Butler Parker 129 – Kriminalroman. Günter DöngesЧитать онлайн книгу.
Parker. Ich habe die Ehre und auch das Vergnügen, der Butler Lady Simpsons sein zu dürfen. Sie finden meine bescheidene Person im ›Norman House‹, wo Mylady eine Suite bezogen hat.«
*
Sie stand auf dem Pier und schaute auf die See hinaus.
Sie war etwa fünfundzwanzig Jahre alt, groß und schlank. Daß die Männer sich liebend gern nach ihr umdrehten, wußte sie längst. Ihr langes, rehbraunes Haar unterstrich das Oval ihres Gesichts, das ein wenig exotisch wirkte. Sie hatte ausdrucksvolle, dunkle Augen, die auf den ersten Blick an die eines etwas scheuen Rehs erinnerten. Sie hieß Kathy Porter und war die Sekretärin und Gesellschafterin der Lady Agatha Simpson.
Gleich nach ihrer gemeinsamen Ankunft in Bournemouth hatte Kathy Porter die ältere Dame zu Sir Edward begleitet, sich dann aber von ihr verabschiedet, da Sir Edward um eine sehr vertrauliche Unterredung gebeten hatte. Kathy war hinunter zum Strand gegangen und vertrieb sich auf dem Pier ein wenig die Zeit. Bis zur Rückkehr verblieben ihr noch gut dreißig Minuten.
Das Wetter war ausgezeichnet. Die Sonne verschwendete sich förmlich. Im vom Golfstrom aufgeheizten Seewasser tummelten sich die Badefreudigen. Weiter draußen waren Segel- und Motorboote zu sehen. Friedlicher und urlaubsgestimmter konnte das allgemeine Bild gar nicht sein.
Kathy wollte gerade zurück zum Strand gehen, als sie einen spitzen Schrei hörte.
Sie fuhr herum, sah, wie sich an der äußersten Spitze des Piers eine Menschentraube bildete und lief automatisch auf diese Gruppe zu. Dabei zeigte sich die pantherhafte Geschmeidigkeit ihrer Bewegungen. Sie verriet, wie durchtrainiert dieser schlanke Körper war und welche Kraft in ihm war. Als sie die Menschen erreicht hatte, hörte sie aufgeregtes Stimmengewirr. Draußen auf See schien sich ein Unglück ereignet zu haben.
»Ist was passiert?« fragte sie einen kleinen dicklichen Mann.
»Ein Hai«, lautete die überraschende Antwort. »Sehen Sie doch! Dort, rechts vom Schwimmfloß, streicht ein Riesenhai herum.«
Kathy Porter wußte nun, worauf sie ihre Aufmerksamkeit zu richten hatte. An einen Riesenhai glaubte sie natürlich nicht. In diesen Breiten kamen diese Meeresräuber nicht vor.
Doch dann traute sie ihren Augen nicht mehr.
Sie sah eine weißlich glänzende, riesige Dreiecksflosse, die nur von einem Hai stammen konnte. Dieses Monster umkreiste das Schwimmfloß und beobachtete die ängstlichen Menschen, die sich auf die schwimmende kleine Insel gerettet hatten. Das viereckige Floß war überlastet und drohte seitlich wegzukippen. Das Geschrei der Menschen war deutlich zu vernehmen.
Einige Motorboote steuerten das Schwimmfloß an, doch sie waren leider noch zu weit entfernt, um das Unglück verhüten zu können, das sich von Sekunde zu Sekunde immer deutlicher anbahnte. Das überlastete Badefloß kippte immer mehr ab. Die Menschen darauf waren längst in Panik geraten und kämpften um einen halbwegs sicheren Platz.
Die Dreiecksflosse war für einen Augenblick verschwunden gewesen, tauchte dann aber wieder auf und zog immer engere Kreise um das Badefloß. Dieser Rückenflosse nach zu urteilen, mußte es sich um ein Ungeheuer handeln.
Dann geschah das schreckliche Unglück.
Das Floß, einseitig belastet, schlug um. Es bäumte sich noch mal auf, sprang förmlich einen halben Meter aus dem Wasser und klatschte auf die im Wasser treibenden Menschen.
Die Zuschauer auf dem Pier waren ruhig geworden. Wie gebannt starrten sie auf die weißliche Dreiecksflosse, die sich in rasender Geschwindigkeit den im Wasser treibenden Opfern näherte. Der Riesenhai ging zum Angriff über und wollte sich eine leichte Beute holen.
Kathy Porter merkte, wie ihre Hände sich verkrampften. Sie hörte Schreie, sah, wie die Schwimmer in wilder Hast nach allen Seiten auseinanderstrebten, und bemerkte leider auch, wie einer dieser Menschen plötzlich seine Arme in die Luft streckte.
Der Riesenhai hatte sein Opfer gefunden.
Der Schwimmer wurde unter Wasser gezogen, die Dreiecksflosse glänzte noch mal auf, um dann zu verschwinden.
Inzwischen waren die ersten Motorboote heran. In fliegender Hast bargen sie die verzweifelten Badegäste, auf dem Pier wurden einige Beobachter ohnmächtig, die kleine Dickliche neben Kathy Porter erlitt einen Herzanfall, keuchte, lehnte sich gegen die Brüstung und sackte dann auf die Knie.
Kathy konzentrierte sich auf die See.
Würde das Riesenmonster noch mal auftauchen? Nein, es blieb verschwunden. Kathy glaubte nur noch eine Art Wasserwirbel zu sehen, der wie eine Heckwelle in Richtung offene See verlief.
*
»Die briefliche Drohung, Mylady, dürfte damit bereits eingetreten sein«, stellte Butler Parker eine halbe Stunde später fest.
Lady Agatha, Kathy Porter und er befanden sich in der geräumigen Hotelsuite des »Norman House« und hatten ihre Beobachtungen ausgetauscht.
»Der Schwimmer wurde nach Augenzeugen tatsächlich von einem riesigen Hai angegriffen, zerfetzt und in die Tiefe gezogen«, wiederholte Kathy Porter noch mal. »Ich selbst habe es ja ebenfalls gesehen.«
»Papperlapapp«, ärgerte Mylady sich deutlich. »Einen Hai kann man nicht brieflich ankündigen. So etwas gibt es einfach nicht.«
»Dennoch scheinen zwischen erwähntem Brief und dem Hai enge Beziehungen zu bestehen, Mylady.« Parkers Stimme klang gemessen wie üblich. »Darüber hinaus möchte ich mir erlauben, auf jene weißen Haie hinzuweisen, die meinen Weg kreuzten.«
»Einen Hai kann man nicht dressieren«, stellte die ältere Dame klar. »Was haben Sie zu diesem Thema zu sagen, Mister Parker?«
»Ich möchte mir erlauben, mich Myladys Ansicht anzuschließen«, antwortete Parker. »Auf der anderen Seite sollte man natürlich unterstellen, daß es doch gewisse Methoden gibt, solch einen Hai zu kontrollieren.«
»Und welche, Mister Parker?« fragte die resolute Sechzigerin grimmig.
»Dies, Mylady, entzieht sich leider meiner Kenntnis«, schickte der Butler voraus. »In diesem Zusammenhang aber darf ich darauf verweisen, daß man Versuchstieren Elektroden ins Hirn pflanzt und durch Stromstöße gewisse Reaktionen wie Angst oder Aggression auslöst.«
»Scheußlich«, entrüstete Agatha Simpson sich. »Warum experimentieren diese Wissenschaftler nicht mit ihrem eigenen Gehirn?«
»Ob man auch einem Hai solche Elektroden einpflanzen kann?« fragte Kathy Porter.
»Dies, Miß Porter, sollte man sich von kompetenten Personen erklären lassen«, gab der Butler zurück. »Bedenklich ist allerdings die Tatsache, daß der im Brief angekündigte Hai auch prompt erschien. Ich darf meiner tiefen Sorge Ausdruck verleihen, daß mit weiteren Briefen und Haiattacken zu rechnen ist.«
»Und wo ist das Motiv?« wollte Lady Agatha wissen.
»Man sollte mit einer massiven Erpressung rechnen«, erwiderte Josuah Parker würdevoll. »Dabei dürfte es um horrende Summen gehen, wenn ich mich nicht sehr täusche.«
»Nannten sich diese Lümmel, mit denen Sie zu tun hatten, nicht auch weiße Haie?« Lady Agatha sah ihren Butler erwartungsvoll an.
»Ein Sergeant der Polizei erwähnte diesen Namen, Mylady.«
»Sehr schön.« Agatha Simpson freute sich. »Diese Subjekte scheinen mit dem echten Hai in Verbindung zu stehen.«
»Dies, Mylady, sollte man in der Tat nicht ausschließen.«
»Dann werden wir uns mit diesen Flegeln mal gründlich befassen«, sagte die Detektivin unternehmungslustig. »Wissen Sie, Mister Parker, wo wir sie finden können?«
»Sie werden sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit freiwillig präsentieren und einfinden, Mylady. Ihre Rachesucht dürfte inzwischen echt ausgeprägt sein.«
»Und ich werde mir von Sir Edward die Adresse eines Wissenschaftlers geben lassen, der sich mit Tieren und Elektroden