Mami Staffel 7 – Familienroman. Lisa SimonЧитать онлайн книгу.
begann sie in Windeseile den Tisch abzuräumen, während Melinda wie ein gefangener Tiger am Gartenzaun auf und ab lief.
Sie hätte der Nachbarin gern noch irgendeine Bosheit an den Kopf geworfen, aber leider gab ihr Roberta keine Gelegenheit mehr dazu. Sie verschwand einfach im Haus und ließ Melinda mit ihrer schlechten Laune allein.
Schließlich kehrte Melinda in ihr eigenes Haus zurück und veranstaltete dort einen solchen Lärm, daß Stephan, der bisher selig geschlafen hatte, beinahe aus dem Bett fiel.
Er mußte dann für den Rest des Morgens den Blitzableiter für Melindas schlechte Laune spielen.
*
Die Kinder wirkten mürrisch, als sie schließlich, beladen mit ihren Strandsachen, in der Küche erschienen.
»Nun laßt euch doch von dieser dummen Frau nicht die Laune verderben«, versuchte Roberta sie aufzumuntern. »Es gibt Leute, die müssen sich über jede Kleinigkeit aufregen. Am besten ist es, man kümmert sich gar nicht darum.«
Die beiden wechselten beredte Blicke miteinander, dann trat Willy vor und sah seine Tante aufmerksam an.
»Du hast gesagt, daß wir heute einen Bollerwagen kaufen«, begann er hoffnungsvoll.
Roberta fiel ein Stein vom Herzen. Das war es also, was die beiden bewegte. Nun, dem war abzuhelfen.
»Aber natürlich, das hatte ich ja ganz vergessen!« beeilte sie sich zu versichern. »Nun, dann müssen wir natürlich erst einmal in die Stadt fahren und einkaufen. Legt eure Sachen einfach in der Diele ab, und dann geht die Reise los.«
Lautes Gejuche dankte ihr für diese Zusage. Keine fünf Minuten später sah man das Trio, gefolgt von Anni, die überall dabeisein mußte, in den Ort radeln.
In der Innenstadt herrschte der übliche Touristenrummel. Jetzt, während der Hauptsaison, war die Insel natürlich dicht bevölkert. Urlauber in bunter Freizeitkleidung belebten die hübschen gepflasterten Sträßchen oder kurvten mit den Trollys durch die Gegend, wobei die meisten dieser vier- bis sechsitzigen Fahrradkutschen von schwitzenden Familienvätern gesteuert wurden.
Die drei stellten ihre Räder im Kurhaus ab und spazierten dann die Kampstraße entlang, direkt in die City, wo sich der »Windjammer« befand, ein Krimskramsladen, in dem man alles mögliche kaufen konnte.
Die Kinder verliebten sich augenblicklich in einen massiven Holzbollerwagen mit dicken Reifen, der groß genug war, um die Zwillinge und deren Badesachen zu transportieren. Stolz zogen ihn die Kinder anschließend durch die Straßen und wären damit am liebsten sofort an den Strand gegangen, aber Roberta konnte sie überreden, mit ihr noch ein paar Einkäufe zu tätigen.
Es war nicht viel, was sie be-nötigten. Frisches Gemüse, Brot und Bratwürstchen, die diesmal allerdings nicht in Annis Magen landen sollten. Die Kinder trabten artig von Geschäft zu Geschäft und bestanden darauf, daß alle Taschen im Bollerwagen verstaut wurden, den sie dann mit stolzen Besitzermienen gemeinsam durch die Stadt zogen.
Die Zeit war schneller vergangen, als Roberta geplant hatte. Als sie einmal zufällig auf die Uhr sah, stellte sie erstaunt fest, daß bereits die Mittagsstunde gekommen war.
»Wir wär’s mit einem Imbiß in der ›Börse‹?« schlug sie vor, worauf die Zwillinge ein lautes Freudengeheul anstimmten.
Essen gehen war eine Leidenschaft der beiden, die sie mit vielen Kindern teilten. Es gab nichts schöneres für sie, als in ein Lokal zu gehen und sich dort etwas Leckeres aussuchen zu dürfen.
Zwar blieb es meistens bei Pommes rot/weiß, aber die Möglichkeit, fast alles auswählen zu können, worauf man eventuell Lust haben könnte, war das eigentlich Ver-lockende an der Geschichte.
Die »Börse« befand sich im Herzen der Innenstadt. Ein Bistro, das von den Besitzern, immer der Jahreszeit entsprechend, äußerst üppig und phantasievoll dekoriert wurde.
Hier bekam man den besten Salat von ganz Norderney. Voller Vorfreude stiegen die drei die wenigen Stufen zum Eingang hinauf und traten durch die schöne altmodische Glastür.
Hier blieben sie erst einmal stehen, um die neue Deko zu bewundern, die erst vor wenigen Tagen fertig geworden war. Überall hingen bunte, getrocknete Sommersträuße, kleine Spielzeugstrandkörbe, Rettungsringe und Fischerboote. Und das alles so üppig und kunstvoll mit Bändern und Gräsern und diversen anderen Materialien geschmückt, daß man glaubte, in eine andere Welt einzutauchen.
Vor allem aber schafften es die Besitzer immer wieder, den Raum gemütlich, aber nicht kitschig wirken zu lassen. Wer einmal in der »Börse« war, kam immer wieder gern dorthin zurück.
Allerdings gab es ein kleines Problem: Der Platz! Auch jetzt waren sämtliche Tische besetzt. Auch am Tresen war kein freier Hocker mehr zu ergattern. Aber das Trio hatte Glück. Nachdem sie ihre Besichtigung abgeschlossen hatten, erhob sich an einem der Vierertische auf der Empore ein Pärchen und überließ den dreien die freigewordenen Plätze.
Julchen und Willy lasen erst einmal ausgiebig die Speisekarte, wäh-rend die freundliche Bedienugn schon mal Limo und für Roberta einen Kaffee brachte. Dann, nach eingehenden Studien, entschlossen sich die Zwillinge, Pommes rot/-weiß zu nehmen, während sich Roberta für einen bunten Sommersalat entschied.
»Schön.« Julchen strahlte übers ganze Gesicht, während sie sich aufmerksam im Raum umsah. »Tante Robbi, das sind die tollsten Ferien, die wir je hatten.«
»Wuff« machte Anni leise, die unterm Tisch lag. Sie war ein ausgesprochen gutmütiges Tier, das mindestens so gern Lokale besuchte wie die Kinder.
Die drei brachen in heiteres Ge-lächter aus, das ihnen allerdings im Halse stecken blieb, als sich die Tür erneut öffnete und Stephan Hollrieder das Bistro betrat.
Er hatte einen scheußlichen Vormittag hinter sich und war schließlich entnervt vor Melindas mieser Laune geflohen. Jetzt hoffte er, hier einen gemütlichen, ungestörten Brunch einnehmen zu können.
Seine Blicke wanderten über die Köpfe der Anwesenden hinweg, auf der Suche nach einem freien Plätzchen. Schade! Er hatte sich so auf das Essen im Bistro gefreut. Alle Kollegen, die schon mal auf Norderney gewesen waren, hatten ihm dringend geraten, ja einmal in die »Börse« zu gehen. Und jetzt?
Sollte er mit der Touristen-Abfütterstation um die Ecke vorliebnehmen? Beim Gedanken an fettige Pommes und schlabberiges Schaschlik hob sich seine Laune keineswegs. Ihm war nach Naschen und Leckereien zumute.
»Oje, der Hohlroller.« Willy machte sich auf seinem Stuhl ganz klein, damit der Nachbar bloß nicht auf ihn aufmerksam wurde. Aber es war zu spät. Stephan hatte das Trio bereits entdeckt.
Ob er grüßen sollte? War sicherlich vernünftiger. Immerhin hatte er sich mit dieser Frau ja noch nicht in die Haare bekommen. Also deutete er mit einem Kopfnicken an, daß er Roberta gesehen und erkannt hatte.
Blödmann, dachte sie ärgerlich. Aber dann hockte plötzlich ein winzig keines Teufelchen in ihrem Nacken und flüsterte ihr lauter verlockende boshafte Dinge ins Ohr. Ehe Roberta so recht wußte, was sie da tat, hatte sie auch schon die Hand gehoben und winkte Stephan heran.
Die Kinder straften sie mit einem entsetzten »Tante Robbi, doch nicht den!«
Zu spät. Stephan Hollrieder hatte sich bereits in Bewegung gesetzt und kam geradewegs an ihren Tisch.
»Hätten Sie vielleicht noch ein Plätzchen für mich?«
»Nein«, antworteten die Zwillinge wie aus einem Munde.
»Setzen Sie sich«, erwiderte Roberta freundlich, was ihr einen schmerzhaften Fußtritt gegen das Schienbein einbrachte. Die roten Ohren verrieten, daß Willy der Übeltäter war.
»Danke.« Stephan Hollrieder sank mit einem erleichterten Lä-cheln auf den Stuhl nieder. »Ich hatte schon gedacht, ich müßte in den Imbiß um die Ecke gehen. Da stapeln sich die pommeskauenden Familien. Brüllende Kinder, genervte Eltern und altes Fett, eine gefährliche Mischung.«
»Stimmt«,