Parerga und Paralipomena. Arthur SchopenhauerЧитать онлайн книгу.
will aber doch ein Mal sehn, ob man nicht einen Dachs aus seinem Loche herauszerren kann.
Die Universitäten nun aber sind offenbar der Heerd alles jenes Spiels, welches die Absicht mit der Philosophie treibt. Nur mittelst ihrer konnten Kants, eine Weltepoche in der Philosophie begründende Leistungen verdrängt werden durch die Windbeuteleien eines Fichte, die wieder bald darauf ihm ähnliche Gesellen verdrängten. Dies hätte nimmermehr geschehn können vor einem eigentlich philosophischen Publiko, d. h. einem solchen, welches die Philosophie, ohne andere Absicht, bloß ihrer selbst wegen sucht, also vor dem freilich zu allen Zeiten äußerst kleinen Publiko wirklich denkender und ernstlich von der räthselhaften Beschaffenheit unsers Daseyns ergriffener Köpfe. Nur mittelst der Universitäten, vor einem Publiko aus Studenten, die Alles, was dem Herrn Professor zu sagen beliebt, gläubig annehmen, ist der ganze philosophische Skandal dieser letzten 50 Jahre möglich gewesen. Der Grundirrthum hiebei liegt nämlich darin, daß die Universitäten auch in Sachen der Philosophie das große Wort und die entscheidende Stimme sich anmaaßen, welche allenfalls den drei obern Fakultäten, jeder in ihrem Bereiche, zukommt.
Daß jedoch in der Philosophie, als einer Wissenschaft, die erst gefunden werden soll, die Sache sich anders verhält, wird übersehn; wie auch, daß bei Besetzung philosophischer Lehrstühle, nicht, wie bei andern, allein die Fähigkeiten, sondern noch mehr die Gesinnungen des Kandidaten in Betracht kommen. Demgemäß nun aber denkt der Student, daß, wie der Professor der Theologie seine Dogmatik, der juristische Professor seine Pandekten, der medicinische seine Pathologie inne hat und besitzt; so müßte auch der allerhöchsten Orts angestellte Professor der Metaphysik diese inne haben und besitzen. Er geht demnach mit kindlichem Vertrauen in dessen Kollegia, und da er daselbst einen Mann findet, der, mit der Miene wohlbewußter Ueberlegenheit, alle je dagewesenen Philosophen von oben herab kritisirt; so zweifelt er nicht, daß er vor die rechte Schmiede gekommen sei, und prägt sich alle hier sprudelnde Weisheit so gläubig ein, als säße er vor dem Dreifuß der Pythia. Natürlich giebt es, von Dem an, für ihn keine andere Philosophie, als die seines Professors.
Die wirklichen Philosophen, die Lehrer der Jahrhunderte, ja Jahrtausende, die aber in den Bücherschränken schweigend und ernst auf Die warten, welche ihrer begehren, läßt er, als veraltet und widerlegt, ungelesen: er hat sie, wie sein Professor, hinter sich. Dagegen kauft er sich die messentlich erscheinenden Geisteskinder seines Professors, deren meistens oft wiederholte Auflagen allein auf solchem Hergang der Sache zu erklären sind.
Denn auch nach den Universitätsjahren behält, in der Regel, Jeder eine gläubige Anhänglichkeit an seinen Professor, dessen Geistesrichtung er früh angenommen und mit dessen Manier er sich befreundet hat. Dadurch erhalten denn dergleichen philosophische Mißgeburten eine ihnen sonst Unmögliche Verbreitung, ihre Urheber aber eine einträgliche Celebrität. Wie hätte es außerdem geschehn können, daß z. B. ein solcher Komplex von Verkehrtheiten, wie die Einleitung in die Philosophie von Herbart, fünf Auflagen erlebte? Daher schreibt sich denn wieder der Narrenübermuth, mit welchem (z. B. S. 234, 35, der 4. Aufl.) dieser entschiedene Oueerkopf vornehm auf Kant herabsieht und ihn mit Nachsicht zurechtweist. —
Betrachtungen dieser Art und namentlich der Rückblick auf das ganze Treiben mit der Philosophie auf Universitäten seit Kants Abgange, stellen in mir mehr und mehr die Meinung fest, daß, wenn es überhaupt eine Philosophie geben soll, d. h. wenn es dem menschlichen Geiste vergönnt seyn soll, seine höchsten und edelsten Kräfte dem, ohne allen Vergleich, wichtigsten aller Probleme zuwenden zu dürfen, Dies nur dann mit Erfolg geschehn kann, wann die Philosophie allem Einflusse des Staates entzogen bleibt, und daß demnach dieser schon ein Großes für sie thut und ihr seine Humanität und seinen Edelmuth genugsam beweist, wenn er sie nicht verfolgt, sondern sie gewähren läßt und ihr Bestand vergönnt, als einer freien Kunst, die übrigens ihr eigener Lohn seyn muß; wogegen er des Aufwandes für Professuren derselben sich überhoben achten kann; weil die Leute, die von der Philosophie leben wollen, höchst selten eben Die seyn werden, welche eigentlich für sie leben, bisweilen aber sogar Die seyn können, welche versteckterweise gegen sie machiniren.
Oeffentliche Lehrstühle gebüren allein den bereits geschaffenen, wirklich vorhandenen Wissenschaften, welche man daher eben nur gelernt zu haben braucht, um sie lehren zu können, die also im Ganzen bloß weiter zu geben sind, wie das auf dem schwarzen Brette gebräuchliche tradere besagt; wobei es jedoch den fähigeren Köpfen unbenommen bleibt, sie zu bereichern, zu berichtigen, und zu vervollkommnen. Aber eine Wissenschaft, die noch gar nicht existirt, die ihr Ziel noch nicht erreicht hat, nicht ein Mal ihren Weg sicher kennt, ja deren Möglichkeit noch bestritten wird, eine solche Wissenschaft durch Professoren lehren zu lassen ist eigentlich absurd. Die natürliche Folge davon ist, daß Jeder von Diesen glaubt, sein Beruf sei, die noch fehlende Wissenschaft zu schaffen; nicht bedenkend, daß einen solchen Beruf nur die Natur, nicht aber das Ministerium des öffentlichen Unterrichts ertheilen kann.
Er versucht es daher, so gut es gehn will, setzt baldigst seine Mißgeburt in die Welt und giebt sie für die lang ersehnte Sophia aus, wobei es an einem dienstwilligen Kollegen, der bei ihrer Taufe als solcher zu Gevatter steht, gewiß nicht fehlen wird. Danach werden dann die Herren, weil sie ja von der Philosophie leben, so dreist, daß sie sich Philosophen nennen, und demnach auch vermeinen, ihnen gebüre das große Wort und die Entscheidung in Sachen der Philosophie, ja, daß sie am Ende gar noch Philosophenversammlungen (eine contradictio in adjecto, da Philosophen selten im Dual und fast nie im Plural zugleich auf der Welt sind) ansagen und dann schaarenweise zusammenlaufen, das Wohl der Philosophie zu berathen25!
Vor Allem jedoch werden solche Universitätsphilosophen bestrebt seyn, der Philosophie diejenige Richtung zu geben, welche den ihnen am Herzen liegenden, oder vielmehr gelegten Zwecken entspricht, und hiezu, erforderlichen Falls, sogar die Lehren der ächten frühern Philosophen modeln und verdrehen, zur Noth sogar verfälschen, nur damit herauskomme was sie brauchen. Da nun das Publikum so kindisch ist, stets nach dem Neuesten zu greifen, ihre Schriften aber doch den Titel Philosophie führen; so ist die Folge, daß, durch die Abgeschmacktheit, oder Verkehrtheit, oder Unsinnigkeit, oder wenigstens marternde Langweiligkeit derselben, gute Köpfe, welche Neigung zur Philosophie spüren, von ihr wieder zurückgeschreckt werden, wodurch sie selbst allmälig in Mißkredit geräth, wie Dies bereits der Fall ist.
Aber nicht nur steht es mit den eigenen Schöpfungen der Herren schlecht, sondern die Periode seit Kant beweist auch, daß sie nicht ein Mal im Stande sind, das von großen Köpfen Geleistete, als solches Anerkannte und demnach ihrer Obhut Uebergebene fest zu halten und zu bewahren. Haben sie sich nicht die Kantische Philosophie aus den Händen spielen lassen, durch Fichte und Schelling? Nennen sie nicht noch, durchgängig und höchst skandalöser und ehrenrühriger Weise, den Windbeutel Fichte stets neben Kant, als ungefähr seines Gleichen? Trat nicht, nachdem die oben genannten zwei Philosophaster Kants Lehre verdrängt und antiquirt hatten, an die Stelle der strengen, von Kant aller Metaphysik gesetzten Kontrole die zügelloseste Phantasterei?
Haben sie diese nicht theils brav mitgemacht, theils unterlassen, ihr, mit der Kritik der Vernunft in der Hand, sich fest entgegenzustellen? weil sie nämlich es gerathener fanden, die eingetretene laxe Observanz zu benutzen, um entweder ihre selbstausgeheckten Sächelchen, z. B. Herbartische Possen und Friesisches Altweibergeschwätz, und überhaupt Jeder seine eigene Marotte, zu Markte zu bringen, oder auch um Lehren der Landesreligion als philosophische Ergebnisse einschwärzen zu können. Hat dies Alles nicht den Weg gebahnt zur skandalösesten philosophischen Scharlatanerie, deren je die Welt sich zu schämen gehabt hat, zum Treiben des Hegels und seiner erbärmlichen Gesellen? Haben nicht selbst Die, welche dem Unwesen sich widersetzten, dabei stets, unter tiefen Bücklingen, vom großen Genie und gewaltigen Geiste jenes Scharlatans und Unsinnsschmierers geredet und dadurch bewiesen, daß sie Pinsel sind? Sind nicht hievon (der Wahrheit zur Steuer sei es gesagt) Krug und Fries allein auszunehmen, welche gegen den Kopfverderber geradezu auftretend, ihm bloß die Schonung erwiesen haben, die nun ein Mal jeder Philosophieprofessor unwiderruflich gegen den andern ausübt? Hat nicht der Lerm und das Geschrei, welches die deutschen Universitätsphilosophen, in Bewunderung jener drei Sophisten, erhoben, endlich auch in England und Frankreich allgemeine Aufmerksamkeit erregt, welche jedoch, nach näherer Untersuchung der Sache, sich in Gelächter auflöste? – Besonders aber zeigen sie sich als treulose Wächter und