Science-Fiction-Romane: 33 Titel in einem Buch. Walther KabelЧитать онлайн книгу.
an Weib und Kind vor aller Welt zu verheimlichen und die beiden Bedauernswerten dennoch zu befreien. – Abelsen, du bist ein Mensch, dem man nicht mit kleinsten Einzelheiten die Zusammenhänge dieser traurigen Geschehnisse zu erklären braucht. Du kannst dir vieles selbst ergänzen. Erik hatte eben seine Jacht heimlich hier in die Wassergrotte gesteuert, hatte die Besatzung, acht Mann, für alle Zeit stumm gemacht, hatte seiner Frau eingeredet, sie leide an Lepra genau wie ihr Kind … Ein harmloser Ausschlag im Gesicht, den er natürlich auch irgendwie bei beiden hervorgerufen, half ihm, seinen scheußlichen Plan zu vollenden. Er zerstörte die Boote der Jacht bis auf eins, ließ die Seinen hier allein, landete nachher schwimmend auf den Falklands-Inseln, spielte den Schiffbrüchigen, kehrte nach Stockholm zurück, hatte Frau und Kind sehr hoch versichert, es kam zum Prozeß mit der Gesellschaft, die die Zahlung verweigerte. Auch uns gegenüber spielte er den untröstlichen Gatten und Vater. Aber ich traute ihm nicht. Er hatte mich stets wie ein kriecherischer Köter umschmeichelt. Er wußte, daß ich mir Millionen verschaffen konnte. Ich leugne es nicht, Abelsen: Ich habe eine Goldader gefunden, doch nie ausgebeutet! Hierüber kein Wort mehr … Du kennst meine Ansichten über das Gold. – Dann sandte mir Gerda einen Brief. Sie war damals Gast unserer berühmten Landsmännin. Sie schrieb mir, daß Senta und der Junge auf einer Insel der Ines-Gruppe lebten – als Aussätzige. Ich bestellte Erik zu einer Rücksprache in die Villa der Schriftstellerin. Inzwischen traf ich meine Vorbereitungen für die Fahrt nach Südamerika. Erik schöpfte Argwohn, drang am Abend vor unserer Verabredung in Gerdas Schlafzimmer ein und forderte von ihr den Brief Sentas. Du, Abelsen, warfst ihn heraus … Das war die Einleitung. – Gerda brachte dich nach Trelleborg, kam dann sofort zu meinem Bruder, wo ich wohnte. Wir wollten dich mit nach Santa Ines nehmen, denn wir brauchten einen Mann wie dich. Wir wollten Eriks schändliches Verbrechen der Welt verheimlichen. Wir fanden dich und Dorner auf dem Flosse treibend … Und erkannten Dorner, Gerdas Gatten. Die Furcht, daß sein Verstand sich völlig verwirren würde, wenn wir ihm unvermittelt den Blick in die Vergangenheit wieder freigaben, zwang uns zu jener Komödie, die dir so viel Kopfzerbrechen bereitet hat. Ganz allmählich wollten wir sein Gedächtnis wieder aufleben lassen. Es gelang uns … Damals in Punta Garras wurde nur ich allein von Erik und den Meuterern überrascht. Gerda-Helga und du – ihr waret in Sicherheit. Der Abschluß jener drei Tage eurer Haft, die Massenvernichtung der Farbigen, war mein Werk. Es gelang mir mit Gerdas Hilfe, in jener Nacht in die Kombüse zu schleichen und das Zyankali in die Kaffeemühle zu tun. Ich bereue nichts, Abelsen … nichts. Und doch entkam Erik – ein bloßer Zufall. Er sah seine Verbündeten hinsterben, schwamm an Land. Vergessen wir das Grauenvolle. Aber – Erik kam schneller hier nach der Insel. Überraschte die drei Patagonier, die uns vorausgeeilt waren, überraschte Gerda und mich, wußte noch immer nicht, daß es Gerda war … Dann solltet ihr daran glauben, Boche Boche und du. Ihr habt es ihm heimgezahlt. Er ist tot … Mag die Welt nun die Wahrheit wissen. Er ist tot.«
Meine Zigarre war mir längst ausgegangen. Jetzt hatte ich auch die Erklärung dafür, weshalb Doktor Jörnsen so plötzlich den Tod nicht mehr gescheut hatte: Ich hatte ihm verraten, wer allein die angebliche Frau Helga Jörnsen sein könnte: Gerda! Und da hatte er Gerda, die er als die Urheberin seiner Niederlage betrachtete, zusammen mit den anderen Gefangenen hier auf der Jacht den Hungertod sterben lassen wollen! –
Genug hiervon … Der Käpten hatte recht: Vergessen wir das Grauenvolle! Eine Bestie in Menschengestalt war unschädlich gemacht. Was dunkel gewesen, war nicht mehr unlösbares Rätsel.
Ich bin kein Dichter. Bin nach wie vor ruheloser Wanderer durch Einsamkeit und pfadlose Wildnis … Was ich schreibe, schreibe ich in armseligen Hütten, an Bord stinkender Fischkutter, in Kneipen aller Häfen der Welt …
Am anderen Morgen sprach Holger Jörnsen davon, daß er für mich daheim in Schweden das Wiederaufnahmeverfahren meines Prozesses betreiben würde. Ich winkte dankend ab.
Und mittags kam die Trennung von denen, die ich lieb gewonnen. Neue Kameraden hatte ich gefunden, die drei Patagonier. Bei denen wollte ich bleiben – vorläufig … Dorners Bitten, mein Dasein anders aufzubauen, fanden taube Ohren. Ich wollte dem Alltag aus dem Wege gehen. Ich war Abenteurer geworden, wollte es bleiben.
Es war ein herrlicher, windstiller Tag, als der Torstensen, die Jacht Skansen im Schlepp, die heute so friedliche Magelhaens-Straße erreichte und ostwärts steuerte …
Ich stand im Kahn der Feuerländer, hinter mir saßen die drei braunen Söhne Patagoniens. Ich winkte den Freunden nach, sie winkten – – ein letztes Lebewohl …
Dann setzte ich mich ans Steuer …
»Zurück nach Santa Ines!« befahl ich. Die Ruder tauchten ein. Ich blickte nicht mehr zurück …
Später las ich, daß der Kutter und die Jacht glücklich den Hafen von Punta Garras erreicht hatten.
Nach Santa Ines! Ich hatte meine Gründe dafür … –
Diese letzten Zeilen schreibe ich mit Bleistift in ein Schulheft … Wie dieses Heft hier in Coys Hütte geraten, weiß ich nicht. Auch Coy nicht. Er wird es gestohlen haben. Coy Cala ist der eine meiner braunen Kameraden, ein prächtiger Kerl. Ich werde vielleicht noch später von ihm zu reden haben. – Und jetzt werde ich meine Repetierbüchse säubern und ölen, und dann werde ich mit Coy über die endlose Steppe reiten. Das nenne ich leben … Es ist wahre Freiheit, ist das Losgelöstsein vom Alltag, ist das Vergessen … Hoffentlich ist Gerda Dorner wirklich glücklich geworden … Und Boche Boche ebenso …
Coy kommt und murrt. Es dauert ihm zu lange … Morgen beginne ich vielleicht die zweite Geschichte. Im Schulheft sind noch vier leere Seiten. Die Geschichte von Santa Ines.
Das Geheimnis des Meeres
14. Tatjana schwimmt neben uns
1. Kapitel