Wie ich Livingstone fand. Henry M. StanleyЧитать онлайн книгу.
ausgeht. Er muss sich eine Kiste mit Tee, einen kleinen Vorrat wohlverwahrter Leckerbissen, Arzneien, außerdem Flinten, Pulver, Kugeln mitnehmen, um, wenn nötig, auch verschiedene Kämpfe gehörig bestehen zu können. Er muss Leute haben, die ihm diese mannigfachen Gegenstände transportieren, und da das Höchste, was ein einzelner Mann tragen kann, nur 70 Pfund ist, so braucht man, um 11 000 Pfund zu transportieren, gegen 160 Leute.
Was für eine schwere Arbeit ist es aber für einen Einzelnen, eine solche Expedition in Bewegung zu setzen! Wenn der Tag vorüber und ich durch die Glühhitze einer unbarmherzigen Sonne von Laden zu Laden geeilt war, mich mit viel Ausdauer und Geduld für das Feilschen mit dem dunklen Hindu gerüstet, allen Mut und Witz zusammengenommen hatte, um den schurkischen Goanesen einzuschüchtern und dem listigen Banyanen ein Paroli zu bieten; wenn ich den Tag über ganze Bände zusammengesprochen, Abschätzungen korrigiert, Rechnungen gemacht, die Ablieferung von gekauften Gegenständen überwacht und sie gemessen und gewogen hatte, um zu sehen, dass sie vollgewichtig seien; wenn ich endlich die Aufsicht über Farquhar und Shaw geführt hatte, welche Eselsättel, Segel, Zelte, Boote für die Expedition machten – dann fühlte ich wohl, dass Körper und Geist der Ruhe bedurften. So mühte ich mich, ohne Unterlass, einen ganzen Monat ab.
Nachdem ich Tratten auf Herrn James Gordon Bennett im Betrag von mehreren Tausend Dollars für Zeuge, Perlen, Draht, Esel und tausend andere Bedürfnisse verhandelt, die weiße und schwarze Begleitung meiner Expedition besoldet, Kapitän Webb und seine Familie mehr als genug mit dem Lärm der Vorbereitung belästigt und sein Haus mit meinen Gütern angefüllt hatte, blieb mir nichts übrig, als formell von den Europäern Abschied zu nehmen und dem Sultan und den Herren, die mir beigestanden hatten, ehe ich mich nach Bagamoyo einschiffte, zu danken.
Ein seit langer Zeit in Sansibar lebender amerikanischer Kaufmann, Herr Goodhue von Salem, schenkte mir, als ich ihm Adieu sagte, ein edles kastanienbraunes Pferd, das vom Kap der Guten Hoffnung importiert und in Sansibar mindestens 500 Dollars wert war.
Am 4. Februar, 28 Tage nach meiner Ankunft in Sansibar, war die Expedition des »New York Herald« vollständig ausgerüstet und organisiert; die Zelte und Sättel waren fabriziert, die Boote und Segel fertig. Die Esel schrien und die Pferde wieherten ungeduldig nach der Reise.
Die Etikette verlangte, dass ich noch einmal meine Karte bei den europäischen und amerikanischen Konsuln in Sansibar abgab und jedermann Adieu sagte.
Am 5. ankerten vier Dhauen vor dem amerikanischen Konsulat; in eine derselben wurden meine zwei Pferde gebracht, in zwei andere die Esel, in die vierte, welche die größte war, die schwarze Begleitung und die viel Raum einnehmenden Tauschwerte der Expedition.
Als ich eben den Befehl zur Abfahrt erteilen wollte, fehlten die beiden Weißen, Farquhar und Shaw. Nach eifriger Nachforschung fand man sie irgendwo in den Schenken, in Gesellschaft von etwa einem Dutzend guter Kameraden. Dort hielten sie Reden über die Größe der Kunst, Afrika zu erforschen, und suchten sich vermittelst des Branntweins die schrecklichen Vorahnungen abzuwehren, welche sich ihnen heimtückisch hin und wieder aufdrängten und ihnen warnend zuraunten: es könne doch in den neuen Ländern, die sie kennenlernen sollten, trotz aller Romantik, mit der die Phantasie dieselben ausstatte, etwas stecken, was … nun was … –
»Kerls, macht, dass ihr sofort in die Dhauen kommt! Das ist ein schlechter Anfang, nachdem ihr eure Kontrakte unterzeichnet habt«, sagte ich, als ich sie in Gesellschaft von Bombay und vier bis fünf Mann von der neu angeworbenen Eskorte zum Ufer wanken sah.
»Bitte, Herr, darf – darf – darf ich Sie wohl fragen, glauben Sie, dass ich ganz richtig gehandelt habe, als ich Ihnen versprach, Sie nach Afrika zu begleiten?«, fragte Shaw in zögerndem und bewegtem Ton.
»Habt ihr nicht vorausbezahlt bekommen? Habt ihr nicht den Kontrakt unterzeichnet?«, fragte ich. »Und jetzt wollt ihr euch zurückziehen? Macht, dass ihr ins Boot kommt, rasch! Jetzt sind wir alle daran gebunden und müssen zusammen schwimmen oder untergehen, leben oder sterben. Keiner darf sich seiner Pflicht entziehen!«
Kurz vor 12 Uhr segelten wir ab. Die amerikanische Flagge, ein Geschenk der gütigen Frau Webb an die Expedition, wurde am Mast gehisst; der Konsul, seine Frau und seine prächtigen Kinderchen Mary und Charley befanden sich auf dem Dach ihres Hauses und schwenkten das Sternenbanner sowie Hüte und Taschentücher mir und den Meinigen als Abschiedsgruß zu.
Langsam entzog sich die Insel Sansibar mit ihren Hainen von Kokospalmen und Mangobäumen, von Gewürznelken und Zimmetstauden und den gleichsam Schildwache haltenden Inselchen Tschumbi und French, mit ihrer weiß getünchten Stadt und ihren Düften von Johannisbrot, mit ihrem Hafen und den Seeschiffen unserem Blick, und im Westen erhob sich der afrikanische Kontinent, ein in Grün gehülltes Gestade, das dem ähnlich ist, welches zurückweichend sich jetzt in eine bloße sich über dem Horizont hinschlängelnde Linie verwandelt hat, und erschien in nördlicher Richtung als hohe Bergkette. Die Entfernung von Sansibar nach Bagamoyo ist ungefähr 25 englische Meilen, aber die langsamen, schwerfälligen Dhauen brauchten 10 Stunden, ehe sie auf dem Korallenriff ankerten, welches wenige Fuß über dem Wasserspiegel, ungefähr 100 Meter von dem Ufer entfernt, sichtbar ist.
Bagamoyo
Die neu angeworbenen Soldaten, die Lärm und Aufregung liebten, gaben wiederholte Salven, um die am Ufer angesammelten Araber, Banyanen und Wasawahili zu begrüßen, die dort standen, um die Musungu (Weißen) zu empfangen, was sie durch allgemeines Angaffen und ein im Chor gebrülltes »Yambo, Bana« (wie befinden Sie sich, Herr?) taten. Unter den Ersten, die uns hier begrüßten, war ein Pater der Gesellschaft des Heiligen Geistes, der mit den anderen Jesuiten unter dem Superior Horner einen Missionsposten von bedeutendem Einfluss und Verdienst in Bagamoyo eingerichtet hat. Sie luden uns ein, von der Gastfreundschaft der Mission Gebrauch zu machen, unsere Mahlzeiten dort einzunehmen und, wenn wir es wünschten, unser Lager auf ihrem Grund und Boden aufzuschlagen. Aber wie liebenswürdig auch immer eine Bewillkommnung und wie aufrichtig herzlich eine Einladung sein mag, ziehe ich doch, wo es möglich ist, die Unabhängigkeit der Abhängigkeit vor. Deshalb sagte ich dem gastfreundlichen Pater, dass ich mich nur auf eine Nacht von meinem Lager entfernen könne.
Ich suchte ein Haus nahe der westlichen Umgebung der Stadt aus, wo ein großer, offener Platz liegt, durch den die Straße nach Unyanyembé führt. Wäre ich einen ganzen Monat in Bagamoyo gewesen, so hätte ich keinen besseren Platz auswählen können. Meine Zelte wurden gegenüber dem Tembé (Haus), das ich mir ausgesucht hatte, aufgeschlagen und schlossen einen kleinen Platz ein, wo man Geschäfte abmachen, Warenballen nachsehen, untersuchen und signieren konnte, ohne von der Zudringlichkeit Neugieriger belästigt zu werden. Nachdem ich die 27 Tiere der Expedition in einen eingehegten Platz hinter dem Hause hatte treiben lassen, die Güterballen aufgespeichert und einen Kordon von Soldaten herumgestellt hatte, begab ich mich, müde und hungrig, in die Jesuitenmission, um ein spätes Mittagessen einzunehmen, und ließ das neu gebildete Lager unter Aufsicht der Weißen und des Kapitäns Bombay.
Die Missionsanstalt ist eine gute halbe Meile nördlich von der Stadt entfernt; sie bildet eigentlich ein Dorf für sich und zählt ungefähr 15–16 Häuser. Mehr als 10 Patres und ebenso viele Schwestern sind dort in der Niederlassung beschäftigt, und alle haben sie genug damit zu tun, den Schädeln der Eingeborenen das Feuer der Intelligenz zu entlocken. Die Wahrheit zwingt mich zu sagen, dass sie dabei schöne Erfolge erzielt haben. Sie haben in der Anstalt mehr als 200 Zöglinge, sowohl Knaben als auch Mädchen, und diese tragen, vom ältesten bis zum jüngsten, das Gepräge der brauchbaren Erziehung, die sie erhalten haben, an sich.
Das Lager in Bagamoyo
Das für die Väter und ihren Gast bereitete Mittagessen bestand aus ebenso viel Schüsseln, wie ein Hotel erster Klasse in Paris sie zu geben pflegt, und war mit ebenso viel Kunst gekocht, obwohl die Umgebungen keineswegs die gleichen waren.
Nach dem Abendessen, das mir die fehlende Kraft wiedergegeben hatte und für das ich außerordentlich dankbar war, kamen die fortgeschrittensten Zöglinge,