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Kult-Krimis: 26 Romane & Detektivgeschichten. Friedrich GlauserЧитать онлайн книгу.

Kult-Krimis: 26 Romane & Detektivgeschichten - Friedrich  Glauser


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sagen wollen. Und auch der alte Ellenberger wußte von der Sache?«

      »Vielleicht nachher. Der Cottereau hat auch zuerst gar nicht gewußt, daß ich den Witschi erschossen habe. Ich habe nur vorbeugen wollen, er sollte es Euch nicht gleich erzählen, daß er mich dort gesehen hatte.«

      »Wann hat er Euch erkannt?«

      »Wie ich ins Auto gestiegen bin. Da hat ihn auch der Augsburger gesehen, den Cottereau nämlich…«

      Jetzt eine Platte da haben! dachte Studer, und das Gespräch aufnehmen!

      »Warum habt Ihr den Augsburger im gestohlenen Auto nach Thun geschickt, damit er sich verhaften lassen soll? Denn das habt Ihr doch gewollt?«

      »Fragt nicht so dumm, Wachtmeister!« Es war der Gemeindepräsident, der sprach. »Natürlich hab ich ihn geschickt. Zwei Gründe: Er hätte von der Belohnung hören können, die Ihr habt ausschreiben lassen, und dann wollt ich Euch einen Strich durch die Rechnung machen. Wenn der Schlumpf gestand, so waret Ihr schachmatt, nid? Und Augsburger kannte den Schlumpf. Er sollte versuchen, mit ihm in Verbindung zu treten und ihm von Sonja ausrichten, es stünde schlecht und er müsse gestehen, sonst würden alle wegen Versicherungsbetruges verhaftet. Ich hab natürlich nicht erwartet, daß mir die Leute in Thun so entgegenkommen und den Augsburger mit dem Schlumpf in eine Zelle sperren. Wollt Ihr sonst noch etwas wissen? Der Augsburger hat schlecht geschwindelt, ich weiß es. Aber er hat keine große Erfindungsgabe, darum hat er alles auf den Ellenberger gewälzt.«

      »Ja, der Ellenberger«, sagte Studer, ganz freundschaftlich, so, wie man sich an einen Kollegen um Auskunft wendet. »Was haltet Ihr vom Ellenberger?«

      »Eh«, sagte Aeschbacher. »Ihr kennt doch diese Sorte Leute. Immer muß etwas gehen, immer müssen sie eine Rolle spielen, weil sie im Innern hohl sind. Das schwätzt, das macht sich interessant, das blagiert von marokkanischen Residenten, von Vermögen, das gründet den ›Convict Band‹ – das einzige, was ich am Ellenberger schätze, ist, daß er den Schlumpf gerne gemocht hat.«

      Schweigen. Es war fertig. jetzt kam das Schwerste. Wie sollte man nun die Verhaftung vornehmen? Man war schwach auf den Beinen, man war krank. Der Aeschbacher war ein großer schwerer Mann, das Telephon, mit dessen Hilfe man vielleicht den Murmann hätte herbeirufen können, stand in der andern Ecke, man hatte zwar einen Revolver in der Tasche, auch einen Verhaftbefehl hatte man. Aber…

      »Ihr studiert, Wachtmeister, wie ihr es am besten machen könnt, um mich zu verhaften? Oder nicht?« sagte da Aeschbacher mit ruhiger Stimme. »Macht Euch keine Sorgen. Ich komm mit nach Thun. Aber wir fahren mit meinem Auto, und ich fahre. Habt Ihr soviel Kurasch?«

      Aeschbacher hatte nicht nur Studers Gedanken erraten, er hatte auch des Wachtmeisters empfindliche Stelle getroffen.

      »Angst? Ich?« fragte Studer beleidigt. »Fahren wir!«

      »Ich… will… meiner… Frau noch Adieu sagen.« Die Worte kamen stockend. Studer nickte.

      An der Tür sagte Aeschbacher noch:

      »Bedient Euch, Wachtmeister…« und wies auf die Flaschen, die auf dem Tisch standen.

      Studer bediente sich. Dann sank er in seinen Stuhl zurück und schloß die Augen. Er war müde, hundsmüde. Er war gar nicht mehr stolz. Er kam nicht recht nach. Warum hatte der Aeschbacher alles zugegeben? Hatte er gemerkt, daß Studer der Einzige war, der von der ganzen Sache wußte? Bezog sich die Frage wegen der Angst auf diese Tatsache? Man würde sehen…

      Eigentlich hätte Studer noch ganz gerne einmal mit Frau Aeschbacher gesprochen. Was war das für eine Frau? Sie sprach so merkwürdig. Eine Ausländerin? Wo hatte der grobe Aeschbacher diese feine Frau aufgetrieben… Die las wohl keine Romänli in der Nacht, vielleicht spielte sie Klavier? Oder Geige? Das Kopfweh kam wieder. Aber nun war wohl bald alles zu Ende. Eigentlich hätte man einen Gefreiten von Bern verlangen können, um den Aeschbacher einzuliefern… Dann hätte man gleich ins Bett kriechen können. War es nicht besser, man ging dann heim und legte sich dort ins Bett? Es pflegte nicht schlecht, 's Hedy. Warum wollte er partout ins Spital?

      Da ging die Türe auf:

      »Wei mer go?« fragte Aeschbacher, so ruhig, als ob es sich um eine Spazierfahrt handle.

      Studer stand auf. Sein Mund war trocken. Er fühlte eine merkwürdige Leere im Magen und tröstete sich, das käme vom Fieber, vom Hunger, vom Trinken auf nüchternen Magen. Aber das Gefühl wollte nicht vergehen.

      Spritztour und Ende

       Inhaltsverzeichnis

      Wenn nicht die Hände gewesen wären, die großen, dicken Hände auf dem Lenkrad, die von Zeit zu Zeit zuckten, um den Wagen wieder in die Richtung zu bringen, hätte man meinen können, man säße neben einem steinernen Mann. Aeschbacher rührte sich nicht. Sein Mund war fest geschlossen, die Blicke geradeaus gerichtet. Der Scheibenputzer pendelte hin und her und schnitt in die trübe Scheibe eine geometrische Figur, die Studer an die Sekundarschule erinnerte.

      »Ist Eure Frau Ausländerin?« fragte er schüchtern, um das Schweigen zu brechen.

      Keine Antwort. Studer schielte nach seinem Begleiter. Da sah er, daß zwei große Tränen über die wulstigen Wangen liefen , im Schnurrbart versickerten, zwei neue kamen, verschwanden. Studer blickte scheu beiseite. Es sah tragisch und grotesk aus, wie so vieles im Leben.

      Eine Hand ließ das Steuerrad los, suchte in der Tasche. Schneuzen.

      »Verdammter Schnupfen«, tönte es heiser. »Sie ist in Wien aufgewachsen. Die Eltern waren Schweizer.«

      »Und was meint sie?« Studer hätte sich ohrfeigen können. So etwas sagt man doch nicht! Und es war wirklich ein Fehler. Denn plötzlich traf Studer ein Blick… Er war bösartiger, dieser Blick, als jener, den er damals im ›Bären‹ erhalten hatte. Wieweit war das weg! Studer sah die kurze Bewegung, mit der Aeschbacher die Karten fächerförmig auseinanderbreitete…

      Ganz ruhig kam nun die Stimme:

      »Das hättet Ihr nicht sagen sollen, Wachtmeister!«

      Die Straße lief am See entlang. Aber der See war fast nicht zu erkennen. Die ganze Straßenbreite lag dazwischen, dann kam eine niedere Mauer, und hinter der niederen Mauer sah man mit Mühe eine große feuchte Ebene, grau, grau, verschwommen, kalt. Das Auto fuhr langsam.

      Wie spät war es eigentlich? Studer wollte seine Uhr ziehen, er hatte schon Daumen und Zeigefinger in der Westentasche versenkt, da hörte er eine ganz fremde Stimme sagen – und sie hatte gar keine Ähnlichkeit mehr mit der Stimme des Ansagers vom Radio Bern:

      »Use, los! Sonst…«

      Studers Uhr flog aus der Westentasche, seine rechte Hand umkrampfte den Griff der Türklinke, drückte sie nieder, riß sie in die Höhe (wie funktionierte nur so eine Klinke?), Studer warf seinen massiven Körper mit aller Gewalt gegen die Tür, sie sprang auf, er flog auf die Straße, blieb mit einem Fuß an der unteren Türkante hängen, wurde ein Stück mitgeschleift. Seine Schulter, sein Kopf prallten gegen etwas Hartes, ein riesiger Schatten war über ihm, verschwand… Und dann wurde es endgültig dunkel.

      »Nein, jetzt wird nicht mikroskopiert«, sagte eine tiefe Stimme. Es war Nacht. Irgendwo brannte ein grünes Licht. Studer versuchte verzweifelt, sich zu erinnern, wo er die Stimme schon einmal gehört hatte.

      »Pikrin…« flüsterte Studer. Er hörte ein Lachen.

      »Der verdammte Fahnder, nie kann er Ruh' geben. Passen Sie auf, Schwester. Wie gesagt, alle Stunden Coramin, alle drei Stunden Transpulmin, verstanden? Gott sei Dank, ist er noch ein fester Kerl. Es ist kein Spaß, wenn man zwei Frakturen hat und dazu noch…«

      Weiter hörte Studer nichts. Es war doch einmal ein schwarzer Vorhang dagewesen, jetzt aber senkte sich ein roter über ihn, es rauschte, Glocken läuteten. Der Whisky war scharf. Das gab Durst. Wie hatte doch der See ausgesehen? Eine weite Ebene


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