Edgar Wallace-Krimis: 78 Titel in einem Band. Edgar WallaceЧитать онлайн книгу.
beugte sich vor.
»Was wollen Sie denn damit sagen? Bringen Sie etwa meinen Freund damit in Zusammenhang?«
»Ich wollte nur bemerken, daß die Vorsehung Ihnen einigermaßen zu Hilfe gekommen ist. All Ihre großen Erfolge treffen irgendwie mit dem Tod beteiligter Leute zusammen. – Auch mir haben Sie Doktor Essley einmal geschickt.«
»Sie waren krank.«
»Das stimmt«, entgegnete Fanks grimmig, »aber ich machte Ihnen damals auch allerhand zu schaffen.« Er klopfte die Asche seiner Zigarre in eine Bronzeschale. »Black, ich bin zu einem Entschluß gekommen. Ich werde meine sämtlichen Aufsichtsratsposten bei Ihren Gesellschaften niederlegen.«
Der Oberst lachte mißvergnügt.
»Lachen Sie meinetwegen, aber ich will kein Geld haben, das um einen zu teuren Preis erworben ist.«
»Mein Lieber, Sie können jederzeit von Ihren Posten zurücktreten. Aber darf ich Sie fragen, ob Ihr außergewöhnlicher Verdacht von anderen Leuten geteilt wird?«
»Im Augenblick noch nicht.«
Sie schauten, einander einige Zeit schweigend an.
»Ich möchte ordnungsgemäß ausscheiden«, sagte Fanks dann. »Den Wert meiner Anteile schätze ich auf etwa hundertfünfzigtausend Pfund – ich biete sie Ihnen zum Kauf an.«
»Sie setzen mich in Erstaunen.«
Black öffnete eine Schublade seines Schreibtisches und nahm eine kleine grüne Flasche und eine Feder heraus.
»Der arme Essley«, meinte er lächelnd. »Er reist in Spanien herum und will die Geheimnisse der maurischen Parfüme kennenlernen. Wenn er wüßte, was Sie von ihm denken, würde er völlig fassungslos sein.«
»Es ist besser, daß Essley die Fassung verliert, als daß ich mein Leben verliere. – Was haben Sie da eigentlich?«
Der Oberst entkorkte die Flasche und tauchte die Feder ein. Dann zog er sie wieder heraus und hielt sie dicht an seine Nase.
»Was ist das?« fragte Fanks neugierig.
Statt einer Antwort hielt ihm Black die Feder hin.
»Ich kann nichts riechen«, sagte Fanks.
Blitzschnell senkte Black die Feder und berührte die Lippen des anderen.
Mit einem Aufschrei stürzte Fanks zu Boden und rührte sich nicht mehr.
3
»Konstabler Fellowe!«
Frank Fellowe verließ eben den Amtsraum der Polizeistation, als ihn der wachhabende Sergeant scharf anrief.
»Ja?« antwortete er mit fragender Stimme. Er ahnte schon, daß etwas Unangenehmes kommen würde.
Sergeant Gurden ließ selten eine Gelegenheit vorübergehen, ohne ihn zu ermahnen oder ihm Vorhaltungen zu machen, wenn er mit ihm sprach. Er hatte ein hageres, vertrocknetes Gesicht und die üble Angewohnheit, seine Zähne zu zeigen, wenn er sich ärgerte. Der Gegensatz zwischen ihm und dem schlanken jungen Mann war denkbar groß. Während der Sergeant zusammengesunken auf seinem Stuhl saß, stand Frank Fellowe, dem die Uniform wie angegossen paßte, in tadellos aufrechter Haltung vor seinem Vorgesetzten und sah ihn aufmerksam an.
Gurdens bleiche Gesichtsfarbe wurde noch besonders betont durch einen struppigen schwarzen Schnurrbart. Obwohl der Sergeant körperlich gut entwickelt war, saß seine Uniform schlecht, und er machte auch sonst einen unausgeglichenen, abstoßenden Eindruck.
Als er sich Fellowe zuwandte, zeigte er seine Zähne.
»Es ist schon wieder eine Beschwerde über Sie eingelaufen. Wenn das nicht aufhört, werde ich die Sache dem Inspektor melden.«
Frank nickte respektvoll.
»Es tut mir sehr leid, Sergeant – aber weshalb hat man sich denn über mich beschwert?«
»Das wissen Sie ganz genau«, fuhr ihn Gurden an. »Sie haben Oberst Black wieder belästigt!«
Ein schwaches Lächeln glitt über Frank Fellowes Gesicht. Er wußte, daß der Oberst bei Gurden eine bevorzugte Stellung einnahm.
»Zum Teufel, was fällt Ihnen ein, auch noch darüber zu lachen!« schrie der Sergeant. »Ich warne Sie – werden Sie nicht unverschämt! Ich glaube, ich muß die Sache doch dem Inspektor melden.«
»Ich hatte nicht die Absicht, unhöflich zu sein, Sergeant. Mir sind diese Beschwerden ebenso unangenehm wie Ihnen. Aber ich habe Ihnen ja schon berichtet, und ich werde es auch dem Inspektor sagen, daß Oberst Black in einem Haus an den Serrington Gardens wohnt und daß er mich außerordentlich interessiert. Das müssen Sie zu meiner Entschuldigung gelten lassen.«
»Der Oberst beklagt sich darüber, daß Sie dauernd seine Wohnung beobachten.«
Frank Fellowe lächelte wieder.
»Sein Gewissen läßt ihm keine Ruhe. In allem Ernst, Sergeant, ich weiß zufällig, daß der Oberst nicht gerade sehr menschenfreundlich ist –«
Er machte eine Pause.
»Nun, was wollten Sie sagen?«
»Ich glaube, es ist besser, wenn ich meine Meinung für mich behalte.«
Der Sergeant nickte böse.
»Wenn Sie sich Unannehmlichkeiten machen, haben Sie das nur sich selber zuzuschreiben. Oberst Black ist ein sehr einflußreicher Mann, einer unserer größten Steuerzahler, vergessen Sie das nicht! Diese Leute zahlen gewissermaßen unser Gehalt, sorgen für unsere Uniformen und unseren Unterhalt. Da sind Sie ihnen doch etwas schuldig!«
»Auf der anderen Seite ist Oberst Black ein Steuerzahler, der mir in gewisser Weise zu Dank verpflichtet ist.«
Bei diesen Worten legte er den Umhang über den Arm, verließ das Amtszimmer und trat auf die Straße hinaus.
Der diensttuende Beamte am Eingang rief ihm einen freundlichen Gruß zu.
*
Die meisten Freunde Frank Fellowes kannten weder seine Herkunft noch seine Eltern. Er hatte eine außergewöhnlich gute Erziehung erhalten, sein Wesen war ruhig, zurückhaltend und höflich, seine Stimme klar und klangvoll – kurz, er besaß alle Eigenschaften eines Gentlemans.
In Somers Town bewohnte er allein ein kleines Haus, aber keiner seiner Bekannten, die ihn gelegentlich besuchen wollten, hatte jemals das Glück, ihn während seiner dienstfreien Zeit zu Hause anzutreffen.
Womit er sich beschäftigte, ließ sich erst erraten, als die großen Polizeiboxkämpfe abgehalten wurden, denn er errang in überragender Form den ersten Preis. Er hatte einen harten Schlag, war schnell, gewandt und aufs beste trainiert.
Die schlechten Elemente von Somers Town hatten freilich schon vorher von seinem Können im Boxen erfahren. Ein gewisser Grueler hatte sich nach seiner Verhaftung auf dem Weg zur Polizeistation zur Wehr gesetzt. Dieser Mann erzählte später seinen interessiert lauschenden Zuhörern von den raffinierten Tricks des Polizisten.
Fellowes schneidiges Auftreten hatte ihm schon viele Freunde gewonnen, aber er hatte sich auch manchen Feind geschaffen. Während er nachdenklich die Straße entlangging, Sagte er sich, daß er in Sergeant Gurden einen persönlichen Gegner von mehr als durchschnittlicher Gehässigkeit besaß.
Er wunderte sich, warum dieser ihm so feindlich gesinnt war. Schließlich tat er doch nur seine Pflicht. Daß er ab und zu seine Amtsbefugnisse überschritt, erschien ihm nicht als ausreichender Grund für die Abneigung seines Vorgesetzten, denn er stand in dem glücklichen Alter, in dem Untätigkeit das größte Übel bedeutet.
Was