Dr. Laurin Staffel 3 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
wartet schon seit eineinhalb Stunden«, sagte sie. »Eine so geduldige Patientin habe ich noch nicht erlebt.«
Er mußte wirklich töricht dreinschauen, denn Hanna musterte ihn verblüfft.
»Frau Westhaus? Patientin?« wiederholte er mechanisch. »Das ist ja merkwürdig.«
Wieso das merkwürdig sein sollte, konnte sich Hanna nicht denken. Schließlich war das ja auch eine Frauenklinik.
Aber Dr. Laurin gab darüber keine Aufklärung, er hatte es plötzlich eilig. Er wechselte seinen Kittel, und wenig später trat Amelie Westhaus ein.
Unglücklich sah sie aus, wie Dr. Laurin für sich feststellte, und ein wenig farblos.
Irgendwie überraschte es ihn, daß sie ihn tatsächlich als Arzt konsultieren wollte. Ob ihr Mann sie hergeschickt hatte?
»Ich würde gern die Bestätigung von Ihnen haben, daß ich ein Baby bekomme, Herr Doktor«, sagte sie leise, aber mit einer angenehmen Stimme.
Er sah sie forschend an. Ihr Gesicht war schmal. Die Haut sehr zart und rein. Schöne, weitgeschnittene graue Augen, umgeben von einem Kranz dunkler Wimpern, blickten ihn an. Keinerlei Make-up störte die mädchenhafte Reinheit dieses Gesichtes. Sie gehörte zu dem Typ Frau, der Leons Ritterlichkeit auf den Plan rief. Selten genug war das der Fall. Heutzutage wußten die meisten Frauen ihre Vorzüge ins rechte Licht zu rücken, und ein Mann wie er forderte dies ungewollt heraus. Dr. Laurin war ein ungewöhnlich attraktiver Mann, doch Amelie Westhaus nahm das nicht zur Kenntnis.
Sie hatte ihre Hände ineinander verschlungen und wich seinem Blick aus. Er wanderte in eine uferlose Ferne.
»Das ist sehr wichtig für mich«, sagte sie leise.
»Daß Sie ein Baby bekommen?« fragte er ruhig. Unwillkürlich dachte er, ob das wohl der einzige Grund gewesen sei, warum Julian Westhaus sie geheiratet hatte, eine unscheinbare, aber wahrscheinlich standesgemäße Frau.
Noch wußte er nicht, daß er damit den Nagel auf den Kopf traf.
Sie nickte gedankenverloren. »Ich will mir Gewißheit verschaffen«, sagte sie dann rasch. »Ich möchte nicht, daß mein Mann von diesem Besuch erfährt. Ich möchte ihn keinesfalls enttäuschen.«
Er hütete sich, ihr zu sagen, daß er ihren Mann bereits kennengelernt hatte.
»Wir sind nämlich schon über ein Jahr verheiratet«, fuhr sie mit belegter Stimme fort.
»Ein Jahr ist doch keine Zeit«, sagte er beiläufig, aber der traurige Blick verriet ihm, daß es für sie eine sehr lange Zeit war.
Während der Untersuchung konnte er feststellen, daß sie völlig gehemmt und verängstigt war. Für eine bereits seit mehr als einem Jahr verheiratete Frau war das sehr merkwürdig, aber anscheinend war das auch eine sehr eigenartige Ehe. Noch mehr allerdings setzte es ihn in Erstaunen, daß sie bereits über den vierten Monat der Schwangerschaft hinaus sein mußte, obgleich man es äußerlich kaum spürte.
Als er es ihr bestätigte, kam ein heller Glanz in ihre Augen. Sogar ein Lächeln legte sich um ihren Mund.
»Sie können nicht wissen, was es für mich bedeutet«, sagte sie verhalten. »Ich hatte so entsetzliche Angst, daß ich mich getäuscht haben könnte«, bekannte sie scheu.
»Haben Sie denn niemanden, mit dem Sie sprechen können?« fragte er nach kurzem Überlegen.
Sie schüttelte den Kopf. »Meine Mutter ist früh gestorben. Mein Vater vor ein paar Jahren. Die Tante meines Mannes nahm mich auf. Aber wozu erzähle ich das? Könnte ich die Konsultation bitte sofort begleichen, Herr Doktor?«
»Ich würde es gern sehen, wenn Sie regelmäßig zur Kontrolle kommen würden«, stellte er fest. »Ein paar gute Ratschläge müssen Sie auch mitnehmen. Viel frische Luft, keine Aufregungen, vor allem keine Überanstrengung.«
»Anzustrengen brauche ich mich nicht. Wir haben genügend Personal. Meistens leben wir ja auf dem Land. Nur jetzt sind wir für einige Wochen in der Stadt. Mein Mann hat geschäftlich zu tun.«
Er hat sie mitgenommen, dachte Dr. Laurin, aber auf Partys scheint er sich lieber nicht mit ihr zu zeigen. Aus Rücksicht auf ihre Gesundheit vielleicht?
»Wir werden doch lieber eine Blutprobe machen. Welche Blutgruppe haben Sie?«
»Das weiß ich nicht.«
»Um so wichtiger ist es, daß wir sie bestimmen«, erklärte er.
»Ist das denn nötig?«
»Es kann manchmal lebensrettend sein, auch für das Kind«, erwiderte er. »Der Rhesusfaktor ist sogar von großer Bedeutung. Dann kommen Sie bitte Ende der Woche noch einmal und holen sich den Befund ab.«
Er hoffte, daß sie wiederkommen würde. Vielerlei Gedanken gingen ihm durch den Sinn, die eine Antipathie gegen Julian Westhaus in ihm weckten, aber eine um so größere Sympathie für diese junge Frau.
*
Amelie und Julian Westhaus wohnten in einem Gästehaus in einer abgelegenen Straße dieses Vorortes.
Professor Sabat hatte das vermittelt, aber Julian gelangte immer mehr zu der Überzeugung, daß es von Delia so arrangiert worden war. Dem Makler, der ihm den Besitz von Professor Sabat angeboten hatte, war es ungewollt herausgerutscht, daß Delia die Sache in die Wege geleitet hatte.
Julian war verärgert, aber er wurde auch von seinem Gewissen geplagt. Er hatte sich vorgenommen, mit Amelie zu sprechen, aber sie war nicht da, als er heimkehrte.
Er hatte sich mit seinem jetzigen Leben, das sein Vater so bestimmt hatte, abgefunden. Es stimmte ihn besorgt, daß Delia immer noch daran dachte, ihn zurückzugewinnen.
Es war verrückt, was sie vorhatte. Sabat war wirklich ein alter Narr, wenn er dieses Spiel nicht durchschaute. Ein unwürdiges Spiel, das einem Westhaus nicht anstand. Schließlich hatte er sich für die Tradition seiner Familie entschieden und war sich der Konsequenzen bewußt gewesen, als er es tat. Sein Verstand hatte so entschieden.
Amelie kam eine halbe Stunde später. Sie war überrascht und erschrocken, ihren Mann vorzufinden.
»Wo warst du?« fragte er.
Amelie zuckte zusammen. »Spazieren«, erwiderte sie und errötete.
»Die Luft bekommt dir gut«, bemerkte er. »Du hast sogar ein bißchen Farbe bekommen. Aber könntest du dich nicht ein bißchen geschmackvoller kleiden? Auf dem Land macht es ja nichts aus, aber was müssen die Leute hier denken, wenn sie dich so sehen?«
»Ich werde mir Mühe geben«, sagte sie gehorsam.
»Damit ist es nicht getan. Du wirst einmal einen eleganten Modesalon aufsuchen. Morgen siedeln wir in ein Hotel in die Innenstadt über.«
Das Leuchten in ihren Augen erlosch.
»Könnte ich nicht noch ein paar Tage hierbleiben, Julian?« fragte sie scheu.
»Wieso?« fragte er irritiert.
»Es ist sehr hübsch hier, man kann spazierengehen. In der Stadt weiß ich doch gar nicht, was ich anfangen soll.«
Er überlegte ein paar Sekunden. »Gut, meinetwegen«, sagte er dann. »Ich werde bis zum Wochenende ohnehin sehr viel unterwegs sein. Am Samstag ist der Empfang bei Konsul Lemont. Diesmal möchte ich dich sehr um deine Begleitung bitten.«
»Wenn du es wünschst…«, sagte sie leise.
*
Dr. Laurin war froh, an diesem Abend pünktlich aus der Klinik zu kommen.
»Hast du heute wieder was vor?« fragte Konstantin skeptisch.
»Nein, warum meinst du das?«
»Weil du schon so früh kommst«, erwiderte Konstantin. »Das ist man ja gar nicht gewohnt. Mami ist nämlich noch bei Sandra.«
Aber im selben Augenblick kam sie schon, ein bißchen