Californische Skizzen. Gerstäcker FriedrichЧитать онлайн книгу.
desto sicherer zwischen beiden Reitern, gegen keinen den Angriff ausführen könne, ohne von dem Andern zurückgehalten zu werden; Valentin aber, durch den Cognac schon vorher und die glückliche Jagd jetzt erregt, warf seinen Arm empor und winkte dem zweiten Reiter, den Stier in Ruhe zu lassen. Nur den Hals seines schnaubenden, zitternden Thieres klopfend, erwartete er mit triumphirendem Lächeln die nächste Bewegung des gefangenen, aber keineswegs gebändigten Feindes.
Jetzt sprang der Stier, der sich von der ersten Betäubung seines Sturzes erholt, empor, und dicht vor sich den Gegner erblickend, der es gewagt ihm zu trotzen, legte er die Hörner ein und stürmte wild gegen ihn an. Das aber hatte der Indianer nur erwartet, und das Pferd mit der linken Hand, mit der er die Mähne desselben gefaßt hielt, leicht regierend, galopirte er, den Lasso in seiner vollen Länge und mit dem immer wüthender werdenden Thiere Schritt haltend, vor ihm hin, der Arena wieder zu. Zweimal versuchte der Stier zur Seite auszubrechen, als er fand daß er den flüchtigen Reiter nicht einholen konnte, immer aber riß ihn der Lasso wieder zurück in die halb freiwillige, halb gezwungene Bahn, und jeder Ruck reizte die Wuth des Gefangenen nur auf’s Neue, und machte ihn der stets sicher geglaubten und stets wieder entgehenden Beute folgen.
So näherte sich das wunderliche Paar, von einer Masse von Zuschauern, die dem kecken Indianer zujubelten, umdrängt, dem Eingang der Arena, der von den Mexikanern schon geöffnet worden. Ungeduldig winkte Valentins Arm dabei ihm Raum zu geben, und sein wilder Blick überflog halb forschend, halb unruhig das Innere des Kampfplatzes, in das er den furchtbaren, zur äußersten Wuth gereizten Gegner lockte. Aber die Einrichtung der Umzäunung, deren gegenüberliegende und den Ausgang bildende Balken jetzt noch befestigt waren, schien ihn zu befriedigen und dicht vor dem offenen Thor, hinter dem versteckt zwei Leute postirt waren, es zu verschließen, sobald sich der Stier wieder im Innern befand, hielt er an, und schien das mit gesenkten Hörnern auf ihn einprallende Thier ruhig zu erwarten, dessen nächster Sprung auch kaum anders als tödtlich für ihn sein konnte. Das eigene wackere Roß zitterte dabei unter ihm und warf den schönen Kopf scheu zurück, aber wich nicht, wenn auch zügellos, vom Platz, der fast unvermeidlichen Gefahr zu entgehen.
Ein wilder Schrei der Angst zuckte aus fast jeder Brust, als der wüthende Stier die Hörner senkte, sie im nächsten Moment in die Weichen des bebenden Rappen zu stoßen, als das Roß, von der Hand des Reiters gehoben, herum und in wenigen Sätzen die Arena durchflog. Der Stier war dicht hinter ihm und in demselben Augenblick, als es im steilen Ansprung, dem wilden Stier fast aus den Hörnern heraus, die Barriere überflog, preßte des Indianers Knie gegen den Sattel und schnellte die schlanke Gestalt des Wilden auf den Stier zurück, der mit voller Wucht gegen den untersten Querbalken anrennend, halb betäubt von dem furchtbaren Stoß zurücktaumelte.
Als der Indianer von ihm zurücksprang und das schwarze lange Haar seine Stirn wild umflatterte, unter der nur die dunklen Augen in wildem, triumphirendem Feuer vorblitzten, hielt er in der Rechten ein blankes, kurzes Messer und in der Linken den durchschnittenen Lasso, den er mit einem kurzen jubelnden Lachen gegen die ihren Sinnen kaum trauenden Zuschauer emporhob.
Der Lärm und Jubelruf aber, der sich jetzt erhob, ist kaum zu beschreiben. — Mit stockendem Athem hatten die entsetzten Zuschauer den vermeintlichen Sturz des tollkühnen Indianers gesehn und das für sein Verderben gehalten, was nur die keck ausgeführte That des unübertroffenen Reiters gewesen, und das Beifallsgeschrei wollte kein Ende nehmen.
In Californien klatscht das Publikum bei solchen Gelegenheiten aber nicht blos in die Hände, sondern gibt dem, der sich seine Herzen zu gewinnen wußte, auch praktischen Beweise seiner Zufriedenheit. Es ist nämlich Sitte und Gebrauch dort bei solchen Kämpfen, wie sogar beim Tanz, den Mädchen Geld zuzuwerfen, und harte Silber-Dollar wie sogar goldene Unzen regnen häufig in den Saal, wenn eine Schöne beim Fandango die Herzen der Umstehenden zu entzünden wußte, und die tanzende Señorita muß dann das silberne oder goldene Lob selbst auflesen nach ihrem Tanz, als Dank für die Geber.
In solcher Weise machte sich auch der Jubel der jauchzenden Zuschauer Luft, und von allen Seiten hagelten Silber-Dollar in die Mitte der Arena, und selbst nach dem Kopf des Stieres, der sich jetzt wieder erhoben hatte und die Stirn dem siegreichen Feinde zuwandte.
„Gracias, muchas gracias caballeros!“ lachte aber der Indianer als er den reichen Segen auf sich niederströmen sah, und den Hut aufnehmend, der ihm beim Sprung vom Kopf gefallen war, und jetzt neben ihm lag, begann er vollkommen kaltblütig die Dollars zusammenzulesen, als der Stier zum neuen Angriff wieder zornig auf ihn einstürmte.
„Wehr’ dich — wehr’ dich, Valentin!“ ertönte es von allen Seiten, und der kecke Bursche hielt es dabei kaum der Mühe werth, den Kopf etwas zu wenden, daß er die Bewegungen des Anstürmenden beobachten konnte. Dicht vor ihm glitt er ihm aber wie eine Schlange aus dem Weg, und hatte wohl zwanzig Dollar in seinen Hut geworfen, als der Stier zum zweitenmal, und wieder vergebens, gegen ihn anprallte.
Der Jubel des Publikums stieg mit jeder Bewegung des jetzt durch den getrunkenen Cognac wie durch Aufregung mehr und mehr belebten Indianers. Seine Augen blitzten und funkelten, seine ganze Gestalt hob sich und wurde größer, und die Gefahr, die Andere für ihn fürchteten, schien er mit seinem trotzigen Lachen nur immer auf’s Neue herauszufordern.
Der Stier selber stutzte aber jetzt über die Ruhe des Feindes, der ihm trotzig und lachend gegenüberstand, und wühlte den Staub auf mit Vorderhuf und Horn, in grimmer, machtloser Wuth.
„Mira aqui compañero,“ lachte da der Indianer und schritt auf den jetzt trotzig und erstaunt und nur zum neuen Angriff Zurückweichenden zu — mira aqui — „sieh’ die prächtigen Dollar!“ und eine Handvoll herausgreifend, begann er sie vor dem wüthenden Thier in den Sand zu zählen.
„Eins, — zwei, drei, vier — halt amigo, nicht so hitzig, oder ich verzähle mich — fünf, sechs, sieben, acht — was für großmüthige Gönner, — neun, zehn, elf — zwölf, dreizehn — oh, der Teufel!“ und mit dem lachenden Ausruf war er genöthigt den Hut fortzuwerfen, den der wüthende Stier unter die Hufe trat, und auf Flucht zu denken, denn die scharfen Hörner des Feindes drohten ihm in wohlgemeinten Stößen Verderben. Valentin wich ihnen aber in tollkühnem Muthe nur eben weit genug aus, nicht berührt zu werden, und den Hut aufgreifend, kehrte er schon wieder zu seiner alten Beschäftigung zurück, als der gereizte Stier noch schnaubend die Arena durchrannte, ihn zu finden.
Wieder begann er jetzt sein Zählen, dicht vor den Hörnern des Wüthenden, bald hier, bald dort hinüberspringend, wie ihn der Angriff zwang, aber stets die Gefahr durch eine anscheinend nur unbedeutende Bewegung des Körpers, der er noch dazu den Ausdruck des Tanzes gab, vermeidend, daß immer neuer Jubelruf die Luft erfüllte, und mancher Dollar noch zu ihm hinüberflog. So ermüdete er zuletzt den Gegner, daß dieser mit dumpfem Brüllen stehen blieb und es ruhig geschehen ließ, wie ihn das schwache Menschenkind vor seinen Augen verhöhnte. Und der Indianer sang und tanzte, und zählte die Dollar in den Sand und lachte und schrie dazu, und trieb die wunderlichsten Streiche, die der Stier nur manchmal mit einem neuen Angriff auf Secunden unterbrechen konnte.
Die mexikanischen Preiskämpfer waren indessen nur mit eifersüchtigem, wenn auch machtlosem Grimm Zeugen des Triumphs der Rothhaut gewesen, und Einer von ihnen sprang jetzt ebenfalls in die Arena, rief dem Indianer zu, sein Geld zusammenzulesen und stellte sich selber, den Kampf wieder zu beginnen.
Sein Empfang war gerade nicht ermuthigend, denn Zischen und Pfeifen begrüßte ihn, wie er nur den Sand berührte; der Stier aber, der hier einen neuen Gegenstand sah, an dem er seinen Grimm auslassen konnte, wandte sich von seinem alten Feinde ab und warf sich dem Neugekommenen wild entgegen.
Dieser, der beste seiner ganzen Gesellschaft vielleicht, empfing ihn ruhig und sprang ihm, seine Stirn selbst mit dem Fuß berührend, leicht über den Kopf. Dadurch gewann er sich wieder das Vertrauen der leicht bewegten Masse, und einzelne Beifallsbezeugungen, besonders von manchem seiner Landsleute, munterten ihn zu weiteren Versuchen auf.
„Bueno, compañero!“ rief Valentin, der indessen, die langen Haare aus seiner Stirn werfend, Zeuge der That gewesen war, aber keineswegs gesonnen schien, sich den Lorbeer des Tages so leicht entreißen lassen. „Bueno, aber das war Spaß, sieh’ hier!“ und mit den Worten stellte er sich