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Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band. Walther KabelЧитать онлайн книгу.

Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band - Walther Kabel


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Als er, bestaubt und beschmutzt und mit zerschundenen Händen, wieder zu ebener Erde angelangt war, lag in seinen Augen ein drohendes Flimmern.

      »Unglaublich – unglaublich!« murmelte er kopfschüttelnd vor sich hin. »Doch – ich muß Gewißheit haben –«

      Nunmehr umschritt er langsam von außen das alte Bauwerk, welches stellenweise so dicht mit Efeu überwuchert war, daß die grünen Blätter einen undurchdringlichen Vorhang bildeten. Trotzdem tastete Fritz Schapers Hand Zentimeter für Zentimeter die Mauer ab. Da, wie er an die Rückseite gekommen war, umspannten seine Finger plötzlich einen dicken Strick, der anscheinend vom Dache herunterhing. Es war derselbe Strick, das des Detektivs scharfe Augen oben um den mittelsten Dachträger geschlungen, bemerkt hatten. –

      Die Nacht verbrachte Fritz Schaper in einem nahen Getreideschober. Eingehüllt in seinen Mantel, schlief er traumlos und fest. Gegen neun Uhr morgens erwachte er. Nachdem er den zweiten Anzug wieder übergestreift und sich, so gut es ging, gesäubert hatte, schritt er auf Umwegen der Chaussee zu und wanderte zu Fuß bis zum nächsten größeren Dorfe, das eine Postagentur besaß. Hier gab er eine Depesche an seinen Bürovorsteher auf.

      »Erwarte Hiller und Maschke mit Schließzeug, abends Bahnhof Zergewo. – Schaper.«

      Das Telegramm wurde sofort expediert.

      Dann fragte der Detektiv den Lehrer, der die Postagentur verwaltete, nach dem besten Gasthof des Dorfes. Er hatte ja noch reichlich Zeit und wollte mit möglichst frischen Kräften den Ereignissen entgegengehen, die seiner in der folgenden Nacht warteten.

      11. Kapitel

       Nie geahnte Überraschungen

       Inhaltsverzeichnis

      Erst Nachmittags gegen vier Uhr verließ der Detektiv das Kirchdorf und schlug den Weg nach Zergewo ein. Dieser führte zum Teil durch einen dichten Wald. Hier suchte er sich ein verstecktes Plätzchen und nahm dort mit seinem äußeren Menschen eine gründliche Umwandlung vor. Der eine Anzug, ebenso die Pelerine des Mantels wanderten eng zusammengerollt in die Handtasche. Den schwarzen Filzhut behielt er auf. Das war eine zu alltägliche Kopfbedeckung, um ihn verraten zu können. Die goldene Brille wurde gegen einen Nickelkneifer ausgetauscht, ebenso die graue Perücke und der Bart gegen solche von blonder Farbe.

      Der, der nun hinter den Büschen hervortrat und seinen Weg nach Zergewo fortsetzte, hatte mit dem alten Herrn vom Abend vorher nicht die geringste Ähnlichkeit mehr. Mithin war es ausgeschlossen, daß die Bewohner der Mönchsabtei selbst nur durch ein Spiel des Zufalls davon erfuhren, daß der Detektiv schon einen ganzen Tag in der Umgegend von Gauben geweilt hatte, ehe er sich bei ihnen vorstellte.

      Als abends kurz nach acht Uhr der Berliner Personenzug in Zergewo einlief, stand Schaper auf dem Bahnsteig, gemütlich eine Zigarre rauchend. Aus einem Abteil dritter Klasse stiegen jetzt zwei Männer aus, die sich erst suchend umschauten, dann vor dem blonden Fremden mit dem Nickelkneifer stehen blieben und anscheinend irgend etwas fragten.

      Niemand bemerkte, daß Schaper einem der Leute einen Zettel zusteckte und leise dazu sagte:

      »Hier, Ihre Verhaltungsmaßregeln.«

      Laut aber fügte er hinzu:

      »Ja, gewiß, einen Wagen können Sie hier leicht bekommen. Der Gastwirt Schubert besitzt einen Einspänner, der bringt Sie in zwei Stunden an Ihr Ziel.« –

      Gleich darauf kletterte Schaper in ein Abteil zweiter Klasse und machte es sich in neben dem Fester bequem.

      Die Fahrt bis Gauben dauerte nur eine knappe halbe Stunde. Auf dem dortigen Bahnhof verließ der Detektiv den Zug und begab sich auf einem kleinen Umweg nach der Mönchsabtei, nachdem er einen Arbeiter, dem er auf der Chaussee begegnete, in genauer Durchführung seiner Rolle als mit den örtlichen Verhältnissen Unbekannter nach dem einsamen Gehöft gefragt hatte.

      Bei völliger Dunkelheit langte er vor dem Torweg an. Schon von weitem hatte er den Lichtschein einer Laterne bemerkt, der sich vor der Eingangspforte der Gartenmauer auf und abbewegte. Jetzt sah er sich einem Manne gegenüber, der ihm zunächst in das Gesicht leuchtete und dann mürrisch fragte:

      »Herr Schaper?«

      »Ja, der bin ich.«

      »Bitte, folgen Sie mir.« Der Diener – nur er konnte es sein, der den Detektiv erwartet hatte – ging mit der Laterne voraus, nachdem er das Tor wieder sorgfältig verschlossen hatte.

      Im Hause angekommen, geleitete er den Gast in ein Zimmer des Erdgeschosses, in dem eine Lampe auf dem Tische brannte und ein frisch bezogenes Bett neben anderen bescheidenen Möbeln stand.

      Schaper stellte seine Reisetasche bei Seite, entledigte sich des Mantels und wandte sich dann an Hartung, der abwartend an der Tür stehen geblieben war.

      »Kann ich Ihren Herrn sprechen?« fragte er, dem Manne vertraulich zunickend.

      »Herr Müller liegt zu Bett,« erwiderte der Diener kurz. »Trotzdem möchte er Sie sehen. Ich werde vorausgehen.«

      Sie schritten dann den Korridor entlang an ein paar Türen vorbei. An der letzten des mit Steinfliesen belegten Ganges klopfte Hartung und öffnete auf ein leises Herein.

      »Bitte, Herr Schaper.«

      Dieser trat ein. In dem eisernen Feldbett richtete sich eine Gestalt mit zur Hälfte verbundenem Gesicht auf und streckte Schaper zur Begrüßung eine knochige Hand entgegen.

      »Es freut mich, daß Sie gekommen sind,« krächzte der Privatgelehrte mit heiserer Stimme. »Bitte setzen Sie sich zu mir,« bat der Patient darauf. »Und entschuldigen Sie bitte, daß ich Sie in dieser Weise empfange.«

      »Tut mir leid, Herr Müller, daß es Ihnen so schlecht geht,« meinte Schaper, indem er Platz nahm.

      Der Kranke, der sich inzwischen wieder in die Kissen zurückgelehnt hatte, nickte matt.

      »An alledem ist nur das graue Gespenst Schuld,« sagte er ärgerlich.

      »Hat sich dieser Geist denn in letzter Zeit wieder einmal gezeigt?« fragte der Detektiv harmlos.

      »Häufiger wie früher sogar. Gestern Abend z. B. auch,« krächzte der Privatgelehrte.

      »Haben Sie ihn gesehen oder Ihr Diener?« meinte Schaper gleichgültig.

      »Ich?! – Ich konnte mich gestern nicht rühren, so plagte mich die Gicht. – Nein, Hartung hatte das zweifelhafte Vergnügen.«

      »Um welche Zeit läßt sich denn das famose Gespenst am häufigsten blicken?« fragte der Detektiv.

      »Zumeist so zwischen zehn und zwölf Uhr. Falls Sie schon heute Nacht aufpassen wollen, würde ich Ihnen raten, sich kurz vor zehn in den Garten zu begeben.«

      »Gewiß! Am liebsten schaute ich mir die sogenannte Prior-Kapelle etwas näher an.«

      Müller glättete nervös die Falten der Decke.

      »Davon würde ich abraten, Herr Schaper,« sagte er unruhig. »Wenn das Wesen, das hier als Gespenst auftritt, wirklich aus Fleisch und Blut besteht, so wird es sich vielleicht dadurch, daß Sie vorher das Terrain besichtigen, abschrecken lassen und nicht zum Vorschein kommen.«

      Der Detektiv wußte nur zu gut, weshalb er von der Kapelle ferngehalten werden sollte. Er hatte diesen Wunsch einer Inaugenscheinnahme der Örtlichkeit ja auch nur zum Schein geäußert.

      »Hm, Ihre Bedenken muß ich anerkennen,« sagte er jetzt. »Lassen wir’s also.«

      Müller nickte befriedigt.

      Schaper erhob sich. Doch Müller hielt ihn noch zurück.

      »Einen Augenblick. – Ich habe noch eine Bitte. – In welcher Weise Sie gegen das graue Gespenst vorgehen, falls es sich heute zeigen sollte, ist mir gleichgültig. Nur bitte keine Gewalttat, die mir als dem Mieter dieses Grund und Bodens und als Ihrem


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