Dr. Norden Jubiläumsbox 7 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
hatte berechtigte Zweifel.
»Glaubst du wirklich?«, fragte sie und seufzte tief.
Ein Leben ohne Danny war unvorstellbar für sie. Und doch hatte sie einen nicht unerheblichen Teil dazu beigetraten, dass es so weit gekommen war und diese Möglichkeit nun drohend vor ihr stand.
*
Um nicht nachdenken zu müssen, vergrub sich Danny Norden für den Rest des Tages in Arbeit. Mit gewohnter Sorgfalt führte er eine Reisetauglichkeitsuntersuchung durch, versorgte einen gequetschten Zeh, verabreichte Impfungen und begutachtete Wunden, bis zu seinem großen Bedauern schließlich auch der letzte Patient des Tages die Praxis verlassen hatte. Als auch noch das Telefon klingelte und Mario Cornelius ihn an den versprochenen Besuch in Tatjanas Wohnung erinnerte, musste er endgültig in die raue Wirklichkeit zurückkehren.
»Ich kann in einer halben Stunde bei Tatjanas Wohnung sein«, erklärte der Kinderarzt, und zähneknirschend willigte Danny ein.
Schließlich wollte er seinen Onkel nicht im Stich lassen. Pünktlich parkte er den Wagen vor dem Haus und stieg aus, als er Mario bereits vor der Tür auf und ab gehen sah.
»Das muss ja wirklich dringend sein, wenn du freiwillig die Klinik verlässt!«, ließ sich Danny trotz seiner Verzweiflung zu einem Scherz hinreißen.
»Manchmal muss man eben über seinen Schatten springen«, erwiderte Mario vielsagend. »Vor allen Dingen, wenn es um eine besondere Frau geht.«
Danny verstand die Anspielung sehr wohl, presste aber demonstrativ die Lippen aufeinander, als er Mario ins Haus ließ.
»Wundere dich bitte nicht über den Zustand der Wohnung. Eigentlich wollte Tatjana nächste Woche zu mir ziehen«, erklärte er und stieß die Tür zu dem kleinen Apartment auf.
Tatsächlich war das Durcheinander bemerkenswert. Überall standen Umzugskartons und halb gepackte Schachteln herum. Jede freie Fläche war mit Krimskrams bedeckt. Die ganze Wohnung machte den Eindruck, als hätte der Bewohner sie Hals über Kopf verlassen.
»Was heißt hier »sie wollte«?«, fragte Mario möglichst beiläufig, während er sich in dem Chaos umsah. »Willst du nicht noch einmal mit ihr reden?«
Ratlos zuckte Danny mit den Schultern.
»Ich weiß noch nicht«, gestand er zögernd, winkte Mario mit sich in die kleine Küche und sah sich suchend um. »Natürlich weiß ich, dass ich nicht unschuldig bin an der Entwicklung. Ich verstehe einfach nicht, warum mir diese Veränderungen an Tatjana nicht aufgefallen sind.« Während er sprach, hatte Danny hatte gefunden, wonach er gesucht hatte. Der Backofen war der einzige freie Platz in der kleinen Wohnung, und Tatjana hatte ihre Gesellenstücke dort auf einem Kuchenblech in Sicherheit gebracht. Danny ging in die Knie und zog behutsam – auf keinen Fall wollte er etwas kaputt machen – das Backblech heraus.
Um besser sehen zu können, ging Mario neben ihm in die Knie.
»Ihr beide habt ganz schön Stress. Da übersieht man schon mal was …« Unvermittelt hielt er inne und stieß vor Staunen einen Pfiff aus. »DAS ist Tatjanas essbarer Schmuck?« Die Bewunderung in seiner Stimme war unverkennbar, und einen Moment lang fühlte sich Danny geschmeichelt, als handelte es sich um seine eigenen Kreationen.
»Toll, nicht?«, fragte er und konnte selbst kaum den Blick lösen von den zarten Ringen, den Kettenanhängern und Ohrringen, über die er neulich noch mit seiner Freundin gesprochen hatte. Die hauchdünnen runden Scheiben waren golden lackiert. Mit Zuckerkristallen und feinen Malereien aus Zuckerschrift wirkten sie wie kostbare orientalische Einlegearbeiten.
»Toll ist die Untertreibung des Jahrhunderts«, widersprach Mario, als er seine Sprache endlich wiedergefunden hatte. »Dieser Schmuck ist eine Sensation. Damit würde Tatjana auf jeder Messe Furore machen.«
»Du vergisst, dass sie aus Teig und nicht für die Ewigkeit gemacht sind«, erinnerte Danny seinen Onkel schmunzelnd. Einen Moment lang schwiegen seine quälenden Gedanken still.
»Was ist schon für die Ewigkeit?«, entfuhr es Mario, und vorsichtig streckte er die Hand nach einem silberfarbenen Ring mit blauem Zuckerkristall aus. Leicht wie eine Feder, war er doch stabiler als gedacht. »Komisch, ich könnte schwören, dass ich den schon mal irgendwo gesehen habe.«
Danny musste lachen.
»Ich wette mit dir, dass du ihn sogar täglich vor Augen hast«, sagte er. »Das ist nämlich eine hundertprozentige Kopie von Mums Verlobungsring.«
In diesem Augenblick fiel es Mario wie Schuppen von den Augen. Behutsam steckte er den Ring auf die Kuppe seines kleinen Fingers und betrachtete ihn von allen Seiten.
»Das ist genau das passende Geschenk für Carina. Und sie muss ja nicht wissen, dass das Original ausgerechnet ein Verlobungsring ist.« Vergnügt zwinkerte er seinem Neffen zu.
»Wie du willst.« Danny schob das Backblech zurück in den Ofen und Mario zog die kleine Schmuckschachtel hervor, die er in weiser Voraussicht mitgebracht hatte.
»Perfekt!« Zufrieden betrachtete er den Ring, bevor er das Kästchen zuklappte und es vorsichtig in die Sakkotasche steckte. »Jetzt kann ich wieder beruhigt in die Klinik fahren und mich ganz entspannt auf das Treffen morgen vorbereiten.«
»Morgen schon?« Danny stand auf und streckte den schmerzenden Rücken durch. »Vielleicht solltest du dir das noch mal überlegen. Du siehst ja an mir, was draus werden kann.« Er schnitt eine unfrohe Grimasse.
Diese Bemerkung war besorgniserregend für Mario. Während sie zur Tür gingen, legte er die Hand auf Dannys Schulter.
»Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird«, gab er seinem Neffen einen weisen Rat. »Schlaf eine Nacht drüber, und morgen sieht die Welt wieder ganz anders aus. Mal abgesehen davon … So eine Adoption kann ja auch ein echter Glücksgriff sein, wie unschwer an mir zu erkennen ist«, versuchte er, Danny ein Lächeln zu entlocken.
Das Vorhaben gelang tatsächlich, und für einen kurzen Moment lachte der junge Arzt laut heraus.
»Wenn ich an Opis Erzählungen denke … wie du Anne und ihm mit deinen Streichen das Leben schwer gemacht hast … ich glaube, ich hätte dich sogar ausgesetzt, wenn du mein leiblicher Sohn gewesen wärst«, erinnerte er Mario an seine wilden Jugendjahre.
»Nana, ganz so schlimm war ich nun auch wieder nicht«, winkte Mario Cornelius eine Spur beleidigt ab.
Inzwischen waren sie wieder unten vor dem Haus angelangt und reichten sich einander die Hand.
»Nichts für ungut, Onkelchen«, scherzte Danny. Tatsächlich hatte das Treffen mit Mario seine Laune wenigstens ein bisschen gehoben, und er konnte schon mit viel weniger Groll an Tatjana denken. Wenn sie diese schwierige Zeit zusammen meisterten, würde vielleicht doch noch alles gut werden. Dieser Gedanke ging ihm noch durch den Kopf, als er auf dem Nachhauseweg war. Doch als er seinen Wagen vor dem Mietshaus parkte und sah, wer im Hauseingang stand und auf ihn wartete, waren diese Gedanken wie weggeblasen.
*
Obwohl Felicitas Norden die gemeinsamen Mahlzeiten über die Maßen genoss, war sie nicht böse, das Haus an diesem Abend ruhig vorzufinden. Lenni, die gute Seele des Hauses Norden, hatte sich frei genommen, um mit einer Freundin ins Theater zu gehen. Diese günstige Gelegenheit hatte Felix sofort genutzt und angeboten, seine Geschwister in ein Fast-Food-Restaurant zu fahren. Bis auf Dési – sie hatte Tanzunterricht – waren alle dieser Einladung nachgekommen.
»Ach, tut das gut!« Zufrieden hatte sich Fee auf die Couch zu ihrem Mann gesellt, legte die Beine auf Daniels Schoß und wackelte mit den Zehen. »Manchmal muss ich tagsüber nachsehen, ob ich überhaupt noch Füße habe. Vor Anstrengung tun sie noch nicht einmal mehr weh.«
»Oh, oh, das klingt aber gar nicht gut«, erwiderte Daniel und zog in gespielter Sorge die Stirn kraus. »Du solltest vorsichtshalber den Arzt deines Vertrauens konsultieren.« Behutsam legte er seine Hände auf ihre Zehen und begann sie sanft zu massieren.
»Das ist wunderbar!«, seufzte Fee und schloss genüsslich