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Edgar Wallace-Krimis: 78 Titel in einem Band. Edgar WallaceЧитать онлайн книгу.

Edgar Wallace-Krimis: 78 Titel in einem Band - Edgar  Wallace


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Nun zu Doris!

      Aber das junge Mädchen ließ sich nicht sehen. Lady Dinsmore empfing ihn im Morgenrock. Sie sah besorgt aus, und er drückte ihr schweigend die Hand.

      »Es ist sehr lieb von Ihnen, mein lieber Freund, daß Sie so schnell gekommen sind. Haben Sie schon alles gehört?«

      Er nickte.

      »Wie geht es Doris?«

      Die Frau sank in einen Stuhl und schüttelte den Kopf.

      »Das arme Kind nimmt es sehr schwer. Sie weint nicht, aber ihre Gesichtszüge sind wie versteint. Sie wollte es nicht glauben, bis sie seine eigene Handschrift sah. Dann wurde sie ohnmächtig.«

      Lady Dinsmore nahm ihr Spitzentaschentuch und wischte sich die Augen.

      »Doris hat nach dem Grafen Poltavo geschickt«, sagte sie dann.

      Frank starrte sie an.

      »Warum hat sie das getan?«

      »Das weiß ich auch nicht«, erwiderte sie seufzend. »Sie spricht sich nicht darüber aus, aber vielleicht fühlt sie, daß der Graf etwas weiß – sie glaubt, daß Gregory irgendwie betrogen worden ist.«

      Frank neigte sich vor.

      »Das ist auch meine Ansicht«, sagte er ruhig.

      Lady Dinsmore sah ihn nachsichtig an.

      »Sie kennen Gregory nicht«, sagte sie nach einer Weile.

      »Trotzdem kann ich Ihnen nicht beipflichten. Wenn er nicht ermordet wurde, so muß es Selbstmord gewesen sein. Aber warum hätte sich Mr. Farrington denn selbst umbringen sollen?«

      »Ich bin sicher, daß er nicht die geringste Absicht hatte, so etwas zu tun«, erwiderte Lady Dinsmore gefaßt.

      »Und was nehmen Sie an?«

      »Warum glauben Sie denn, daß er wirklich tot ist?« fragte sie leise.

      Frank sah sie mit hellem Erstaunen an.

      »Wie meinen Sie das?« Hatte der Unglücksfall ihr den Verstand geraubt?

      »Ich meine ganz einfach, daß er ebensowenig tot ist wie Sie oder ich«, entgegnete sie kühl. »Welche Beweise haben wir denn? Nur einen Brief, der von ihm persönlich geschrieben wunde und in dem er uns allen Ernstes mitteilt, daß er sich entschlossen habe zu sterben. Klingt das wahrscheinlich? Ich nehme als sicher an, daß dies das letzte ist, was er beabsichtigte. Wann hat Gregory jemals die Wahrheit gesagt, wenn es sich um seinen Aufenthalt handelte? Nein, glauben Sie mir, er ist nicht tot. Aus Gründen, die nur er kennt, gibt er vor, es zu sein; in Wirklichkeit hat er sich nur entschlossen, in der Verborgenheit zu leben.«

      »Aber warum denn?« fragte der junge Mann bestürzt. Das war die verrückteste Erklärung, die er sich denken konnte. Sein Kopf wirbelte von den widersprechenden Eindrücken; er schien in ein schreckliches Abenteuer gestürzt worden zu sein, und es verlangte ihn danach, wieder in die nüchterne Alltagswelt zurückzukehren.

      Die Tür am anderen Ende des Raumes öffnete sich. Er schaute schnell auf und erwartete schon halb, Farrington selbst auf der Schwelle zu sehen.

      Aber es war Doris. Sie blieb einen Augenblick unentschlossen stehen und starrte die beiden wie abwesend an. In ihrem weißen Morgengewand und mit ihrem schwarzen Haar, das durch ein einfaches Stirnband zusammengehalten wurde, wirkte sie fast wie ein Kind. Das kalte Frühlingssonnenlicht, das durch die Fenster hereinströmte, ließ erkennen, daß die Nacht Spuren in ihren Zügen hinterlassen hatte. Schwache violette Schatten waren unter ihren Augen sichtbar, ihr Gesicht war bleich.

      Frank trat ihr schnell entgegen. Er sah nur ihr weißes, trauriges Gesicht. Schnell nahm er ihre Hände in die seinen, und sie fühlte seinen warmen Druck.

      Sie sah ihn lange forschend an, dann zitterten ihre Lippen, und mit einem herzzerreißenden Schluchzen warf sie sich in seine Arme und barg ihren Kopf an seiner Schulter. Frank hielt sie zart.

      »Nicht weinen, Liebling«, flüsterte er.

      Er beugte sich nieder und streichelte ihr Haar. Ein liebevoller Ausdruck lag auf seinen Zügen.

      »Liebling!« sagte er leise.

      Sie hob das blasse Gesicht zu ihm empor.

      »Sie – Sie sind so gut zu mir«, hauchte sie. Unter seinem warmen Blick zog eine leichte Röte über ihre Wangen, dann löste sie sich von ihm und setzte sich nieder.

      Lady Dinsmore kam zu ihr und legte den Arm um sie.

      »Nun, Frank?« begann sie freundlich und zeigte auf einen Stuhl. »Nehmen Sie doch Platz. Wir wollen uns beraten. Vor allem möchte ich« – sie drückte die kalte Hand des Mädchens – »meine feste Überzeugung aussprechen, daß Gregory nicht tot ist. Ein Gefühl sagt mir, daß er sicher und wohlauf ist.«

      Doris sah Frank nachdenklich an.

      »Haben Sie noch etwas erfahren – ich meine, später?«

      »Es war noch nicht genügend Zeit für neue Entwicklungen. Scotland Yard beschäftigt sich mit der Sache, und Mr. Smith ist mit der Untersuchung beauftragt.«

      Sie schauderte und bedeckte ihr Gesicht mit den Händen.

      »Smith erklärte doch gestern im Theater, daß er ihn verhaften wollte – wie merkwürdig und schrecklich das alles ist«, sagte sie verängstigt. »Ich – ich muß immer daran denken. Das dunkle Wasser im Strom – mein armer Onkel … Es ist so, als ob ich ihn dort sehen könnte …« Sie schluchzte wieder und konnte nicht weitersprechen.

      Lady Dinsmore sah hilflos zu Frank hinüber.

      In diesem Augenblick brachte ein Diener einen Brief.

      Lady Dinsmore zog die Augenbrauen zusammen.

      »Von Poltavo«, sagte sie halb zu sich selbst.

      Doris stürzte vor und nahm den Brief von dem Tablett. Eilig zog sie den Bogen aus dem Kuvert. Sie schien die Botschaft sofort zu verstehen, denn es entfuhr ihr ein kleiner Freudenschrei. Ihr blasses Gesicht überzog sich plötzlich mit einem lebhaften Rot, und sie beugte sich nieder, um den Brief noch einmal zu lesen. Ihre Lippen öffneten sich, ihre ganze Haltung drückte Hoffnung und Zuversicht aus. Dann faltete sie das Schreiben wieder zusammen und verließ ohne ein weiteres Wort das Zimmer.

      Frank starrte entsetzt hinter ihr her. Er war bleich geworden vor Wut und Eifersucht.

      Lady Dinsmore erhob sich schnell.

      »Entschuldigen Sie mich – warten Sie hier«, sagte sie und folgte ihrer Nichte.

      Frank Doughton ging zerstreut auf und ab und erwartete jeden Augenblick ihre Rückkehr. Erst vor wenigen Minuten hatte er die höchste Glückseligkeit erlebt, als Doris ihren Kopf an seiner Schulter barg – nun war er wieder in den Abgrund tiefster Hoffnungslosigkeit gestoßen. Was mochte in dem kurzen Brief gestanden haben, der sie so freudig erregt hatte? Hätte sie ihn so sorgfältig an sich genommen, wenn er nicht eine Liebesbeteuerung enthalten hätte? – Er war unachtsam und wäre beinahe über einen Stuhl gestolpert. Leise fluchte er vor sich hin.

      Der Diener, der unbemerkt eingetreten war, machte sich durch ein diskretes Räuspern bemerkbar.

      »Lady Dinsmore läßt sich entschuldigen und Ihnen bestellen, daß sie Ihnen später schreiben wird.«

      Er begleitete den jungen Mann zur Haustür.

      Auf der ersten Stufe blieb Frank steif aufgerichtet stehen, denn er sah sich plötzlich Poltavo gegenüber.

      Der Graf grüßte ihn mit ernster Miene.

      »Eine traurige Angelegenheit«, sagte er leise. »Haben Sie die Damen schon gesehen? Wie hat Miss Gray alles aufgenommen? Geht es ihr den Verhältnissen entsprechend gut?«

      Frank schaute ihn düster an.

      »Ihr Schreiben hat ihre


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