Dr. Norden Jubiläumsbox 9 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
herum und umarmte ihn von hinten.
»Das tue ich doch gar nicht«, versicherte sie weich.
Aufatmend legte Lorenz den Kopf in den Nacken und rieb ihn an ihrer Wange. Eine Weile saß er schweigend da und hing seinen sorgenvollen Gedanken nach.
Dann besann er sich darauf, dass dieser Abend seiner Freundin gehörte. Er richtete sich auf und begleitete Janine auf ihren Platz zurück. Der Rest des Abends verlief entspannt und unterhaltsam. Ein paar Mal warf Janine den Kopf in den Nacken und lachte belustigt auf, und in diesen unbeschwerten Momenten hatte Lorenz die Hoffnung, dass alles wieder gut werden konnte.
*
Dieses Gefühl hatte Tatjana Bohde ganz und gar nicht, als sie am nächsten Morgen aus der Backstube kam. Sie war immer noch so wütend, dass sie den schweren Korb mit frisch gebackenen Brötchen mit Leichtigkeit ins Regal wuchtete.
Marla, die gerade dabei war, eine bestellte Torte kunstvoll zu verzieren, hob den Kopf und sah ihre Chefin fragend an.
»Ärger mit einer Bestellung oder Beziehungsstress?«, erkundigte sie sich, obwohl sie sich schon denken konnte, was los war.
Das eisige Schweigen des Paares am Abend zuvor war ihr nicht entgangen. Um der schlechten Stimmung zu entgehen, hatte sie sich schnell in ihr Zimmer verzogen.
Eigentlich hatte Tatjana nicht vorgehabt, schon wieder über ihre Probleme zu reden. Doch ihr Seufzen verriet sie.
»Beziehungsstress also«, konstatierte Marla und ging hinüber zur Kaffeemaschine, um zwei Tassen Cappuccino zu kochen.
Die Kaffeemaschine brodelte und zischte, und ein köstlicher Duft zog durch die kleine Bäckerei. Marla reichte Tatjana eine der Tassen und lehnte sich gegen das Regal. »Was ist denn los bei euch?«
»Ach, ich versteh die Männer einfach nicht.« Tatjana machte eine wegwerfende Handbewegung.
Marla lachte.
»Ist das nicht normal?«
Doch Tatjana ließ sich nicht ablenken. Sie nippte an ihrem Kaffee und dachte nach.
»Wir wollen heiraten. Er will es, ich kann es mir auch irgendwann mal vorstellen. Aber sobald die Sprache darauf kommt, streiten wir.« Unwillig schüttelte sie den Kopf mit den streichholzkurzen, blonden Haaren.
»Und woran liegt’s?«, fragte Marla forschend.
»Daran, dass Danny offenbar mit allen Leuten bespricht, was eigentlich nur uns beide was angeht. Manchmal hab ich das Gefühl, dass jeder besser Bescheid weiß als ich«, platzte Tatjana heraus.
Schweigend hatte die junge Bäckerin ihrer Chefin zugehört.
»Könnte das daran liegen, dass du dich einfach nicht genug dafür interessierst? Dass du Danny das Gefühl gibst, ihm lästig zu sein?«, stellte sie eine kritische Frage.
»Wie meinst du das?«
»Na ja, die Zeitschriften waren schrecklich, die Planungen furchteinflößend, der Zeitpunkt sowieso zu früh gewählt… Ständig hattest du was zu meckern«, erinnerte sie Tatjana an ihre wenig begeisterte Reaktion auf die Hochzeit. »Aber statt ihm klipp und klar zu sagen, dass du keinen Bock auf Heiraten hast, hast du ihn immer wieder vertröstet und ihm Hoffnungen gemacht.«
Mit wachsender Ratlosigkeit hatte Tatjana den Ausführungen ihrer jungen Mitarbeiterin zugehört. Zu ihrer Schande musste sie Marla in jedem einzelnen Punkt recht geben.
»Ich weiß doch selbst nicht so genau, was ich will«, erklärte sie so hilflos, dass Marla nicht anders konnte und den Arm tröstend um ihre Schultern legte. »Ich weiß nur, dass ich Danny nicht verlieren will.«
»Das ist doch schon mal was«, lächelte die junge Marla, die in dieser Situation eine ungeahnte Weisheit an den Tag legte. »Warum zeigst du ihm das dann nicht einfach? Nimm ihn in den Arm.« In Marlas Augen blitzte es schelmisch. »Verführ ihn …«
Doch Tatjana war nicht zum Lachen zumute.
»Ich weiß ja noch nicht mal, ob er das alles überhaupt noch will.«
»Dann koch ihm ein anständiges Abendessen. Einer leckeren Mahlzeit kann kein Mann widerstehen. Und du bist nicht nur eine grandiose Bäckerin, sondern auch ein tolle Köchin. Essen liegt dir einfach im Blut.«
Über diese Feststellung musste Tatjana schon wieder lachen.
Während sie an ihrem Kaffee nippte, dachte sie über diesen Vorschlag nach, und langsam gewann der ihr eigene Optimismus wieder Oberhand.
»Manchmal würde mich schon interessieren, woher du Küken das alles weißt!«, sagte sie zu Marla, während sie ihre Tasse in die Spüle stellte.
Es wurde Zeit, an die Arbeit zurückzukehren.
Marla lächelte schweigend, dachte aber nicht daran, die Quelle ihrer Weisheit preiszugeben, und wandte sich wieder ihrer Torte zu, um ihr Kunstwerk zu vollenden.
*
»Ich kann dir gar nicht sagen, wie froh ich bin, dass du wieder da bist«, erklärte Wendy im Laufe des nächsten Vormittags zum wiederholten Male und wann immer es die Arbeit zuließ.
Auch Janine war erleichtert, wieder an ihrem angestammten Platz in der Praxis Dr. Norden zu sitzen. Trotzdem wirkte sie nicht gelöst.
»Ich auch«, erwiderte sie innig und lächelte zu ihrer Freundin und Kollegin hinüber. »Aber ich fürchte, ich muss dich nachher noch einmal allein lassen.«
Wendy, die am Schrank stand und Patientenakten einsortierte, sah sie fragend an.
»Warum? Hat der alte Herweg immer noch nicht genug von dir?«
»Doch, schon. Sonst hätte er mich nicht rausgeworfen.« Janine zwang sich ein Lächeln auf die Lippen. »Aber ich hab noch nicht genug von ihm.«
»Hat er dir eine Gehirnwäsche verpasst, oder was ist los?«, schnappte Wendy ungläubig nach Luft.
Das Lächeln von Janines Lippen verschwand, während sie traurig den Kopf schüttelte.
»Es ist wegen Lorenz«, gestand sie leise und erinnerte sich an die vergangene Nacht, in der sie keinen Schlaf gefunden hatte. »Im Traum hat Lorenz geweint wie ein kleines Kind und immer wieder nach seinem Vater gerufen. Offenbar leidet er mehr unter der Ablehnung, als er zugeben will.«
»Oder er sich selbst bewusst ist«, gab Wendy zu bedenken und sah Janine dabei zu, wie sie aufstand und den Stuhl an den Schreibtisch schob.
»Nach der Mittagspause bin ich zurück.« Sie schickte ihrer Kollegin ein schmerzliches Lächeln und machte sich dann auf den Weg in die Behnisch-Klinik.
Zwanzig Minuten später betrat sie das Krankenzimmer von Carl Herweg. Er saß aufrecht im Bett über seine Bücher gebeugt. Als er sie erblickte, versprach seine Miene wie erwartet nichts Gutes.
»Sie? Ich hab mich doch unmissverständlich ausgedrückt«, knurrte er ärgerlich. »Oder etwa nicht? Ich möchte …«
»Es gibt da ein paar Dinge, die wir beiden noch zu klären haben, bevor ich endgültig aus Ihrem Leben verschwinde«, kündigte Janine kühl an und schloss die Tür hinter sich.
»Zwischen uns ist alles klar«, gab der Alte unwirsch zurück. Es war offensichtlich, dass ihn ihr sicheres Auftreten irritierte.
»Das sehe ich anders«, gab die ehemalige Krankenschwester unbeeindruckt zurück. »Natürlich haben Sie das Recht, die Betreuung durch mich abzulehnen. Und wegen Ihrer Behandlung werden die Ärzte jede Entscheidung akzeptieren, die Sie als Patient treffen. Aber was Ihren Sohn Lorenz angeht …«
»Was Lorenz betrifft«, unterbrach Carl Herweg sie schroff, »werde ich nicht dulden, dass Sie ihn schon wieder unglücklich machen. Reicht es denn nicht, dass Sie ihm einmal die Gefolgschaft verweigert und ihm damit das Herz gebrochen haben?« Als er über seinen Sohn sprach, wirkte der Patriarch mit einem Malwie verwandelt. »Das hat Lorenz nicht verdient. Ich werde nicht mitansehen, dass Sie ihn noch