine Kraft. Er brüllte wie ein wildes Tier und schleuderte mich mit der Hand weg. Ich stieß gegen die Tür des Raumes, in dem Thomas Mugridge früher geschlafen hatte, und das Paneel zersplitterte unter der Wucht meines Körpers. Schwankend richtete ich mich wieder auf und befreite mich mit Mühe aus den Trümmern der Tür. Einen Schmerz fühlte ich nicht, ich war nur von einer grenzenlosen Wut beherrscht. Ich glaube, daß ich laut schrie, als ich ihn zum zweitenmal mit gezücktem Messer ansprang.
Aber es mußte etwas geschehen sein. Sie taumelten auseinander. Ich war schon mit dem Messer über ihm, aber ich hielt den Stoß zurück. Ich war verwirrt. Maud lehnte sich mit ausgestreckter Hand gegen das Schott. Wolf Larsen aber schwankte, die Linke gegen die Stirn gepreßt und die Augen bedeckend, während er halb betäubt mit der Rechten nach einem Halt suchte.
Er stieß gegen die Wand, sein Körper schien bei der Berührung eine physische Erleichterung zu spüren, die Muskeln erschlafften, es war, als hätte er den verlorenen Kurs wiedergefunden, als wisse er wieder, wo er sich befand, als habe er wieder einen Halt.
Dann übermannte mich wieder die Wut. Alles Unrecht, alle Demütigungen, alles, was ich und andere durch ihn erlitten, die Ungeheuerlichkeit, die allein in der Existenz dieses Mannes lag, stand in blendender Helle vor mir. Blind, wahnsinnig, sprang ich von neuem auf ihn los und stieß ihm das Messer in die Schulter. Mir war sofort klar, daß es nichts als eine Fleischwunde war - ich hatte den Stahl an seinem Schulterblatt knirschen hören -, und ich hob nochmals das Messer, um ein Ende zu machen.
Aber Maud hatte meinen ersten Stoß gesehen und schrie: „Nicht! Bitte nicht!"
Ich ließ einen Augenblick den Arm sinken - nur einen Augenblick. Dann erhob ich das Messer wieder, und es wäre sicher aus gewesen mit Wolf Larsen, wäre sie nicht dazwischengetreten.
„Um meinetwillen!" flehte sie.
„Um Ihretwillen will ich ihn töten!" rief ich und versuchte, meinen Arm frei zu machen, ohne sie zu verletzen.
„Still!" sagte sie und legte mir die Hand sanft auf die Lippen.
Ich hätte sie küssen mögen, wenn ich es nur gewagt hätte, denn inmitten meiner Wut wirkte ihre Berührung so süß, so unsagbar süß.
„Bitte, bitte", flehte sie, und sie entwaffnete mich mit diesen Worten, wie sie mich - das habe ich später erfahren - stets mit ihnen entwaffnen wird.
Ich trat zurück und steckte das Messer in die Scheide. Ich blickte auf Wolf Larsen. Er preßte die Linke immer noch gegen die Stirn und bedeckte seine Augen. Sein Kopf war gebeugt. Er schien plötzlich gelähmt zu sein. Sein Körper knickte in den Hüften ein, seine mächtigen Schultern sackten nach vorn.
„Van Weyden!" rief er heiser und mit einem Klang von Angst in der Stimme. „Van Weyden, wo sind Sie?"
Ich blickte Maud an.
Sie sagte nichts, nickte nur.
„Hier", antwortete ich und trat zu ihm. „Was ist mit Ihnen?"
„Helfen Sie mir auf einen Stuhl", sagte er mit derselben furchtsamen Stimme. „Ich bin ein kranker Mann, ein sehr kranker Mann, Hump", sagte er, als meine stützenden Arme ihn losließen und er auf den Stuhl sank.
Sein Kopf fiel vornüber auf den Tisch und wurde in seinen Händen begraben. Ab und zu schwankte er wie vor Schmerz hin und her. Als er einmal aufblickte, sah ich den Schweiß in schweren Tropfen unter den Haarwurzeln auf seiner Stirn stehen.
„Ich bin ein kranker Mann, ein sehr kranker Mann", wiederholte er immer wieder.
„Was ist Ihnen denn?" fragte ich, indem ich ihm meine Hand auf die Schulter legte. „Kann ich was für Sie tun?" Aber er schüttelte meine Hand mit einer ungeduldigen Bewegung ab, und eine Weile stand ich schweigend neben ihm. Maud starrte ihn mit einem Ausdruck von Furcht und Schrecken an. Wir hatten keine Ahnung, was ihm geschehen war.
„Hump", sagte er endlich, „Ich muß in die Koje. Reichen Sie mir Ihre Hand. Es wird gleich vorübergehen. Ich glaube, es sind die verfluchten Kopfschmerzen. Ich hatte es schon gefürchtet. Ich hatte ein Gefühl - nein, ich weiß nicht, was ich rede. Helfen Sie mir in meine Koje!"
Als ich ihn aber in die Koje gebracht hatte, vergrub er wieder sein Gesicht in den Händen, bedeckte die Augen, und als ich mich zum Gehen wandte, hörte ich ihn murmeln: „Ich bin ein kranker Mann, ein sehr kranker Mann."
Als ich herauskam, sah Maud mich fragend an. Ich schüttelte den Kopf und sagte: „Es ist ihm etwas zugestoßen. Was, weiß ich nicht. Er ist hilflos und furchtsam - sicher das erste Mal in seinem Leben. Es muß geschehen sein, noch ehe er den Messerstich erhielt, denn der hat ihn nur ganz oberflächlich getroffen. Sie müssen doch gesehen haben, was es war."
Sie schüttelte den Kopf. „Ich habe nichts gesehen. Es ist mir genauso rätselhaft. Er ließ mich plötzlich los und taumelte. Aber was tun wir? Was soll ich tun?"
„Warten Sie bitte, bis ich wiederkomme", antwortete ich kurz.
Ich ging an Deck. Louis stand am Rad. „Du kannst nach vorn gehen und dich hinlegen", sagte ich und nahm selbst das Ruder.
Er gehorchte ohne Zögern, und ich befand mich allein an Deck der Ghost. So leise wie möglich geite ich die Toppsegel auf, fierte Außenklüver und Stagsegel, holte den Klüver nach backbord und legte das Großsegel hart an den Wind. Dann ging ich zu Maud hinunter. Zum Zeichen des Schweigens legte ich den Finger auf die Lippen und trat in Wolf Larsens Raum. Er befand sich noch in demselben Zustand, wie ich ihn verlassen hatte, und bewegte den Kopf - fast schlangenartig - hin und her.
„Kann ich etwas für Sie tun?" fragte ich.
Er gab zuerst keine Antwort, als ich aber meine Frage wiederholte, sagte er: „Nein, nein, es ist gut. Lassen Sie mich allein bis morgen früh."
Als ich mich aber zum Gehen wandte, bemerkte ich, daß sein Kopf die schaukelnde Bewegung wiederaufgenommen hatte. Maud wartete geduldig auf mich, und mit einem freudigen Gefühl bemerkte ich die königliche Haltung ihres frei erhobenen Kopfes und ihre schönen ruhigen Augen. Ruhig und zuversichtlich waren sie wie ihr Gemüt.
„Wollen Sie sich mir für eine Seereise von etwa sechshundert Meilen anvertrauen?" fragte ich.
„Sie wollen -?" sagte sie, und ich wußte, daß sie meine Absicht erraten hatte.
„Ja, eben das", antwortete ich. „Uns bleibt keine Wahl als das offene Boot."
„Um meinetwillen, meinen Sie?" sagte sie. „Sie selbst sind doch gewiß hier ebenso sicher wie bisher."
„Nein, wir haben beide keine andere Möglichkeit als das offene Boot", wiederholte ich tapfer. „Wollen Sie sich bitte so warm wie möglich ankleiden und alles, was Sie mitnehmen wollen, zusammenpacken. Und machen Sie so schnell wie möglich", fügte ich hinzu, als sie sich umwandte, um ihre Kajüte aufzusuchen. Die Vorratskammer befand sich gerade unter der Kajüte, ich öffnete die Falltür, nahm ein Licht und stieg hinunter, um mich mit Proviant zu versorgen. Ich wählte hauptsächlich Konserven, und als ich fertig war, streckten sich mir ein Paar Hände willig entgegen, um in Empfang