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Phantasien (Deutsche Ausgabe). Lafcadio HearnЧитать онлайн книгу.

Phantasien (Deutsche Ausgabe) - Lafcadio Hearn


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Gesicht haften, als sei es in unvergängliche Bronze gehauen.

      Die Lianen raschelten nicht und die toten Blätter knisterten nicht, und dennoch stand sie vor mir! Mein Herz setzte aus ... Ein Schauer überlief mich wie in jenen Nächten, da ich antarktische Gewässer durchschiffte! In Weiß gekleidet wie in den begrabenen Jahren, mit Lichtern wie Leuchtkäfer im Haar, mit dem gleichen dunklen, nixenhaften Lächeln! Und plötzlich verging der Schauer in einer wilden Aufwallung des Blutes, als sei jede seiner Zellen von vulkanischem Feuer erhitzt; denn die seltsamen Worte des hebräischen Psalms klangen mir wie ein fernes Echo in den Ohren:

      Die Liebe ist stark wie der Tod!

      Ich zerbrach die Fesseln, in die das Entsetzen meine Stimme geschlagen hatte, ich sprach zu ihr, ich weinte, – ich weinte blutige Tränen! Und ich hörte wieder die vertraute Stimme, silbern und leise und spöttisch süß wie die Stimmen der Vögel, die durch die brütende Nacht Westindiens einander zuriefen!

      »Ich wußte, daß du zu mir zurückkehren würdest! Wie lange du auch unter andern Himmeln und auf andern Meeren wandern mochtest!

      Träumtest du, ich sei tot? Nein, ich sterbe nicht so schnell! Ich habe alle diese Jahre gelebt. Ich werde weiter leben; und du mußt immer wieder hierherkommen, um wie ein Dieb in der Nacht mich zu besuchen.

      Weißt du, wie ich lebte? Ich lebte in den bitteren Tränen, die du in all diesen Jahren weintest, – in der Qual der Gewissensbisse, die dich in schweigenden Nächten und einsamen Wüsten ergriffen, – in dem Atem deiner Jugend, deines Lebens, den du in leidenschaftlichem Schmerz aushauchtest, wenn kein menschliches Auge dich erblickte, – in den Bildern, die deine Träume heimsuchten und dir die Einsamkeit zur Qual machten! Du wolltest mich küssen –«

      Ich blickte in dem weißen Licht wieder zu ihr hin; ich sah dasselbe geisterhaft schöne Gesicht, dasselbe Sphinxlächeln; ich sah das leere Grab klaffen; ich sah seinen Schatten – meinen Schatten – scharf auf den Gräbern liegen; und sah, daß die schlanke, weiße Gestalt vor mir im Mondlicht keinen Schatten warf. Und plötzlich erklang unter den Sternen volltönend und zitternd wie ferne Kirchenglocken die Stimme des erwachenden Wächters: Ave Maria Purissima! – las tres de la mannana, y tiempo sereno!

      Der Karfunkel des Teufels

       Inhaltsverzeichnis

      Als Juan de la Torre, einer von den berühmten Conquistadores, in einer der Huacas in der Nähe der Stadt Lima einen ungeheuren Schatz entdeckte und in Besitz nahm, wurden die spanischen Soldaten von einer wahren Manie ergriffen, in den alten Befestigungen und Kirchhöfen der Indianer nach Schätzen zu suchen, und so hatten sich denn auch die Ballesteros des Kapitäns Diego Gumiel zusammengetan, um in den Huacas von Miraflores gemeinsam nach Schätzen zu suchen; sie hatten aber schon Wochen über Wochen gegraben, ohne auch nur die kleinste Kostbarkeit zu finden.

      Auch am Charfreitag des Jahres 1547 hatten die drei Ballesteros – ungeachtet der Heiligkeit des Tages, denn der menschlichen Habgier ist nichts heilig – den ganzen Morgen und den ganzen Nachmittag im Schweiße ihres Angesichts gegraben, jedoch nichts gefunden: weder einen Schmuck noch ein Tongeschirr, das auch nur drei Pesos wert gewesen wäre. Nur eine Mumie hatten sie entdeckt! Da wünschten sie selber den Fürsten der Hölle herbei, verfluchten alle Mächte des Himmels und lästerten so fürchterlich, daß der Teufel selber sich die Ohren mit Watte verstopfen mußte.

      Gerade jetzt war die Sonne untergegangen; die Abenteurer schickten sich an, nach Lima zurückzukehren und verwünschten die geizigen Indianer wegen ihrer unverzeihlichen Dummheit, sich nicht in vollem Schmuck auf Betten aus lauterem Gold oder Silber begraben zu lassen, und einer von den Spaniern gab der Mumie einen so kräftigen Tritt, daß sie ein gut Stück weiter flog. Da löste sich ein funkelnder Edelstein von ihr und rollte langsam hinter ihr her.

      »Canario!« schrie einer von den Soldaten, »was ist denn das? Santa Maria! Was für ein herrlicher Karfunkel!«

      Und er wollte eben dem Kleinod nachlaufen, als der Gefährte, der den Leichnam weggestoßen hatte und ein großer Raufbold war, ihn mit den Worten zurückhielt:

      »Halt, Kamerad! Verflucht will ich sein, wenn dieser Karfunkel nicht mir gehört, denn ich habe die Mumie gefunden!«

      »Der Teufel soll dich holen! Ich habe ihn zuerst funkeln sehen und ich will lieber sterben, als daß ein anderer ihn für sich nimmt.«

      »Cepos quedos!« donnerte der dritte, zog seinen Degen und ließ ihn durch die Luft sausen: »Und bin ich denn nicht auch jemand?« »Caracolines! nicht einmal des Teufels Großmutter soll ihn mir entreißen,« schrie der Raufbold und zog seinen Dolch.

      Und nun begann ein furchtbarer Kampf zwischen den drei Kameraden.

      Am nächsten Tage fanden einige Mitayos den Leichnam des einen Kämpfers, die beiden andern aber mit Wunden bedeckt. Sie baten, ihnen einen Beichtiger zu schicken, und bevor sie starben, erzählten sie die Geschichte von dem Karfunkel und wie er bei dem Kampf in unheilvollem und bleichem Glanz geleuchtet habe. Aber dieser Karfunkel wurde niemals gefunden. Die Sage erzählt, er stamme vom Teufel, und in jeder Charfreitagnacht können Wanderer sein verhängnisvolles Leuchten über den Huacas sehen, die durch diese Legende berühmt geworden sind.

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