Stille Nacht light. Usch HollmannЧитать онлайн книгу.
atmete tief durch und rappelte seinen Spruch herunter:
‚Vater unser, der du bist,
weißt du nicht, wo Nikolaus ist?
Nikolaus is in’n Keller kruepen,
hew ne Pulle Schnaps uutsuepen.‘*
Sprachs – und rannte über den Flur in die Küche, Margret, Irmgard und ich hinterher, schließlich sogar der Engel, der sich die Perücke vom Kopf riss. Wir lachten und umarmten uns und Schufti sprang fröhlich bellend um uns herum.“
Jette atmete sichtlich erleichtert auf, ebenso Tim. Dennoch fragte er besorgt:
„Und ihr habt überhaupt keine Süßigkeiten bekommen?“
„Nein, an dem Abend jedenfalls nicht, aber am anderen Tag erhielten wir mit der Post ein sogenanntes Care-Paket* mit allen möglichen Herrlichkeiten darin, die trösteten uns darüber hinweg, dass in Nikolaus’ Sack für uns nichts übrig geblieben war.“
„Und der Nikolaus, hat der noch einen Schnaps gegen die ‚trockene Luft‘ bekommen?“
„Ich glaube eher nicht“, sagte Großvater, „Wahrscheinlich hat Vater ihn ohne ‚Gage‘ wieder hinaus komplementiert, denn mit diesem pädagogischen Feingefühl hatte er sich keine verdient.“
Tim räusperte sich. „Coole Geschichte … weißt du noch eine?“
Großvater lachte. „So spontan fällt mir keine ein, aber wenn ich im nächsten Jahr noch lebe und wieder kommen darf, dann vielleicht …“
„Aber dann feiern wir wieder Weihnachten mit wenigstens einem Geschenk für jeden … vielleicht wünsche ich mir den Teddy mit Beleuchtung dann immer noch, weil alle den haben“, meinte Jette. Und Tim fügte hinzu: „Und bis nächstes Jahr haben sie womöglich ein noch viel besseres i-Phone erfunden, obwohl …“ Er seufzte tief.
Großvater wandte sich an Jette: „Hast du noch welche von euren selbstgemachten Marzipankartoffeln?“
Spät am Abend saßen mein Mann und ich noch bei einem Glas Wein zusammen und waren uns einig, dass es auch für uns als Eltern im Großen und Ganzen ein durchaus gelungener Weihnachtsabend gewesen war. Plötzlich fragte er: „Was meinst Du, wann sollen wir den Kindern ihre Geschenke geben, morgen beim Frühstück oder erst, wenn Vater wieder abgereist ist?“
Ich fiel aus allen Wolken.
„Du hast ihnen doch etwas gekauft?“
Er nahm mich in den Arm.
„Nur ein Geschenk für jedes Kind … diesen Teddy aus Plexiglas für Jette und das iPhone für Tim … Das geht doch gar nicht: Weihnachten ganz ohne Geschenke …“
Ich wollte aufbrausen.
„Pst! Du hast doch gehört, was Vater vorgelesen hat: Friede den Menschen auf Erden, die guten Willens sind“.
* Nikolaus ist in den Keller gekrochen, hat eine Flasche Schnaps ausgesoffen.
* Care = Cooperative for American Remittances to Europe; eine Hilfsorganisation nach dem 2. Weltkrieg
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