Wie ich Livingstone fand. Henry M. StanleyЧитать онлайн книгу.
Enthusiasmus für mein Unternehmen, welcher mich von Anfang bis zu Ende belebte, drittens dem Umstand, dass ich meine Konstitution nicht durch Unmäßigkeit oder Ausschweifungen ruiniert habe, viertens der Energie meiner Natur, fünftens einem angeborenen zur Hoffnung geneigten Temperament, das sich nie verstimmen ließ, und sechstens der Maßregel verdanke, dass ich mich mit einem geräumigen Segeltuchhaus, welches dicht gegen Wasser und alle Feuchtigkeit war, versehen habe.
Ich war noch nicht lange in Bagamoyo, als ich nach dem Lager Mussoudis hinüberging, um die »Livingstone-Karawane« zu besuchen, welche der britische Konsul am 1. November 1870 ausgeschickt hatte, um Livingstone Hilfe zu leisten. Die Zahl ihrer Traglasten betrug 35, und diese bedurften ebenso vieler Menschen, um nach Unyanyembé transportiert zu werden. Die Leute, die diese Karawane zu begleiten hatten, bestanden aus sieben Johannesen und Wahiyau. Von diesen sieben waren vier Sklaven. Sie führten hier ein vergnügtes Leben, ohne an ihren Auftrag zu denken oder sich um die Folgen zu bekümmern. Was diese Leute die ganze Zeit über in Bagamoyo getan haben, außer ihren lasterhaften Neigungen zu frönen, begreife ich nicht.
Wenn der britische Konsul sich damit entschuldigt, er habe gar nicht gewusst, dass seine für Livingstone bestimmten Vorräte noch in Bagamoyo wären, so beweist mir das nur, dass er in strafwürdigster Weise seine Pflicht gegen einen britischen Untertan und Kollegen vernachlässigt hat, der selbst bis auf seinen Lebensunterhalt völlig von ihm abhing. Denn am ersten Abend meiner Ankunft in Sansibar erfuhr ich, dass eine Karawane in Bagamoyo im Begriff stand abzureisen, um dem Dr. Livingstone Vorräte ins Innere zu bringen. Damals wusste ich noch gar nicht, ob es ein schweres oder leichtes Ding sei, eine Karawane ins Innere zu expedieren. Man kann sich daher meine Verwunderung leichter vorstellen, als ich sie zu beschreiben vermag, wie ich die Entdeckung machte, dass diese Karawane, die nur 35 Mann brauchte und vom britischen Konsul abgeschickt worden war, Sansibar am 1. oder 2. November 1870 verlassen hatte und sich noch am 10. Februar 1871, also volle hundert Tage, in Bagamoyo im Lager befand.
Ungefähr am 10. Februar verbreitete sich das Gerücht in den Bazaren von Bagamoyo und von dort aus in meinem Lager, dass der »Balyuz« (technischer Ausdruck für Gesandter) nach Bagamoyo kommen werde, um den Abgang der Livingstone-Karawane zu beschleunigen. An demselben Abend nun oder am nächsten Morgen ging dieselbe aus Furcht ins Innere ab, aber nur mit vier Mann Begleitung.
Bagamoyo hat ein sehr angenehmes Klima. Es ist in jeder Beziehung dem von Sansibar sehr vorzuziehen. Wir konnten in freier Luft schlafen und standen am Morgen erfrischt und gesund auf, um unser Frühbad im Meer zu genießen, und bei Sonnenaufgang waren wir schon mit verschiedenartigen Vorbereitungen für unsere Abreise beschäftigt. Unsere Tage wurden durch Besuche von den Arabern belebt, die auch nach Unyanyembé gehen wollten. Ferner kamen komische Szenen im Lager vor; bisweilen Kriegsgerichte, die über die Widerspenstigen abgehalten wurden; Boxkämpfe zwischen Farquhar und Shaw, die auch mein Einschreiten erforderlich machten, wenn sie gar zu hitzig wurden; hin und wieder ein Jagdausflug nach der Ebene und dem Fluss Kingani; gesellige Unterhaltungen mit dem alten Hauptmann und seiner Belutschenbande, die nie müde wurden, mich vor der Ankunft der Masika zu warnen und mir den Rat zu erteilen, mich so rasch wie möglich auf den Weg zu machen, ehe die Reisezeit vorüber sei.
John Shaw pflegte sehr verdrießlich zu werden, so oft diese Besuche von den schwarzen Magnaten von Bagamoyo stattfanden. Bei diesen Gelegenheiten war es nämlich meine erste Pflicht, nach der Sitte der Araber, ihnen Erfrischungen und Kaffee anzubieten, und zwar sie zuerst zu bedienen und dann erst das Präsentierbrett den Weißen darzureichen.
Ich bemerkte hierbei, dass Shaw sehr ungehalten aussah, und als ich mich nach der Ursache erkundigte, sagte man mir, ich habe ihn dadurch sehr beleidigt, dass ich die Araber oder »Niggers«, wie er sie zu nennen beliebte, eher als ihn, einen Weißen, habe bedienen lassen. Der arme Shaw war unwissend wie ein Kind in Bezug auf die ihm in jenem Land, nach welchem sich jetzt seine Gedanken richteten, noch bevorstehenden Widerwärtigkeiten. Was würde er nicht darum gegeben haben zu wissen, dass noch ganz andere Beschwerden, als diese seiner Farbe angetane Beleidigung, ihm auf dieser gefahrvollen Expedition bevorständen. Er bewies es deutlich, dass der ungebildete Angelsachse nicht geeignet ist, zu reisen und mit anderen Rassen in Verkehr zu treten.
Shaw und Farquhar
Im Verlaufe der Zeit fand ich, dass es notwendig war, Farquhar und Shaw voneinander zu trennen; denn der Letztere hatte keine Spur von Humor in seinem Wesen, aber eine sehr leicht verletzliche Eitelkeit und einen himmelhoch fliegenden, grenzenlosen Ehrgeiz.
Ich glaubte, Farquhar würde für sich allein viel besser daran sein als mit Shaw zusammen, der ohne Zweifel eine für Farquhars Charakter und Intelligenz höchst aufregende Manier hatte. Deshalb erwählte ich ihn dazu, die dritte Karawane ins Innere zu führen, und nachdem ich ihm dies angekündigt hatte, war der Friede sogleich zwischen den widerspenstigen Gegnern hergestellt.
Eines Abends ertappten wir einen Pferdejungen beim Diebstahl bei den Ballen, und da war denn die Jagd nach ihm ins Land, bis er sich in den Dschungeln unseren Blicken entzog, eine der angenehmsten Zerstreuungen, welche während unserer Vorbereitungen zum Marsch vorkamen.
Ich hatte jetzt vier Karawanen ins Innere abgesandt, und die fünfte, welche die Boote und Kasten, mein persönliches Gepäck und einige Zeug- und Perlenladungen befördern sollte, wollte ich selbst führen.
ZWEITES KAPITEL
Am 21. März, gerade 73 Tage nach meiner Ankunft in Sansibar, verließ die fünfte Karawane unter meiner Anführung und mit der Parole »Vorwärts« die Stadt Bagamoyo auf unserer ersten Reise nach Westen. Als der Kirangozi die amerikanische Flagge aufrollte und sich an die Spitze der Karawane stellte und Pagazis, Tiere, Soldaten und müßige Zuschauer sich in Reihen zum Marsch bereit gemacht hatten, sagten wir dem dolce far niente des zivilisierten Lebens, dem blauen Ozean, der uns den Weg in die Heimat eröffnete, den Hunderten von dunkelfarbigen Zuschauern, die sich versammelt hatten, um unsere Abreise mit wiederholten Musketensalven zu begrüßen, Lebewohl!
Unsere Karawane besteht aus 28 Pagazis mit Einschluss des Kirangozi oder Führers; aus 12 Soldaten unter Hauptmann Mbarak Bombay, welche 17 Esel und ihre Lasten zu beaufsichtigen haben; aus meinem jungen Dolmetscher Selim mit einem Esel und einem belasteten Karren; aus einem Koch und seinem Stellvertreter, der gleichzeitig Schneider und Gehilfe für alles ist und mein graues Pferd führt; aus Shaw, dem ehemaligen Steuermann, der jetzt in einen Führer des Nachtrabs und Aufseher über die Karawane verwandelt ist und, mit einer nachenförmigen Kopfbedeckung und Wasserstiefeln versehen, auf einem guten Reitesel sitzt, und schließlich aus mir selbst, auf dem herrlichen kastanienbraunen Pferd reitend (dem Geschenk des Herrn Goodhue, eines seit Langem in Sansibar lebenden Amerikaners), als »Bana Mkuba«, der »große Herr«, wie ich von meinen Leuten genannt werde, als Leiter, Reporter, Denker und Führer der Expedition.
Im Ganzen zählt die Expedition am Tag der Abreise 3 Weiße, 23 Soldaten, 4 Überzählige, 4 Hauptleute und 153 Pagazis, 27 Esel und 1 Karren, welche Zeuge, Perlen, Draht, Bootgerätschaften, Zelte, Kochgeräte, Schüsseln, Medizin, Pulver, Schrot, Musketen und Metallpatronen, Instrumente, kleine Lebensbedürfnisse wie zum Beispiel Seife, Zucker, Tee, Kaffee, Liebig’schen Fleischextrakt, Fleischkonserven, Lichte usw. transportieren, was alles in allem 153 Lasten ausmacht. Die Waffen der Expedition bestehen aus einem glatten, doppelläufigen Hinterlader, einer amerikanischen Winchesterflinte (einem sogenannten »Sechzehnschießer«), einer gezogenen Henryflinte (auch Sechzehnschießer), 2 Starr’schen Hinterladern, einem Jocelyn’schen Hinterlader, einer Elefantenflinte mit Kugeln, von denen 8 aufs Pfund gehen, 2 Revolvern mit Hinterladung, 24 Feuerschlossmusketen, 6 einläufigen Pistolen, einer Schlachtaxt, 2 Schwertern, 2 Dolchen (persischen Kummers, die ich selbst in Schiras gekauft habe), einem Sauspieß, 2 vierpfündigen amerikanischen Beilen, 24 Hacken und 24 Metzgermessern.
Wir verließen Bagamoyo, von den Blicken vieler Neugieriger verfolgt, mit vielem Eklat und zogen dann eine enge Gasse hinauf, welche durch das dichte Laub zweier parallel laufender Hecken von Mimosen fast in ein Dämmerlicht gehüllt war. Wir waren alle guten Mutes, die Soldaten sangen, der Kirangozi erhob seine Stimme