Эротические рассказы

Gesammelte Werke von Arthur Schnitzler. Артур ШницлерЧитать онлайн книгу.

Gesammelte Werke von Arthur Schnitzler - Артур Шницлер


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hinzuweisen, daß der Baumeister gestern den ersten Mai als äußersten Termin genannt hätte; übrigens wisse man ja, wie es sich mit solchen Bauarbeiten verhalte, Termin sowohl als Kosten würden immer überschritten; er seinerseits fühle sich nicht mehr frisch genug, um sich auf dergleichen Dinge einzulassen, auch der Besitzer verlange eine lächerliche Summe und »wer weiß,« fügte er, freilich in scherzender Absicht, hinzu, »ob Sie, mein lieber Herr Baumeister, nicht mit ihm unter einer Decke spielen.« Der Angesprochene fuhr auf, der Stadtrat versuchte zu besänftigen, Doktor Gräsler lenkte ein; – doch ein gutes Einvernehmen wollte sich nicht mehr herstellen, und bald ließen beide Herren, Baumeister und Stadtrat, nach kühlem Abschied den Doktor allein und mit sich unzufrieden am Tische 91 sitzen. Er berührte den letzten Gang nicht mehr und eilte nach Hause, wo ein Patient ihn erwartete, der vor der Abreise Verhaltungsmaßregeln für den Winter wünschte. Der Doktor erteilte sie zerstreut, ungeduldig, nahm sein Honorar mit schlechtem Gewissen in Empfang und verspürte einen dumpfen Groll nicht nur gegen sich, sondern auch gegen Sabine, die nicht versäumt hatte, ihm in ihrem Brief Gleichgültigkeit gegenüber seinen Kranken vorzuwerfen. Dann trat er auf seinen Balkon, zündete die kaltgewordene Zigarre von neuem an und blickte in das armselige Gärtchen hinab, wo trotz des trüben Wetters auf einer weißen Bank, das Nähkörbchen zur Seite, seine Hauswirtin wie alltäglich zu dieser Stunde mit ihrer Strickarbeit saß. Die ältliche Frau hatte noch vor drei oder vier Jahren ganz unverkennbare Absichten auf ihn gehabt; zum mindesten hatte Friederike es immer wieder behauptet, die den Bruder stets von heiratslustigen Jungfrauen und Witwen umlauert glaubte. Weiß Gott, es war nicht so weither damit gewesen. Er war ja zum Junggesellen geboren, war ein Sonderling, 92 Egoist und Philister gewesen sein Leben lang. Das hatte eben auch Sabine sehr wohl empfunden, wie aus ihrem Briefe mit zwingender Deutlichkeit hervorging, wenn sie auch aus mancherlei Gründen, unter denen die sogenannte Liebe die geringste Rolle spielte, sich ihm an den Hals zu werfen behauptete. Ja wenn sie das wirklich getan hätte, dann sähe sich die Sache anders an. Aber das, was er da in der Rocktasche knittern fühlte, das war wohl alles eher als ein Liebesbrief.

      Der Wagen, der allabendlich zur Fahrt nach dem Forsthaus bestellt war, wurde gemeldet. Dem Doktor Gräsler klopfte das Herz. Er konnte sich ‘s ja in diesem Augenblick nicht verhehlen, daß er nur eines zu tun hatte: zu Sabinen eilen, zärtlich dankend die lieben Hände ergreifen, die sich den seinen so innig und rückhaltslos entgegenboten, das holde Wesen zur Frau verlangen, und wär es selbst auf die Gefahr hin, daß es nur wenige Jahre oder gar Monate des Glücks waren, die sich ihm erschlossen. Aber statt die Treppe hinunterzustürzen, blieb er wie auf den Fleck 93 gebannt stehen. Es war ihm, als hätte er vorher etwas endgültig klarzustellen und vermochte sich nicht zu besinnen, was es sein könnte. Plötzlich fiel es ihm ein: den Brief Sabinens mußte er noch einmal lesen. Er nahm ihn aus der Brusttasche hervor und begab sich in sein stilles Ordinationszimmer, um in völliger Ungestörtheit Sabinens Worte noch einmal auf sich wirken zu lassen. Und er las. Er las langsam, mit angespannter Aufmerksamkeit, und er fühlte sein Herz immer starrer werden. Alles Holde und Innige wollte ihm kühl, ja geradezu spöttisch erscheinen; und als er an die Stellen kam, in denen Sabine flüchtig seiner Zurückhaltung, seiner Eitelkeit, seiner Pedanterie Erwähnung tat, da war ihm, als wiederhole sie mit Absicht, was sie doch heute morgen schon ihm bis zum Überdruß und überdies mit Unrecht vorgeworfen hatte. Wie konnte sie sich’s denn nur einfallen lassen, ihn einen Pedanten zu nennen, einen Philister, ihn, der ohne weiteres bereit gewesen war, ihr, und wie gerne, selbst einen wirklichen Fehltritt zu verzeihen? Und nicht nur, daß sie davon nicht das geringste ahnte, sie 94 mutete ihm sogar zu, daß er deswegen, gerade deswegen gezögert hätte. So wenig kannte sie ihn. Ja, das war es. Sie verstand ihn nicht. Und von hier aus schien ihm das ganze Rätsel seines Daseins plötzlich wie neu beleuchtet. Denn es war ihm nun klar, daß ihn eigentlich noch nie jemand wirklich verstanden hatte, weder Frau noch Mann! Nicht seine Eltern, nicht seine Schwester, so wenig als seine Kollegen und seine Patienten es getan hatten. Seine Verschlossenheit galt für Kälte, sein Ordnungssinn für Pedanterie, sein Ernst für Trockenheit; und so war er als ein Mensch ohne Überschwang und Glanz sein Leben lang zur Einsamkeit vorherbestimmt gewesen. Und weil er nun einmal so war und nicht anders und überdies um so viele Jahre älter als Sabine, darum konnte, darum durfte er das Glück nicht annehmen, das sie ihm darzubringen bereit war, oder sich bereit glaubte, und das wahrscheinlich das Glück gar nicht gewesen wäre. Hastig nahm er einen Briefbogen und begann ihr zu schreiben. »Liebes Fräulein Sabine! Ihr Brief hat mich ergriffen. Wie soll ich Ihnen danken, ich einsamer, alter 95 Mann.« Ach, was für Unsinn, dachte er, zerriß das Blatt und begann aufs neue. »Meine liebe Freundin Sabine! Ich habe Ihren Brief, Ihren schönen, guten Brief. Er hat mich tief bewegt. Wie soll ich Ihnen nur danken. Sie zeigen mir die Möglichkeit eines Glückes, von dem ich kaum zu träumen gewagt hätte, und darum, lassen Sie es mich gleich in diesem Zusammenhange aussprechen, wage ich auch nicht, es zu ergreifen, ich meine, nicht sofort zu ergreifen. Geben Sie mir ein paar Tage Zeit zur Überlegung, lassen Sie mich zum Bewußtsein meines Glückes kommen und, o, liebe Freundin Sabine, fragen auch Sie sich noch einmal, ob Sie denn wirklich und wahrhaftig Ihre holde Jugend mir reifem Manne anvertrauen wollen.

      Es fügt sich vielleicht gut, daß ich für einige Tage in meine Vaterstadt reisen muß, wie Ihnen ja schon bekannt ist. Nun gedenke ich meine Reise um einige Tage vorzurücken und, statt am Donnerstag, lieber schon morgen früh abzureisen. So werden wir einander etwa vierzehn Tage lang nicht sehen, und während dieser Zeit soll sich 96 alles entscheiden, in Ihnen und in mir. Mir ist es leider nicht gegeben, liebes Fräulein Sabine, die Worte so schön zu setzen wie Sie. Könnten Sie doch in mein Herz sehen. Aber ich weiß es, Sie werden mich nicht mißverstehen. Ich glaube, es ist besser, ich komme heute nicht ins Forsthaus. Lieber will ich mit diesem Brief von Ihnen vorläufigen Abschied nehmen. Zugleich bitte ich um die Erlaubnis, Ihnen schreiben zu dürfen, und erbitte von Ihnen das Gleiche. Meine Adresse daheim ist Am Burggraben 17. Wie Sie wissen, beabsichtige ich zu Hause auch mit meinem alten Freunde, dem Rechtsanwalt Böhlinger, wegen des Anstaltskaufes zu konferieren. Somit versage ich mir für heute auf das gütige Anerbieten Ihres verehrten Herrn Vaters einzugehen, für das ich vorläufig nur meinen verbindlichsten Dank aussprechen möchte. Übrigens wird sich vielleicht empfehlen, außer dem hiesigen Baumeister, gegen den ich damit freilich nichts gesagt haben will, einen auswärtigen Architekten zu Rate zu ziehen. Doch über all dies zu seiner Zeit. Und nun, liebe Freundin Sabine, leben Sie wohl. Grüßen 97 Sie Ihre Eltern, denen ich zu bestellen bitte, daß ein dringendes Telegramm meines Rechtsanwaltes meine Abreise um einige Tage beschleunigt hat. In vierzehn Tagen also. Möchte ich doch dann alles hier so finden, wie ich es verlassen habe! Mit welcher Ungeduld werde ich daheim Ihrer Antwort entgegensehen. Nun will ich nichts mehr sagen. Ich danke Ihnen. Ich küsse Ihre lieben Hände. Auf Wiedersehen! Auf glückliches Wiedersehen! Ihr Freund Doktor Gräsler.«

      Er faltete das Blatt zusammen. Manchmal während des Schreibens hatte er Tränen im Auge gefühlt, aus unbestimmter Rührung über sich selbst und auch über Sabine; aber jetzt, da eine vorläufige Entscheidung gefallen war, verschloß er trockenen Auges und gefaßt seinen Brief und übergab ihn dem Kutscher, der ihn persönlich im Forsthause abgeben sollte. Dem davonfahrenden Wagen sah er vom Fenster aus eine Weile nach; schon war er daran, den Kutscher zurückzurufen; aber das Wort erstarb ihm auf den Lippen, und der Wagen entschwand bald seinen Blicken. 98 Dann traf er seine Vorbereitungen für die beschleunigte Abreise. Er hatte so viel zu verfügen und zu besorgen, daß er anfangs nichts anderes zu denken vermochte; aber später, als ihm einfiel, daß Sabine seinen Brief nun schon in Händen haben müßte, tat ihm das Herz ganz körperlich weh. Nun wartete er, ob nicht vielleicht eine Antwort käme? Oder wenn sie selbst sich einfach in den Wagen setzte und sich ihn holen käme, den unentschlossenen Bräutigam? Ja, dann hätte sie wohl sagen dürfen, sie werfe sich ihm an den Hals. Aber diese Probe zu bestehen, dazu war ihre Liebe doch nicht stark genug. Sie kam nicht, und es kam nicht einmal ein Brief, und viel später, in der Dämmerung, sah er den Wagen vom Fenster aus mit irgendeinem unbekannten Fahrgast vorüberrollen. Gräsler schlief höchst unruhig in dieser Nacht; und am Morgen, fröstelnd und verdrossen, während ein spitzer Regen auf die Kautschukdecke des offenen Wagens niederprasselte, fuhr er zum Bahnhof. 99

      8.

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