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Edgar Wallace-Krimis: 78 Titel in einem Band. Edgar WallaceЧитать онлайн книгу.

Edgar Wallace-Krimis: 78 Titel in einem Band - Edgar  Wallace


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nannte, so gab er diese Eigenschaft eher zu, als daß er sie in Abrede stellte. Er behauptete, daß er sich mit niemand so offen unterhalten könne wie mit seinem Spiegelbild, vor dem er sich sicher fühlen dürfe.

      Er war mit Recht vergnügt und fröhlich. Jeden Tag machte er weitere Fortschritte, so daß Doris Gray mehr und mehr unter seinen Einfluß, wenn auch nicht in seine Gewalt kam.

      Er lebte allein in seiner Wohnung und hatte keine Dienstboten – außer einer alten Frau, die jeden Morgen kam, um die Zimmer in Ordnung zu bringen.

      Während er noch vor dem Spiegel stand, klingelte es draußen. Er ging selbst, um zu öffnen, ohne daran zu denken, daß es ein wichtiger Besuch sein könne. Graf Poltavo hielt sich für nicht zu gut, die Milch selbst an der Tür in Empfang zu nehmen oder mit irgendeinem Händler auf dem Flur beim Einkauf zu feilschen. Es war notwendig, daß er sparsam mit seinem Gelde lebte, bis ihn das Schicksal in den Besitz größerer Mittel brachte.

      Als er die Tür öffnete, trat er erschrocken einen Schritt zurück, machte dann aber eine leichte Verbeugung.

      »Treten Sie bitte näher, Mr. Doughton.«

      Frank ging durch den kleinen Vorraum und wartete, bis der Graf die Wohnungstür geschlossen und eine andere geöffnet hatte. Dann trat er in das Arbeitszimmer.

      »Welcher Umstand verschafft mir die Ehre Ihres Besuches?« fragte Poltavo, als er Frank einen Sessel hinschob.

      »Ich möchte Sie in einer Angelegenheit sprechen, die Sie und mich angeht«, erwiderte der junge Mann etwas schroff und sah ihn scharf an.

      Graf Poltavo nickte. Er erkannte sofort, daß Frank ihm feindlich gegenüberstand, aber er ließ sich dadurch nicht im mindesten einschüchtern oder verblüffen. Er hatte sich schon aus viel schwierigeren Situationen glänzend herausgezogen.

      »Es tut mir leid, daß ich Ihnen nur eine Viertelstunde zur Verfügung stellen kann. Wenn diese Zeit abgelaufen ist, muß ich zum Brakely Square fahren, wo das Testament unseres verstorbenen Freundes eröffnet wird –«

      »Das weiß ich«, unterbrach ihn Frank. »Sie sind nicht der einzige, der eine Einladung erhalten hat.«

      »Kommen Sie auch?« fragte der Graf etwas erstaunt. Er selbst war als Freund und Berater der verwaisten Doris Gray gebeten worden. Diese Stellung hatte ihm ein Brief verschafft, den Doris. erhalten hatte. Die wenigen Zeilen hatten ihr mitgeteilt, daß sie sich auf den Grafen in jeder Weise verlassen könne. Und wegen dieses Briefes war auch Frank Doughton gekommen.

      »Graf Poltavo, am Tage nach dem Verschwinden Mr. Farringtons brachte ein Bote Miss Gray einen Brief.«

      »Das ist mir bekannt«, erwiderte der Graf liebenswürdig.

      »Der Brief betraf Sie. In dem Schreiben wurde Doris mitgeteilt, daß sie Ihnen durchaus vertrauen könne; außerdem wurde darin angedeutet, daß der Tote, den man in der Themse fand, nicht mit Mr. Farrington identisch sei.«

      Poltavo runzelte die Stirn.

      »Die Behörden haben aber eine andere Ansicht«, sagte er schnell. »Das Gericht hegte nicht den geringsten Zweifel, daß es Mr. Farrington war.«

      »Was bei der Leichenschau festgestellt wird und was Scotland Yard darüber denkt, sind zwei ganz verschiedene Dinge«, entgegnete Frank trocken. »Der bewußte Brief hatte zur Folge, daß Miss Gray ihr Vertrauen auf Sie setzte, Graf, und von Tag zu Tag macht sie es mir durch ihre Haltung schwerer, ihre Interessen wahrzunehmen. Ich bin ein offener, ehrlicher Engländer, und ich sage geradeheraus, was ich meine.« Er schlug mit der Hand auf den Tisch. »Doris Grays Gemüt wird vergiftet und gegen mich aufgestachelt, obwohl ich doch keine andere Absicht habe, als ihr treu und ergeben zu dienen.«

      Graf Poltavo zuckte lächelnd die Schultern.

      »Mein lieber Freund, ich kann nicht annehmen, daß Sie zu mir kommen, um mich zu überreden, als Ihr Fürsprecher bei Miss Gray aufzutreten und sie zu veranlassen, anders über Sie zu urteilen, als sie es tut. Sollte das aber wirklich der Zweck Ihres Besuches sein, so kann ich Ihnen leider nicht helfen. Es gibt ein Sprichwort in der englischen Sprache, das ich für sehr wahr halte: ›In der Liebe und im Krieg ist alles erlaubt‹«

      »In der Liebe?« fragte Frank.

      »Ja, in der Liebe. Es ist nicht das Vorrecht irgendeines Mannes, die Liebe der ganzen Welt für sich als Monopol in Anspruch zu nehmen oder zu sagen: Diese Frau liebe ich, und kein anderer darf sie lieben. Alle Eigenschaften, die Sie an Miss Gray so bewundern, erscheinen mir ebenso verehrungswürdig wie Ihnen. Es ist ja schade, und ich möchte gern alles tun, um nicht mit Ihnen in Streit zu geraten, aber die Rivalität zwischen uns besteht nun einmal, und es hat keinen Zweck, das zu leugnen. Ich weiß, daß der verstorbene Mr. Farrington bestimmte Absichten mit seiner Nichte hatte, und ich schmeichle mir, daß diese sehr zu meinen Gunsten sprechen.«

      »Wie meinen Sie das?« fragte Frank scharf.

      »Ich hatte mit Mr. Farrington hierüber eine Aussprache, und er sagte mir, daß er sich beruhigt fühlen würde, wenn Doris’ Zukunft in meinen Händen läge.«

      Frank erbleichte.

      »Das ist eine gemeine Lüge! Ich habe Mr. Farringtons Ansichten hierüber ebensogut gekannt wie Sie – sogar besser, wenn Sie sie so auslegen wollen!«

      »Wollen Sie mir darüber bitte Näheres mitteilen?«

      »Ich lehne es ab, über diese Angelegenheit weiter mit Ihnen zu sprechen. Ich möchte Ihnen nur das eine sagen: Wenn ich entdecken sollte, daß Sie gegen mich arbeiten, sei es durch Lügen oder durch Intrigen, so soll es Ihnen leid tun, jemals meine Bekanntschaft gemacht zu haben!«

      »Gestatten Sie, daß ich Ihnen die Tür zeige«, sagte Graf Poltavo. »Leute meines Standes und meiner Familie lassen sich nicht gern derartige Drohungen sagen.«

      »Ihren Stand kenne ich sehr wohl«, erwiderte Frank kühl. »Ihre Familie ist allerdings weniger bekannt. Wenn Sie mich zwingen, mich näher mit der Sache zu beschäftigen, und wenn ich selbst die Neigung verspüre, mich genauer zu informieren, so weiß ich, an wen ich mich zu wenden habe.«

      »Und wer wäre das?« fragte der Graf und öffnete die Tür.

      »Der Polizeichef von San Sebastian.«

      Der Graf schloß die Tür hinter seinem Besucher und blieb einige Augenblicke nachdenklich stehen.

      *

      Die Menschen, die sich eine Stunde später in dem großen Wohnzimmer des Hauses am Brakely Square versammelten, waren niedergeschlagen und deprimiert. Zur Unzufriedenheit des Grafen war auch Frank erschienen. Er saß neben dem traurigen jungen Mädchen, und es war ihm gelungen, sie in eine Unterhaltung zu ziehen. Graf Poltavo hielt es nicht für ratsam, gerade in diesem Augenblick einen Versuch zu machen, die beiden voneinander zu trennen. Er konnte warten.

      Auch Mr. Smith war anwesend.

      Er hatte sich einfach dadurch eine Einladung verschafft, daß er den Rechtsanwalt, der die Testamentseröffnung vorzunehmen hatte, bat, ihn zuzuziehen. Gleichzeitig hatte er freilich bemerkt, daß er in amtlicher Eigenschaft und nicht als Freund erscheinen würde, wenn man ihm seine Bitte abschlage.

      Der Seniorchef der bekannten Rechtsanwaltsfirma Debenham & Tree war bereits erschienen und saß mit seinem Sekretär an einem Tisch, der mit Dokumenten, Papieren und Schreibzeug bedeckt war. Es lag auch ein großes, versiegeltes Schriftstück dort, das der Sekretär sorgsam behütete und nicht aus den Augen ließ.

      Für viele Anwesende war die Eröffnung des Testaments ein wichtiger Augenblick. Farrington hatte keine Privatschulden hinterlassen. In welcher Lage sich auch die Aktionäre der Gesellschaft befanden, die er leitete – er selbst war, soweit sein Privatvermögen in Betracht kam, in jeder Weise zahlungsfähig.

      Die Nachforschungen Mr. Smiths hatten zu seinem großen Erstaunen ergeben, daß das Vermögen des jungen Mädchens verhältnismäßig sicher angelegt war. Mr. T.B. Smith kannte auch schon einen großen Teil des


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