Perry Rhodan Neo 181: Der Mond ist nur der Anfang. Kai HirdtЧитать онлайн книгу.
Teil der Anlage vor die Kamera zerren und ein Riesenbrimborium veranstalten. Jetzt stell dir mal die Bilder vor, die dabei rauskommen: Familie Rhodan da Zoltral macht Urlaub in einem angeblichen Krisengebiet. Der macht sich doch nach Strich und Faden lächerlich.«
Thora dachte kurz darüber nach, dann schmunzelte sie. »Du bist ziemlich gut darin, die unmöglichsten Dinge als großartigen Einfall zu verkaufen.«
»Und du wirst Freude dabei haben, Willem schlecht aussehen zu lassen.«
»Worauf du wetten kannst!« Thora sah auf ihr Kommunikationsarmband. »Das Lakeside Institute hat sich gemeldet. Nathalie geht es gut. Sie hat Spaß bei den Tests und meint, wir müssen uns gar nicht beeilen, sie abzuholen.«
»Na sehr freundlich«, brummte Rhodan. »Mal gucken, wann sie anfängt, sich zu langweilen.«
Tom meldete sich vom Funk- und Ortungspult. »Die Lunar Research Area ruft uns. Ein Herr Leibnitz möchte dich sprechen, Dad. Es ist dringend, sagt er.«
»Leibnitz?« Rhodan war überrascht. Was hatte der Mann auf dem Herzen, das er ihm nicht in zehn Minuten persönlich hätte sagen können? »Leg ihn mir ins Holo.«
Tom folgte der Anweisung.
Vor Rhodan baute sich eine Projektion des rätselhaften Menschen auf, den er drei Jahre zuvor bei der Andromeda-Mission aufgelesen hatte. Wie stets wirkte Leibnitz, als sei er gerade aus dem Bett gefallen: das braune, grau melierte Haar zerzaust, das Kinn seit ein paar Tagen nicht rasiert, schläfriger Blick. Und wie stets schwebte hinter ihm der schwarze, eiförmige positronisch-biologische Roboter namens Monade, der sich als weiblich begriff.
Seit etwas mehr als einem Jahr wohnte Leibnitz auf dem Mond und fungierte als NATHANS Sprecher, wenn die seltsame Intelligenz nicht selbst kommunizieren wollte. Alle Beteiligten hatten sich mit dem rätselhaften Arrangement abgefunden – es verbesserte insgesamt die Chancen, Kontakt mit NATHAN aufzunehmen. Außerdem war dies ein neues Rätsel, und neue Rätsel bedeuteten besseres Verständnis, wenn es irgendwann gelang, sie zu lösen.
»Hallo«, sagte Rhodan. »Was gibt es so dringend?«
»Ich habe eine Beschwerde zu übermitteln«, antwortete Leibnitz ungewohnt gereizt. »Die Inspekteure sind voreingenommen. Sie gehen manipulativ vor.«
»Was?«, fragte Rhodan. »Wir sind doch noch gar nicht ...« Er schaute auf die Uhr. Eigentlich hatten sie noch eine Dreiviertelstunde bis zu dem mit Willem verabredeten Zeitpunkt. »Ist Willem schon da?«
»Ist er«, bestätigte Leibnitz. »Mit vier Mann Militärgarde in schweren Kampfanzügen. Und er bedrängt Doktor Brömmers.«
»Wir kommen sofort!«, versprach Rhodan zornig. »Beschäftigen Sie ihn so lange.«
Leibnitz beendete die Verbindung.
Rhodans Söhne sahen zu ihm und wirkten unsicher, was sie tun sollten.
Perry Rhodan nickte Farouq zu. »Wir haben's eilig. Zeig, was du draufhast.«
Familie Rhodan durchquerte die Basis zügig. Nur beim Übergang vom zivil genutzten in den militärischen Teil der Anlage wurden sie kurz aufgehalten. Nachdem sie die Kontrolle über sich ergehen und sich mit der Sondervollmacht von Systemadmiral Bull legitimiert hatten, wurden sie auf direktem Weg zum Hauptlabor geführt.
Sie platzten mitten in eine Szene hinein, die nicht wie eine Inspektion, sondern eher wie ein Verhör wirkte. Sdelo Willem hatte sich selbstgefällig aufgebaut, vier Soldaten der Raumlandetruppen in voller Montur und mit schweren Waffen hinter sich. Er schaute auf den dicklichen und sichtlich eingeschüchterten Doktor Eduard Brömmers hinab.
Willem sah zum Schott, als es auffuhr. »Was machen Sie denn schon hier?«, fragte er.
»Erstaunlich«, sagte Perry Rhodan, »ich wollte Sie gerade dasselbe fragen. Immerhin sind wir erst in einer halben Stunde verabredet. Sie werden die Inspektion doch nicht heimlich und eigenmächtig ohne mich begonnen haben?«
Selbstverständlich hatte der Politiker das. Die drei Kameradrohnen, die ihn umschwirrten, sprachen eine deutliche Sprache. Eine filmte den verängstigten Brömmers, eine den über ihm stehenden Willem in Heldenpose, eine das bedrohliche Gesamtszenario mit den vier Soldaten.
Aber was sie filmten, war eigentlich unbedeutend. Viel wichtiger war, dass sie überhaupt im Einsatz waren. Rhodan verabscheute zwar Papierkram und Regularien, aber manchmal waren sie durchaus nützlich. Er deutete auf die Geräte. »Sie haben sicher eine Genehmigung, hier Aufnahmen zu machen?«
»Das ist Teil unseres Inspektionsauftrags«, schnappte Willem. »Aus dem Büro des Administrators.«
Rhodan schüttelte den Kopf. »Ich habe denselben Auftrag erhalten. Das gilt ausdrücklich nur für den zivilen Teil in der Anlage. Hier im militärischen Sektor gilt das übliche Aufzeichnungsverbot. Sie werden doch nicht etwa die Sicherheit des Sonnensystems unterlaufen wollen, indem Sie illegale Aufzeichnungen von militärischen Anlagen anfertigen?«
Willem kämpfte sichtbar um seine Beherrschung. Rhodan war in Versuchung, sich selbst auf die Schulter zu klopfen. Ein Law-and-Order-Politiker, der gegen militärische Sicherheitsvorschriften verstieß, machte sich unglaubwürdig – auch wenn die Laborausstattung nichts anderes beinhaltete als ihr Pendant in der zivilen Sektion. Willem blieb eigentlich keine andere Möglichkeit mehr, als die Geräte abzuschalten.
Rhodan bohrte genüsslich noch etwas weiter in der Wunde. »Diese Sicherheitsvorschrift kann natürlich außer Kraft gesetzt werden, wenn ein planetarer Notstand das erfordert. Liegt Ihrer Ansicht nach ein akuter planetarer Notstand vor? Darüber hätte ich als Protektor aber informiert werden müssen. Wurde ich bloß nicht. Ich fürchte also, dass das, was Sie da machen, nach Recht und Gesetz als Gefährdung der Erde eingestuft werden muss. Und das wollen wir doch beide nicht, oder? Schalten Sie bitte die Geräte ab.«
Verärgert hieb Willem auf die Steuereinheit an seinem Handgelenk. Die Drohnen senkten sich ab und verankerten sich in einem Schultergurt, der sich schräg über Willems Rücken spannte.
»Gut.« Aus dem Augenwinkel sah Rhodan, dass Thora seine Söhne unauffällig zurückhielt. In diese Konfrontation hatten sie sich nicht einzumischen. »Da Sie entgegen unserer Vereinbarung schon angefangen haben: Wo stehen wir gerade?«
Willem antwortete eisig. »Doktor Brömmers hat mir von NATHANS Abschottung und einer Seuche berichtet, die das Forschungspersonal befallen hat. Nichts davon taucht in den Sicherheitsberichten auf.«
»Wie bitte?« Das war auch für Rhodan eine Neuigkeit. »Doktor Brömmers, können Sie das noch mal in Ihre Worte fassen?«
Auf Brömmers Schulter erschien sein roter holografischer Frosch, mit dem er sich zu beraten pflegte. Rhodan war froh, dass die Kameras desaktiviert waren und diese Bilder nicht in die terranischen Nachrichten kamen. »Unsinn!«, quakte die positronikgenerierte Amphibie.
»Wir registrieren seit einigen Wochen unerklärte Fälle von Übelkeit«, erläuterte der Wissenschaftler. »Nicht schlimm, aber lästig. Einmal musste sich ein ganzes Laborteam krankmelden. Wir haben die Lebensmittelversorgung schon dreimal prüfen lassen, aber ohne Ergebnis.«
»Magenverstimmungen?« Rhodan wandte sich an Willem. »Und Sie wollen da eine Seuche draus machen?«
Der Politiker antwortete nicht. Er sah Rhodan nur mit verschränkten Armen an.
»Okay«, sagte Rhodan. »Und was war das mit der Abschottung?«
»NATHAN lässt uns in manche Teile seiner Anlage nicht ein«, bestätigte Doktor Brömmers. »Das war aber schon immer so. Wir haben seine Privatsphäre stets akzeptiert. Ich weiß nicht, warum das plötzlich ein Problem ...«
»Privatsphäre? Er ist auf unserer Welt zu Gast«, unterbrach Willem erregt. »Und ein ungebetener Gast dazu! Wir bestimmen, welche Türen sich hier zu öffnen haben! Wir lassen uns doch nicht im eigenen Haus aussperren!«
Sosehr es Rhodan wurmte: In diesem Punkt hatte Willem nicht ganz unrecht. NATHAN hatte bislang nie den Grund seiner Anwesenheit erklärt.