Reisen in Westafrika. Mary Henrietta KingsleyЧитать онлайн книгу.
Die Begräbnisrituale im südlichen und östlichen Teil der Insel sind außerordentlich kurios, dort werden die Körper der Toten so im Wald begraben, dass ihre Köpfe gerade aus dem Boden ragen. In den übrigen Teilen der Insel finden die Begräbnisse ebenfalls im Wald statt, die Leichen werden jedoch komplett begraben, und die Bubi errichten einen kleinen Hügel aus Steinen, um den Ort zu markieren.
Man weiß wenig über die westafrikanischen Fetische und noch viel weniger über diejenigen dieser seltsamen Menschen. Mit seinem vorsichtigen, unaufgeregten deutschen Beobachtungsmethoden verschaffte Dr. Oscar Baumann uns viele wertvolle Erkenntnisse über die Bubi, die uns andernfalls entgangen wären. Mr. Hutchinson lebte als Konsul ihrer britischen Majestät viele Jahre auf Fernando Po, alle Hände voll zu tun mit den Problemen der Ölflüsse26 und im ständigen Kontakt mit den Portos von Clarence. Dennoch gelangen ihm auch sehr interessante Beobachtungen über die Einheimischen und ihre Sitten. Der polnische Verbannte Mr. Rogoszinsky und seine couragierte Frau, die den Gipfel des Clarence Peak bestiegen, sowie ein weiterer polnischer Verbannter, Mr. Janikowski, komplettieren unsere kurze Liste von Kennern der Insel. Dr. Baumann vermutet, die anderen hätten ihre Informationen über die Bubi von den Porto erhalten – Quellen, die der Herr Doktor als sehr unzuverlässig betrachtet. Aber wissen Sie, alle Afrikareisenden neigen gelegentlich dazu, die anderen zu verunglimpfen. Ich gebe offen zu, vor allem mit den Porto Kontakt gehabt zu haben, und dass meine Kenntnisse der Bubi-Sprache sich in den konventionellen Begrüßungsformeln erschöpft: »Ipori?« – »Porto.« – »Wer bist du?« – »Porto.« – »Ke Soko?« – »Hatsi soko.« – »Was gibt’s Neues?« – »Nichts.«
Auch wenn diese Portos für den Ethnologen weniger interessant sind als für den Philanthropen – da sie ein Nebenprodukt seines Engagements sind – kann ich Fernando Po nicht verlassen, ohne einige Worte über sie zu verlieren, schließlich hängt der Handel auf der Insel von ihnen ab. Sie sind die Mittelsmänner zwischen den Bubi und den weißen Händlern. Erstere vertrauen ihnen, wenn überhaupt, nur wenig mehr als den Weißen, und in den Augen der Bubi ist der spanische Gouverneur der Häuptling der Portos. Dass er auch irgendeine Führerschaft über die Bubi und deren Land haben könnte – über »Itschulla«, wie die Bubi Fernando Po nennen – will ihnen nicht in den Kopf. Baumann berichtet, ein Bubi habe einst zu ihm gesagt: »Die Weißen sind keine Menschen, sondern Fische. Sie können eine Weile an Land überleben, aber schließlich besteigen sie wieder ihre Schiffe und verschwinden hinter dem Horizont im Meer. Wie kann ein Fisch Land besitzen?«
Falls das Geschäft mit Kaffee und Kakao auf Fernando Po ebenso aufblüht wie auf São Thomé, werden die Bubi sehr wahrscheinlich aussterben, denn auf Plantagen werden sie weder für sich selbst noch für andere arbeiten, und folglich werden die Portos zur wichtigsten Gruppe, da sie bereit sind, auf Plantagen zu arbeiten. Ihre kleinen Faktoreien sind an der gesamten Küste in geeigneten Buchten verteilt und dort leben sie auch in ziemlich ordentlichen Häusern. Sie tauschen das Palmöl der Bubi ein, errichten für sich kleine Kakaoplantagen und bringen die Produkte ab und zu nach Clarence zu den Faktoreien der weißen Händler. Nachdem sie einige Zeit dort verbracht und einen Großteil ihres Geldes im hektischen Wirbel der Hauptstadt ausgegeben haben, kehren sie nach Hause zurück und erholen sich.
Einige Portos leben auch permanent in Clarence. Diese »Städter Fernando Pos« ähneln sehr den Sierra Leonern Freetowns, sind aber zu bevorzugen. Ihre Wurzeln sind praktisch identisch mit denen der Einwohner Freetowns: Sie stammen erstens von befreiten Sklaven ab, die man während unserer Besetzung der Insel als Flottenstützpunkt im Kampf gegen den Sklavenhandel hier ansiedelte, und zweitens von Sierra Leonern und Bewohner Accras, die seitdem hierher kamen und sich niederließen. Sie haben ein wenig desselben »Schwarzer-Gentleman-mein-Herr«-Stils, treiben ihn aber nicht so bizarr auf die Spitze wie die Sierra Leoner, da sie nicht unter unserer Verwaltung standen. Die »Nanny Po«-Damen werden sehr zu recht für ihre Schönheit entlang der gesamten Westküste gefeiert. Doch anders, als sie selbst glauben, sind sie nicht die schönsten Frauen in diesem Teil der Welt. Zumindest nicht, wenn Sie mich fragen. Ich bevorzuge eine Elmina oder eine Galwa oder eine Mpongwe oder … Ich sollte innehalten und zugeben, dass meine Zuneigung zu den schwarzen Damen der Westküste breit gestreut ist. Kaum erinnere ich mich einer reizenden Kreatur, deren sanfte Augen, perfekte Form und gewinnendes, feines Benehmen mich gefangen nahm, schon fällt mir die nächste ein. Die Nanny-Po-Damen haben oft etwas spanisches Blut in sich, was die Köstlichkeit ihrer Erscheinung noch betont – zierliche kleine Nasen, keine zu dicken Lippen, ein gewisser Glanz in den Haaren und ein Leuchten in den Augen. Doch es verbessert nicht ihre Farbe und hat ohne Zweifel verheerende Auswirkungen auf ihr Temperament. Für den Moment werde ich daher weiter eine treue Bewunderin meiner dunkelschwarzen Ingramina bleiben, der Galwa mit der kleinen roten Blüte in ihrem nachtschwarzen Haar und süßen, sanften Blicken und Worten für jeden, ganz besonders ihrem hässlichen Ehemann Isaac, den »Jack Wash«.
KAPITEL III
Entlang der Küste
Worin die Reisende sich vor dem Verlassen des Nigerdeltas zu den Gefahren äußert. Zusätzlich enthalten sind einige Anmerkungen zu den Mangrovensümpfen und den darin hausenden Geschöpfen.
Ich verließ Calabar im Mai und bestieg die Benguela aus Lagos. Mr. Fothergill, ihr Proviantmeister, hatte früher als Händler in Französisch-Kongo gelebt, und da ich ohne jegliche Kenntnisse über die Einheimischen jener Gegend dorthin unterwegs war, verlief meine Reise die Küste hinab sehr angenehm und lehrreich. Hierzulande beherrschen viele Männer die Fähigkeit (die ich nie verstehen werde), längere Zeit in einer Gegend zu leben, ohne irgendein Interesse für sie aufzubringen. Die ganze Zeit sind diese Menschen allein darauf konzentriert, wie lange es noch dauert, bis sie das Land wieder verlassen können. Mr. Fothergill gehörte zu einem anderen Menschenschlag, wie vielen Händlern fehlte ihm diese Eigenschaft. Deshalb wusste er sehr viel über die Gegend rund um die Lagune von Fernan Vaz und die dort lebenden Einheimischen. Er hatte, so muss man wohl sagen, bei seinen Begegnungen mit den Einheimischen etwas übertrieben, was Komfort und Vergnügen anging, da er von ihnen beinahe getötet und erheblich schikaniert worden war. Ich wünsche niemanden, egal wie sehr ich die völlige Unkenntnis der örtlichen Verhältnisse missbillige, eine derartige Erfahrung. Mr. Fothergill erzählte über diese Ereignisse auf eine ruhige und sachliche Weise. Sie verlieh seinem Bericht eine Kraft und Glaubwürdigkeit, die für jemanden wie mich, der gerade in eben jene Gegend reiste, sehr nützlich, aber auch recht unangenehm war. Immerhin gab es keinen vernünftigen Grund, weshalb mir nicht Ähnliches widerfahren sollte. Ich muss auch die großen Dienste würdigen, die mir Mr. Fothergills wundervoll präzise Beschreibungen der besonderen Eigenarten der Wälder rund um den Ogowé noch leisten sollten, als ich mich später selbst in diesen zurechtfinden musste. In jedem Bezirk hat der Wald seine eigenen Besonderheiten, die man kennen sollte.
An dieser Stelle muss ich auf die Gefahren der Westküste zu sprechen kommen, denn ich fürchte, Sie könnten denken, ich sei leichtsinnig oder würde den Berichten über Gefahren keinen Glauben schenken, was beides falsch ist. Je mehr Sie über die Westküste wissen, desto mehr werden Sie sich auch ihrer Gefahren bewusst. Auf Ihrer ersten Reise werden Sie zum Beispiel den Geschichten, die alte Westküstler über Fieber erzählen, kaum glauben. Das liegt daran, dass Sie noch nicht verstanden haben, dass dieser Menschenschlag dem eigenen Tod mit einem Scherz auf den Lippen begegnen würde. Aber ein wenig eigene Erfahrung, insbesondere, wenn Sie einen Ort besuchen, der gerade eine seiner regelmäßigen Epidemien erlebt, vermittelt Ihnen recht schnell, dass die unterschwellige Angst einen realen Kern hat, einem faulenden Leichnam gleich, den der alte Küstler mit Scherzen überspielt, bis er mit etwas Distanz kaum noch wahrnehmbar ist. Sobald Sie aber in seiner Nachbarschaft leben, wird er Ihnen schnell bewusst. Viele begreifen dies erst, nachdem sie sich niedergelassen haben, und die Angst überwältigt sie. Diesen Zustand bezeichnen die Menschen dort kurz und bündig als »Die Panik« und er endet meist fatal, auch wenn man dies den Betroffenen kaum vorwerfen kann.
Einen Fall habe ich selbst erlebt. Ein junger Mann, der noch nie außerhalb Englands gewesen war, hatte aufgrund familiärer Probleme eine Stelle als Buchhalter in den westafrikanischen Kolonien annehmen müssen. Die Faktorei, zu der man ihn sandte, lag sehr abgelegen außerhalb jeder Siedlung, und als sein Schiff die Küste erreichte,