Leni Behrendt Staffel 1 – Liebesroman. Leni BehrendtЧитать онлайн книгу.
Mein höchstes Glück, wenn ich erwach, verklang so schmerzerfüllt und verhalten. Es herrschte eine Stille im Raum, daß einer des anderen Herzschlag zu hören glaubte. Erst ein leiser Applaus von der Tür her ließ sie in die Wirklichkeit zurückfinden.
Da stand leicht gegen den Rahmen gelehnt Baron von Brunbach. Doch bevor die anderen ihrer Überraschung Ausdruck geben konnten, ging der Mann auf Rosita zu, griff nach ihrer Hand und führte sie voll Verehrung an die Lippen.
»Frau Gräfin«, vibrierte seine Stimme, »haben Sie Dank, daß ich jetzt wieder glauben darf an die Frau. Sie haben mir mit Ihrem Gesang unendlich viel gegeben – wiedergegeben.«
Mit einer Gebärde, die etwas ungemein Ritterliches hatte, drückte er seine Augen auf das Händchen, dann gab er es frei und wandte sich verlegen den anderen zu, die wie gebannt dem Vorgang gefolgt waren.
»Bitte mein Eindringen hier zu entschuldigen. Aber da mein Freund mir sagte, daß man mich gütigst aufnehmen würde, konnte ich dem Verlangen nicht widerstehen, einmal wieder – reine Luft zu atmen. Und nun bin ich glücklich, daß ich Zeuge einer so wundersamen musikalischen Darbietung sein durfte. Es war ein Labsal für mein Herz.«
Die Hausherrin war die erste, die sich faßte. Mit liebenswürdigem Lächeln ging sie auf den Gast zu, reichte ihm die Hand, über die er sich artig neigte.
»Seien Sie uns willkommen, Herr Baron. Wir freuen uns sehr, Sie in unserer Mitte haben zu dürfen.«
»Und wie wir uns freuen!« lärmte der Hausherr. »Einen besseren Einfall, als herzukommen, hätten Sie gar nicht haben können, Baron.«
Jetzt wurden auch die anderen mobil, eine frohe Begrüßung erfolgte. Und nachdem man sich gemütlich placiert hatte, lärmte der Hausherr wieder: »Und nun zu Ihnen, Herr Graf, der Sie sich durch Ihre Scheinheiligkeit unsere Empörung zugezogen haben. Ist das vielleicht eine Art, uns so zu beschwindeln? Tut der Mensch so, als ob seine Tochter ein Sorgenkind der Euterpe wäre, und in Wirklichkeit singt sie, daß selbst die Loreley vor Neid erblassen müßte. Lyncht ihn, er hat’s verdient!«
»Gnade!« flehte der Angegriffene mit erhobenen Händen. »Ich habe wirklich nicht gewußt, daß mein Töchterlein so süß zwitschern kann. Bin ja selbst aufs höchste überrascht!«
»Glaubt ihm nicht, er ist feige!« rief Papa Heinboldt, und da kam dem Bedrängten der junge Graf zur Hilfe.
»Bitte sehr, meine Herrschaften, ich kann die Worte meines Vaters bestätigen. Denn an meiner Frau, die früher wie eine niedliche Krähe krächzte, muß sich im Laufe der letzten Jahre ein musikalisches Wunder vollzogen haben.«
»Da bin ich aber gespannt, was unser Röslein darauf antworten wird!« rief Dina. »Wahrscheinlich wieder mit einem Zitat, mit dem Sie mir einmal kam, als ich des Staunens voll war über ihre ›seelische Entwicklung‹. Nämlich: ›Es wächst der Mensch mit seinen größeren Zwecken‹.«
»Das sagte sie mir auch«, jubelte Elke. »Setzte aber ehrlich hinzu: sagt Schiller.«
Man lachte wieder einmal Tränen über das schlagfertige Persönchen. Als dann Papa Heinboldt sich schmunzelnd mit der Frage an es wandte:
»Und was sagt die kleine Gräfin nun?« tat sie nonchalant ab.
»Viel Lärm um nichts.«
»Bezaubernd«, schwärmte Brunbach, worauf der junge Trutzger ihn anblitzte: »Ei, Freundchen, nimm dich in acht. Ich bin schließlich ein junger Ehemann, dem derartige Bezeichnungen in die falsche Kehle rutschen dürften.«
»Wie abgünstig«, rügte Muttchen Heinboldt augenzwinkernd. »Wer der glückliche Besitzer einer solchen ›Sonne‹ ist, müßte großmütig sich auch andere daran wärmen lassen.«
»Bravo!« lobte Herr Grandt. »An meiner ›Sonne‹ darf sich jeder wärmen.«
»Bloß, daß bei ›deiner Sonne‹ die goldenen Strahlen fehlen«, kam es so trocken zurück, daß sogar Brunbach lachen mußte, was Dina beglückte. Sie hatte den Mann noch nie lachen sehen, was ihm gutstand.
»So möchte ich denn alle ›Sonnen‹ und ›Monde‹ auf die Erde rufen, wo es auch nicht übel ist«, scherzte die Hausherrin. »Es hat eben zum Abendessen gegongt.«
Fröhlich begab man sich ins Speisezimmer, um sich an dem köstlichen Mahl gütlich zu tun. Nun kam auch wieder das Brautpaar zu Ehren, auf dessen Glück und Wohlergehen man anstieß, wobei auch Brunbach seinen Glückwunsch anbrachte.
»Es ist mir eine Freude, von der Verbindung zu hören«, sagte er warm. »Ich möchte die Frau Gräfin helfen, ein passendes Zitat dafür zu finden.«
Erwartungsvoll sah man den Schelm an, dem wieder einmal tausend Teufelchen in dem reizenden Nacken saßen. Er zitierte pathetisch:
»Der Wahn ist kurz, die Reu ist lang, sagt Schiller.«
Lachende Entrüstung wurde laut, und Elke hob ihm drohend die Faust entgegen.
»Na warte bloß, du Erzschelm! Bei dir ist wohl schon der Wahn zu Ende, was?«
»Oh, ich wandle wie im Traum einher, bloß dem Paradiese streb ich noch immer zu.«
In die Heiterkeit hinein rief der Vater: »Zur Strafe wirst du nachher das Lied singen, du Strick!«
»Ich doch nicht, Paps, das muß ein Mann tun. Denn es heißt doch an einer Stelle: ›Da schwebt ein Engel hoch und hoch, der Engel, Liebste, bist nur du.‹
So angeschmachtet möchte ich auch einmal werden.«
»Ich tu’s, Frau Gräfin«, erbot sich der Baron, und sie blitzte ihn an:
»Darauf muß ich mit dem Goethewort antworten: ›Röslein wehrte sich und stach‹.«
Das gab nun wieder ein herzliches Lachen, aus dem man kaum noch herauskam. Wie Balsam legte sich die Atmosphäre der Fröhlichkeit auf Manfreds wundes Gemüt. Hier war alles so rein, licht und klar. Dieselbe Luft, die er von Kindheit an geatmet hatte, bis, ja, bis zu seiner unwürdigen Ehe. Nicht viel mehr als ein halbes Jahr hatte sie gedauert, war ihm jedoch erschienen wie eine Ewigkeit voll Ekel und Selbstverachtung.
Man konnte sich denken, was in der Seele des Mannes vor sich ging, aber man gab sich harmlos. Diejenigen, die noch nicht wußten, wie erfreulich seine Verhältnisse sich seit heute vormittag geändert hatten, wunderten sich natürlich, daß er ohne seine Frau gekommen war, erwähnten diese jedoch nicht.
Nachdem das gute Mahl verzehrt war, mußten die beiden Heinboldtsöhne sich verabschieden, weil sie morgen Schule hatten und früh aus den Federn geholt wurden. Die anderen gingen ins Wohnzimmer zurück, wo der niedere Tisch in der Sesselecke mit Gläsern bestellt war. Nebenbei auf einem Hocker stand ein Kühler, aus dem silberhalsige Flaschen ragten. Der Hausherr ließ die Pfropfen knallen, und man prostete sich fröhlich zu.
»Wie ist es denn mit einem Tänzchen?« schlug die Hausherrin vor. »Bei der Jugend geht es ohne ein solches wohl kaum ab.«
Frohe Zustimmung wurde laut. Die Tanzlustigen eilten ins Nebenzimmer, wo die Musiktruhe stand. Die im Wege stehenden Möbel wurden zur Seite gerückt, eine Platte aufgelegt, und schon drehte sich das Brautpaar im Kreise. Da Marlene Grandt neben dem jungen Grafen stand und ihn erwartungsvoll ansah, verneigte er sich vor ihr, und das zweite Paar glitt im Walzer dahin.
Rosita, Dina und Manfred jedoch saßen noch bei den älteren Herrschaften.
»Nun mal hopp!« ermunterte Frau von Kyrt. »Gekniffen wird hier nicht, Herr Baron, nehmen Sie meine Tochter um die Taille, und Sie, Herr Graf, tun es bei Ihrem Töchterlein. Sie können noch gut mit der Jugend konkurrieren, Sie Schwerenöter mit den angegrauten Schläfen.«
»Wird gemacht«, schmunzelte er. »Komm, Röslein, lockere deinem alten Paps hurtig die Beine. Hörst du, was der Walzer singt: ›Seliges Schweigen, so flüstern die Geigen, den Walzer der Liebe allein‹, und: ›Wo alles liebt, kann Karl allein nicht hassen.‹ Von wem ist das bloß, du personifizierter Zitatenschatz?«
»Schiller,