Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band. Walther KabelЧитать онлайн книгу.
euch niedergeknallt sein, wie die Springböcke bei der Treibjagd! Boys! Denkt an die Maschinengewehre! Macht kehrt und haltet Frieden! Das rate ich euch wohlmeinend, ich, der weiße Baas, der stets verstanden hat mit seinen Leuten auf friedlichem Fuße zu leben!«
Ein Murren, wie ein Windstoß, der durch Tannenwälder fährt, anzuhören, erhob sich.
»Boys, wenn ihr mir nicht glaubt, schickt eine Zahl von euch in meinen Hof, damit sie sich die blanken, eisernen Menschenfresser ansehen können. Ich will nichts, als –«
Albert Wendel sollte in diesem Leben kein beruhigendes Wort mehr an diese blutdürstige, zur Rachsucht aufgestachelte Masse richten.
Ein Basutospeer mit breiter Spitze war weit hinten aus der Masse von geübter Hand geschleudert worden und fuhr ihm von oben wie ein Blitzstrahl in die Brust. Die Wucht der gut zwei ein halb Meter langen Lanze war so groß, daß er taumelnd hintenüberschlug. Der Hut fiel ihm vom Kopf, rollte seitwärts. Vergebens suchte der riesige Körper sich wieder aufzurichten.
Pareawitt, der Oberingenieur, und drei weiße Angestellte brachten blitzschnell den Schwerverwundete zurück in den Schutz des hohen Zaunes.
»Verfl… heimtückische Bande, das sollt ihr mir bezahlen!« knurrte Pareawitt und rief den Leuten, die bei den Maschinengewehren standen, einige Worte zu.
Man hatte den Baas, dem der Speer sofort aus der Brust gezogen war, auf ein Brett gelegt und trug ihn so nach dem Krankenzimmer des Verwaltungsgebäudes. Ein schauriges Glockengeläut begleitete den traurigen Zug – die blitzschnell aufeinander folgenden Schüsse der stählernen Menschenfresser! – Tack, Tack, Tack, so ging’s unaufhörlich, unaufhörlich.
Und jetzt draußen ein Gebrüll wahnsinniger Angst. Die Schüsse, so niedrig gezielt, daß sie nur die Beine der Schwarzen trafen, ernüchterten die angriffslustigen Nigger im Handumdrehen. Schreiend, tobend, einander niederstoßend, nur um schneller aus dieser Hölle fortzukommen, zerstreuten sich die Tausende, fluteten zurück.
In dem Krankenzimmer lag der von dem Arzt der Barbu-Mine schnell verbundene deutsche Baas und rang mit dem Tode.
Mit erlöschender Stimme hauchte er jetzt:
»Lesen Sie vor, Pelletan, was Sie geschrieben haben. – Es eilt, ich fühl’s –«
Und der Buchhalter las:
»Kimberley, den 16. Mai 19…
In dem Bewußtsein, daß der Tod mir nahe ist, diktierte ich in Gegenwart von drei Zeugen, die diese Urkunde mit unterzeichnen werden, meinen letzten Willen.
Ich setze zu meinem Erben den nächsten meiner Verwandten ein, gleichgültig, wie alt dieser ist, ob Mann oder Weib. Es leben Verwandte von mir in Deutschland und zwar in Danzig. Seit zwanzig Jahren habe ich nichts von ihnen gehört. Mein Testamentsvollstrecker wird meine Erben zu finden wissen.
Der, der für die Erfüllung meines letzten Willens sorgen wird, ist mein Oberingenieur Hektor Edward Pareawitt. Er soll meine Besitzungen sämtlich verkaufen. Für seine Mühewaltung erhält er 5000 Sterling.
Falls meine Verwandten sämtlich vor mir gestorben sein sollten, fällt mein Vermögen, das ich auf drei Millionen nach deutschem Gelde schätze, an das deutsche Reich, mit der Bestimmung, daß die Zinsen im Interesse meines alten Vaterlandes verwendet werden.
Unter allen Umständen sind an meine Beamten und Arbeiter Legate auszuzahlen in der Weise, daß jeder ein volles Jahresgehalt erhält.
Dieses Testament ist bei dem deutschen Generalkonsul in Kapstadt niederzulegen, den ich bitte, meinen Vertrauten Pareawitt nach Möglichkeit zu unterstützen.«
Pelletan schwieg.
»Gut so,« erklärte der Sterbende mit letzter Kraft. »Eine Feder –«
Pareawitt stützte ihn, als er unterschrieb.
Es war die höchste Zeit gewesen. Mit einem dumpfen Ächzen sank Albert Wendel zurück. Seine Finger schlossen und öffneten sich krampfhaft. Dann ging’s wie ein Ruck durch den massigen Leib.
»Das Ende,« sagte der Arzt leise.
Pareawitt zerdrücke eine Träne.
Der Buchhalter Pelletan aber murmelte unhörbar vor sich hin »Merken wir’s uns! In Danzig!«
2. Kapitel
Das graue Gespenst
Drei Monate nach diesen Ereignissen finden wir Hektor Edward Pareawitt in der Hauptstadt des Deutschen Reiches und zwar bei dem Inhaber des Detektivbureaus »Argus« wieder.
»Womit kann ich Ihnen dienen, Mr. Pareawitt?«
Der Oberingenieur, der die schlanke Figur und das markante Gesicht des berühmtesten Detektivs Berlins mit wohlgefälligen Blicken gemustert hatte, sagte mit leichter Verbeugung:
»Sie sind mir durch einen Freund, der hier in Berlin wohnt, empfohlen worden, Mr. Schaper. Man rühmt Ihnen ganz ungewöhnliche Fähigkeiten als Detektiv nach. Als Einleitung will ich Ihnen eine kleine Episode aus dem Minenleben Südafrikas erzählen.«
Der Oberingenieur berichtete nun ausführlich über Albert Wendels trauriges Ende und fügte dann hinzu:
»Nach dem prunkvollen Begräbnis meines Herrn und Freundes wurde vom Gericht eine Kommission von drei Vertrauensmännern eingesetzt, die den Besitz Albert Wendels, dessen Wunsch entsprechend, zu Geld machen sollten. Zu dieser Kommission gehörte auch der erste Buchhalter der Barbu-Mine, ein Mann namens Charles Pelletan. Dieser Pelletan, ein Franzose, hat nun die auf ihn gesetzten Hoffnungen, daß er infolge seiner Geschäftstüchtigkeit sich recht nützlich erweisen würde, schwer getäuscht, indem er bald nach meiner Abreise versuchte, allerlei Vermögenswerte der Erbschaftsmasse beiseite zu schaffen. Sein Raub konnte ihm noch rechtzeitig abgejagt werden. Er selbst entfloh. Die von der Polizei sofort aufgenommene Verfolgung blieb resultatlos. All diese Dinge meldete man mir gestern erst durch eine Depesche. Infolgedessen sehe ich mich genötigt, meinen Aufenthalt hier in Deutschland abzukürzen.«
Pareawitt machte eine kurze Pause.
»Was mich nach Deutschland geführt hat,« begann er dann wieder, »werden Sie bereits ahnen, Mr. Schaper. Ich wollte hier den Erben Albert Wendels ausfindig machen. Mein verstorbener Chef hatte in dem kurz vor seinem Tode errichteten Testament über seine Verwandten nur angegeben, daß diese seiner Zeit in Danzig gelebt hätten. Mir selbst war über diesen Punkt, aus gelegentlichen Gesprächen mit Wendel, der mir stets sein vollstes Vertrauen geschenkt hat, noch einiges andere bekannt. Fraglos ist Albert Wendel vor nunmehr einundzwanzig Jahren nach Südafrika irgend einer dunklen Geschichte wegen ausgewandert. Was ihn aus der Heimat vertrieben hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Die Andeutungen, die er mir gegenüber machte, ließen jedoch, soweit ich daraus kombinieren konnte, darauf schließen, daß ein Bruder von ihm hierbei irgend eine Rolle spielte, ferner eine Liebesaffäre, die ihn dann auch zu dem ausgesprochenen Weiberfeind werden ließ, als der er in Kimberley bekannt war. – Gleich nach seinem Ableben hatte ich mich nun mit einer hiesigen Annoncenexpedition in Verbindung gesetzt und in fast sämtliche deutschen Zeitungen einen Aufruf einrücken lassen, in dem Verwandte des vor Jahren nach Afrika ausgewanderten Albert Erich Wendel ersucht wurden, sich beim Generalkonsul in Berlin in einer wichtigen Angelegenheit zu melden.«
»Und auf Ihren Aufruf hin hat sich niemand gemeldet?« fragte der Detektiv, um die Unterredung nicht zu sehr in die Länge zu ziehen.
»Niemand – leider. Und dabei habe ich einen ganzen Monat täglich die Annonce bringen lassen, was eine nette Summe Geldes kostete.«
»Mit einem Wort, auf diese Weise kommen Sie nicht ans Ziel, Mr. Pareawitt, und nun soll ich helfen,« sagte der Detektiv offen.
»Stimmt! Ich habe Ihnen schon alles mitgebracht, was nötig ist. Hier sind Abschriften der bei Albert Wendel gefundenen Legitimationspapiere, ein paar photographische