Sophienlust Staffel 8 – Familienroman. Diverse AutorenЧитать онлайн книгу.
befestigte seinen Zettel kunstvoll und gut sichtbar an einem Baum, der mitten in der Wiese stand. Wer immer das Kind suchte, musste auf die Nachricht aufmerksam werden.
»Kommst du mit?«, fragte er und lächelte die Kleine aufmunternd an. »Es wird dir bestimmt gefallen.«
Der blonde Kopf nickte.
»Du darfst hier neben mir sitzen. Es ist nicht weit. Deine Tante wird dich abholen, wenn sie kommt.«
»Sie soll nicht kommen.«
Das hörte sich sogar ein bisschen ängstlich an.
Alexander ließ den Wagen an. Er war zu der Überzeugung gekommen, dass er hier weitere Nachforschungen doch nicht anstellen konnte. Das musste er seiner Frau, der Polizei oder anderen Berufenen überlassen.
»Du hast ein feines Auto«, piepste seine Beifahrerin. »Fahren wir weit? Mit der bösen Tante sind wir sehr lange gefahren. Ich habe sogar geschlafen.«
»Nein, wir sind gleich da. Aber du darfst später noch mal mit mir spazieren fahren, wenn du willst.«
»Ich mag schon gern.« Ein strahlender Blick aus den großen Kinderaugen belohnte ihn für sein Angebot.
Etwa zehn Minuten später hielten sie vor dem schönen Herrenhaus von Sophienlust. Ein Mädchen mit lustigen Sommersprossen im Gesicht lief eilig auf den Wagen zu, knickste artig und sagte: »Tag, Onkel Alexander.«
»Tag, Pünktlich. Eigentlich müsste man schon sagen, guten Abend. Habt ihr schon gegessen?«
Das Mädchen hieß eigentlich Angelina Dommin. Aber sogar die Lehrer in der Schule riefen es Pünktchen.
»Ja, ich wollte gerade noch einmal zum Stall. Wir sind heute Nachmittag auf den Ponys geritten, und ich habe etwas vergessen.«
»Ist Frau Rennert in der Nähe?«
»Ich kann sie holen!« Nun erst entdeckte Pünktchen das Kind im Auto. »Bringst du uns ein kleines Mädchen, Onkel Alexander? Das hat nicht mal Nick gewusst. Der ist nämlich schon drüben in Schoeneich, weil es bei euch doch heute ein Festessen geben soll.«
Alexander schmunzelte. »Stimmt genau, Pünktchen. Diese kleine Dame habe ich zufällig unterwegs aufgelesen. Vielleicht wird sie wieder abgeholt. Aber ich wollte sie nicht allein auf der Wiese im Wald lassen.«
»Nein, das geht nicht. Es wird ja bald dunkel.« Pünktchen schaute zum Himmel empor und rannte dann ins Haus, um die Heimleiterin zu rufen.
Frau Rennert erschien, umringt von einer Schar von Kindern. Die Nachricht, dass ein kleines Mädchen im Heim Einzug halten sollte, hatte sich natürlich sofort herumgesprochen.
Frau Rennert nahm die Kleine auf den Arm. Scheu, aber doch mit deutlichem Zutrauen legte sich der blonde Kopf gegen ihre mütterliche Schulter.
»Bist du müde?«, fragte die Heimleiterin verständnisvoll.
»Ja, aber ich will meinen Luftballon mit ins Bett nehmen.«
»Natürlich nimmst du ihn mit.« Frau Rennert strich dem Kind liebevoll über das wirre Haar. »Was sonst noch ist, können wir morgen besprechen, Herr von Schoenecker.«
Alexander hatte ihr in ein paar knappen Sätzen geschildert, wie er zu seinem Findling gekommen war.
»In Ordnung, Frau Rennert. Ich erzähle es meiner Frau. Sie wird sich morgen früh um das kleine Fräulein kümmern. Sollte sich allerdings noch heute Abend jemand melden, dann rufen Sie uns bitte an. Ich werde auch der Ordnung halber bei der Polizei anklingeln. Es wäre immerhin denkbar, dass wir einen kleinen Ausreißer aufgegriffen haben, der verzweifelt gesucht wird.«
Pünktchen knickste wieder, die anderen Kinder winkten fröhlich.
Alexander von Schoenecker fuhr langsam davon, über die vor ein paar Jahren erbaute Straße hinüber nach Schoeneich, wo Denise und die beiden Jungen ihn schon sehnsüchtig erwarteten.
Die schöne Frau mit dem dunklen Haar und den wundervollen braunen Augen, die Nick von ihr geerbt hatte, schmiegte sich mit glücklichem Lächeln an ihres Mannes Brust.
»Ich habe unterwegs an dich gedacht, Liebste«, raunte er ihr ins Ohr. »Es ist immer noch wie am ersten Tag – nein, es ist sogar noch schöner geworden.«
»Wir haben inzwischen große Kinder, Alexander«, meinte Denise lachend.
»Und drüben in Sophienlust mal wieder ein neues kleines Kind«, fiel er ein, indem er den Arm zärtlich um ihre schlanke Taille legte.
»Ein neues Kind?«, fragten Nick und Henrik wie aus einem Mund.
»Ja, ich erzähle euch bei Tisch, wie sich die Sache zugetragen hat. Ihr könnt aber auch mitkommen, wenn ich jetzt beim Polizeirevier anrufe.«
In der Diele wartete Andrea.
»Bist du auch gekommen? Das ist eine Überraschung, Kind. Hast du Hans-Joachim mitgebracht?«
»Natürlich, Vati. Er geht eben noch beruflichen Pflichten im Kuhstall nach. Aber er wird gleich hier sein.« Andrea, Alexanders Tochter aus erster Ehe, war seit einiger Zeit mit dem Tierarzt Dr. Hans-Joachim von Lehn verheiratet.
»Fehlt nur Sascha, um die Familie vollzählig zu machen«, stellte Denise mit mütterlichem Stolz fest.
»Der steckt in irgendeiner Zwischenprüfung«, sagte Andrea. »Wir haben ihn gestern in Heidelberg angerufen. Er findet das Studentenleben zurzeit gar nicht lustig, weil er zu viel pauken muss.«
Es verging eine ganze Zeit, ehe die Familie sich endlich um den großen Tisch versammeln konnte. Das Telefongespräch mit der Polizei gab Anlass zu vielen Fragen, von denen Alexander die meisten nicht beantworten konnte, weil sein blonder Schützling nicht viel gesagt hatte.
»Für heute müssen wir es dabei bewenden lassen, dass es ein Kind mit einem blauen Luftballon ist. Vielleicht finden wir morgen mehr heraus«, beendete der Gutsherr die fruchtlosen Mutmaßungen, die sofort angestellt wurden.
»Vielleicht stellt sich alles als harmlos heraus«, meinte Denise. »Doch ich werde das Kind nicht eher hergeben, als bis ich weiß, warum es von einer bösen Tante spricht.«
Nick nickte mehrmals nachdrücklich. »Sehr richtig, Mutti. Man weiß nie, was dahintersteckt.«
Die Erwachsenen lächelten verstohlen über den Eifer des Jungen, der ein bisschen altklug wirkte. Doch niemand ließ ihn das merken, denn Nicks Eingreifen hatte sich schon oft als nützlich und segensreich erwiesen. Manchmal fand er den Kontakt zu einem fremden, verschüchterten Kind leichter als die Großen. Auch Henrik war inzwischen so vernünftig geworden, dass er sich hin und wieder eines Heimkindes annahm. Denise mochte jedenfalls auf die tatkräftige Hilfe ihrer Söhne nicht mehr verzichten, auch wenn sie manchmal über das Ziel hinausschossen.
Martha hatte mit dem Festessen wahrhaftig ein Meisterwerk vollbracht. Im Allgemeinen behauptete Nick, dass Marthas Schwester Magda drüben in Sophienlust nicht zu übertreffen sei – doch heute hatte er keine Zeit, solche Vergleiche anzustellen. Denn er war intensiv damit beschäftigt, die leckeren Genüsse zu vertilgen. Beim Vanille-Eis, das mit dampfend heißer Himbeersoße gereicht wurde, seufzte er nur einmal hingebungsvoll. Sonst verhielt er sich mucksmäuschenstill.
Nach dem Essen rief Denise in Sophienlust an. Sie erfuhr von Schwester Regine, dass das fremde Kind gebadet worden sei und nun bereits fest schlafe. Der Luftballon sei am Bett festgebunden worden.
Schulterzuckend kehrte Denise in den Kreis ihrer Lieben zurück. »Nichts Neues«, erzählte sie. »Die Kleine schläft. Sie hat nichts mehr gesagt. Wahrscheinlich war sie zu müde.«
Alexander füllte die Gläser.
»Kriege ich auch etwas?«, bat Nick.
»Ich auch!«, fiel Henrik ein.
»Jeder ein bisschen. Aber denkt daran, dass Wein müde macht. Morgen ist nämlich ein ganz normaler Schultag«, entschied der Vater.
»Ich bin älter als Henrik,