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Die wichtigsten Werke von Leo Tolstoi. Leo TolstoiЧитать онлайн книгу.

Die wichtigsten Werke von Leo Tolstoi - Leo Tolstoi


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welcher neugierig die kolossale Gestalt mit dem wenig militärischen Äußeren betrachtete.

      »Unsere Stellung«, erwiderte der Offizier, »kann ich Ihnen deutlich angeben, denn ich habe alle Befestigungen erbaut. Sehen Sie, unser Zentrum ist in Borodino, dort!« Und er deutete auf das Dorf mit der weißen Kirche. »Hier ist der Übergang über die Kolotscha! Sehen Sie eine Brücke in jener kleinen Ebene mit den Heuhaufen? Das ist unser Zentrum. Unser rechter Flügel ist dort«, fuhr er fort, indem er nach dem Wald zur Rechten deutete. »Dort ist die Moskwa und dort haben wir drei starke Redouten errichtet. Unser linker Flügel ist etwas schwierig zu erklären. Gestern war er in Schewardino, wo Sie die große Eiche sehen, aber heute haben wir unseren linken Flügel zurückgezogen bis zu diesem verbrannten Dorf Semenowskoje. Gott mag wissen, ob auf diesem Punkt eine Schlacht stattfinden wird! Jedenfalls wird morgen mancher beim Verles fehlen.« »Da kommen sie! Da kommen sie!« riefen mehrere Stimmen. Offiziere und Soldaten eilten nach der Landstraße, eine Prozession kam aus Borodino heraus, die Anhöhe herauf.

      »Das ist die Mutter Gottes, unsere Beschützerin!«

      »Nein, das ist die Mutter Gottes aus Smolensk«, berichtigte ein anderer. Die Landsturmleute, die Dorfbewohner, die Erdarbeiter der Batterie, alle warfen die Schaufeln weg und liefen der Prozession entgegen. Voran marschierte Infanterie. Hinter ihr ertönten religiöse Gesänge, dann kamen die Geistlichen in ihren reichen Gewändern. Soldaten und Offiziere trugen ein großes Bild mit geschwärztem Gesicht, in Silber eingerahmt, hinter ihnen her. Das war das Heiligenbild, das man von Smolensk mitgenommen hatte. Zur Linken und Rechten drängte sich die Menge der Soldaten und Offiziere, welche sich bis zur Erde verneigten. Endlich erreichte die Prozession den Gipfel des Hügels. Die Träger des Bildes lösten sich ab, und das Tedeum begann. Ein leichter, frischer Wind spielte in den Haaren aller dieser unbedeckten Köpfe. Ein kleiner Raum hinter den Priestern war von den höheren Offizieren eingenommen. Ein kahlköpfiger General mit dem Georgenkreuz um den Hals stand starr und unbeweglich. Augenscheinlich war es ein Deutscher, denn er bekreuzigte sich nicht und schien geduldig das Ende der Gebete abzuwarten, das er aber notwendig fand, um die Stimmung der Soldaten zu heben. Peter bemerkte einige bekannte Gesichter. Als die Sänger zum zwanzigstenmal mit sichtlicher Ermüdung den Gesang anstimmten, zeigten alle Mienen tiefes Gefühl. Endlich näherte sich eine wichtige Persönlichkeit dem Bilde, für welche er sogleich eine Gasse öffnete. Es war Kutusow, der nach Tatarinowo zurückkehrte, nachdem er die Gegend betrachtet hatte. Peter erkannte ihn sofort. Er trug einen langen Mantel auf dem gewölbten Rücken. Er trat etwas schwankend ein, blieb hinter dem Priester stehen und machte mechanisch das Zeichen des Kreuzes. Dann neigte er tief seinen grauen Kopf. Er war begleitet von Bennigsen und seinem Generalstab. Ungeachtet der Anwesenheit des Oberkommandierenden, welche die Aufmerksamkeit der Generale abgelenkt hatte, beteten die Soldaten weiter, ohne sich stören zu lassen. Als die Gebete beendigt waren, trat Kutusow vor, kniete schwerfällig nieder und berührte die Erde mit seiner Stirn. Nach längeren, vergeblichen Anstrengungen, sich wieder zu erheben, gelang es ihm endlich, er spitzte die Lippen, wie die Kinder tun, und küßte das Bild. Die Generale folgten seinem Beispiel, dann die Offiziere und nach ihnen auch die Soldaten, welche einander drängten und stießen.

      165

       Inhaltsverzeichnis

      »Peter Kirilowitsch, wie kommen Sie hierher?« rief eine Stimme.

      Peter wandte sich um und erblickte Boris Drubezkoi, welcher seine Knie nach den Kniebeugungen abstäubte und sich ihm lachend näherte. Sein Äußeres war elegant. Er trug wie Kutusow einen langen Mantel. Während dieser Zeit hatte Kutusow das Dorf erreicht und sich vor einer Hütte auf einer Bank niedergelassen, welche ein Kosak in aller Eile herbeigebracht hatte. Ein glänzendes Gefolge umgab ihn. Die Prozession zog weiter, während Peter im Gespräch mit Boris etwa dreißig Schritt von Kutusow stand. Peter sprach seinen Wunsch aus, an der Schlacht teilzunehmen. »Das beste wäre, beim General Bennigsen zu bleiben«, sagte Boris, »bei dem ich Ordonnanzoffizier bin. Ich werde von Ihnen mit ihm sprechen. Wollen Sie eine Idee von unserer Stellung haben, so kommen Sie mit uns, wir gehen nach dem linken Flügel, und wenn wir zurückkommen, müssen Sie mir das Vergnügen machen, mein Gast für die Nacht zu sein. Wir können sogar eine kleine Partie organisieren. Sie kennen ohne Zweifel Dmitri Sergejewitsch? Er liegt dort drüben in Gorky in Quartier.«

      »Aber ich hätte gern den rechten Flügel gesehen, man sagt, er sei so stark.«

      »Das können Sie wohl, aber der linke Flügel ist der wichtigste.«

      »Vielleicht können Sie mir sagen, wo sich das Regiment des Fürsten Bolkonsky befindet?«

      »Wir kommen dort vorüber, und ich werde Sie zum Fürsten führen.«

      »Was wollten Sie vom linken Flügel sagen?« fragte Peter.

      »Unter uns gesagt, der linke Flügel befindet sich in einer abscheulichen Stellung. Graf Bennigsen hatte einen ganz anderen Plan und wollte auch jenen Hügel dort unten befestigen, aber seine Hoheit hat es nicht erlaubt, denn …«

      Boris sprach nicht weiter, weil er den Adjutanten Kutusows, Kaissarow, auf sich zukommen sah.

      »Kaissarow!« rief Boris lebhaft, »ich erkläre dem Grafen unsere Stellung. Er bewundert seine Durchlaucht, welcher die Absicht des Feindes so gut durchschaut hat.«

      »Sie sprachen vom linken Flügel?« fragte Kaissarow.

      »Ja, gerade der linke Flügel ist jetzt furchtbar.«

      Obgleich Kutusow aus seinem Hauptquartier alle unnützen Leute fortgeschickt hatte, hatte Boris doch verstanden, seine Stellung zu behaupten, indem er sich dem Grafen Bennigsen attachieren ließ, der große Stücke auf ihn hielt.

      Die Armee war in zwei Lager geteilt, das von Kutusow und das von Bennigsen, dem Chef des Generalstabs, und Boris verstand es sehr geschickt, während er für Kutusow eine tiefe Achtung an den Tag legte, zu verstehen zu geben, daß dieser Greis unfähig sei, die Kriegsführung zu leiten, und daß in der Tat Bennigsen der wirkliche Leiter sei. Man stand jetzt vor dem entscheidenden Augenblick, welcher Kutusow vernichten und die Gewalt Bennigsen überliefern sollte, oder aber, wenn Kutusow die Schlacht gewann, so hätte man nicht verfehlt, verständlich zu machen, daß alle Ehre dafür Bennigsen gebühre. In jedem Falle wären zahlreiche Belohnungen zur Verteilung gekommen. Diese Aussicht versetzte Boris in fieberhafte Aufregung.

      Peter war bald von mehreren Offizieren, die er kannte, umgeben, welche nach Kaissarow gekommen waren, und hatte Mühe, alle Fragen zu beantworten. Kutusow bemerkte Peter in der Gruppe und ließ ihn durch seinen Adjutanten rufen. Peter begab sich gleich zu ihm, aber in demselben Augenblick näherte sich auch ein Mann vom Landsturm Kutusow und kam Peter zuvor. Das war Dolochow.

      »Wie kommt der Mensch hierher?« fragte Peter.

      »Der Taugenichts drängt sich überall ein«, erwiderte man ihm. »Er ist degradiert worden, kommt aber wieder auf die Oberfläche des Wassers. Er hat verschiedene Projekte eingereicht und ist bis zu den feindlichen Vorposten geschlichen. Man kann ihm nicht abstreiten, daß er Mut hat!« Peter nahm ehrerbietig den Hut vor Kutusow ab.

      »Ich habe mir überlegt«, sagte Dolochow, »wenn ich Eure Durchlaucht benachrichtigen würde, könnten Sie mich wegjagen oder mir sagen, die Sache sei schon bekannt.«

      »Ja … ja …« sagte Kutusow.

      »Aber ich sagte mir auch, wenn ich Erfolg habe, so leiste ich dem Vaterland einen Dienst, für das ich bereit bin, mein Leben zu lassen. Wenn Eure Durchlaucht einen Menschen braucht, der seine Haut nicht schont, so bitte ich, an mich zu denken.«

      »Ja, ja«, erwiderte Kutusow, der seinen Blick lachend auf Peter richtete. In demselben Augenblick trat Boris mit der Gewandtheit eines Höflings vor, um sich neben Peter zu stellen, mit dem er anscheinend eine begonnene Unterhaltung fortsetzte.

      »Sie sehen, Graf, die Landstürmer haben weiße Hemden angezogen, um sich auf den Tod vorzubereiten. Ist das nicht Heroismus?«

      Boris hatte augenscheinlich


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