Dracula. Брэм СтокерЧитать онлайн книгу.
gespenstische Nebelfetzen durch die Täler der Karpaten hingefegt, und die daran geknüpften Gedanken und wilden Fantasien spannen sich nun weiter. Die Steigungen waren zum Teil so steil, dass die Pferde trotz der Eile des Postillons nur langsam vorwärtskamen. Ich wollte absteigen und zu Fuß gehen, wie wir es zu Hause tun, aber der Wagenlenker wollte davon nichts hören. »Nein, nein«, sagte er »Sie dürfen hier nicht gehen, die Hunde sind zu böse«, und dann fügte er hinzu: »Sie werden heute noch genug solcher Dinge haben, ehe Sie zu Bette gehen«; es sollte dies wohl eine Art grimmigen Scherzes sein, denn er sah umher, um sich des zustimmenden Lächelns der Übrigen zu versichern. Der einzige kurze Halt, den er einlegte, diente zum Anzünden der Wagenlaternen.
Als es ganz dunkel geworden war, schien sich eine gewisse Erregung der Passagiere zu bemächtigen; einer nach dem anderen sprach auf den Fuhrmann ein, gleichsam als wollten sie ihn zu noch größerer Eile anspornen. Er trieb die Pferde unbarmherzig mit der Peitsche an und zwang sie durch wilde Zurufe zu erhöhter Kraftanspannung. Ich konnte in der Dunkelheit einen grauweißen Fleck über uns bemerken, als wenn ein Spalt in den Felswänden wäre. Die Aufregung der Passagiere steigerte sich immer mehr; die gebrechliche Kutsche hüpfte in ihren ledernen Federn und schwankte wie ein Boot auf stürmischer See. Ich musste mich festhalten. Der Weg wurde ebener und wir flogen nur so dahin. Dann schienen die Berge näher heranzutreten und förmlich über uns zusammenzurücken; wir traten in den Borgópass. Einzelne der Mitreisenden gaben mir kleine Geschenke, die sie mir mit einem Ernst aufdrängten, der eine Zurückweisung unmöglich machte. Es waren ohne Zweifel seltsame Dinge, aber jedes wurde in der guten Absicht mit einem freundlichen Wort und mit einem Segenswunsch gegeben und mit jenen gefahrbeschwörenden Gesten, die ich schon vor dem Hotel in Bistritz gesehen hatte – dem Bekreuzen und dem Zauber gegen den bösen Blick. In fliegender Eile fuhren wir weiter; der Fuhrmann lehnte sich vor, die Fahrgäste starrten, die Ellbogen auf den Wagenbord gestützt, gespannt hinaus in das nächtige Dunkel. Es war offenkundig, dass etwas sehr Aufregendes geschah oder erwartet wurde; aber obgleich ich jeden meiner Reisegefährten fragte, keiner gab mir nur die kleinste Erklärung. Dieser Zustand der Aufregung hielt einige Zeit an; schließlich konnten wir die östliche Passöffnung erkennen. Dunkle drohende Wolken flogen über unseren Häuptern dahin und in der Luft lag eine schwere, drückende Schwüle. Es war, als trennte der Gebirgszug zwei grundverschiedene Atmosphären und als träten wir nun in die der Gewitter. Ich hielt nun selbst Ausschau nach dem Gefährte, das mich zum Grafen bringen sollte, jeden Augenblick erwartete ich, Wagenlaternen aufblitzen zu sehen, aber alles blieb dunkel. Das einzige Licht verbreiteten unsere Lampen, in deren flackerndem Scheine der Dampf von unseren warmgelaufenen Pferdchen wie eine weiße Wolke aufstieg. Etwas heller lag vor uns der sandige Weg, aber nichts zeigte an, dass sich auf ihm ein Wagen nähere. Die Fahrgäste seufzten erleichtert auf, was mein eigenes Missbehagen Lügen zu strafen schien. Ich dachte schon darüber nach, was nun zu tun wäre, als der Fuhrmann nach der Uhr sehend zu den anderen etwas sagte; so leise und ruhig, dass ich es kaum hören konnte. Ich meinte aber dennoch verstanden zu haben: »Eine Stunde vor der Zeit«; dann wandte er sich zu mir und sprach in einem Deutsch, wenn möglich noch schlechter als meines:
»Kein Wagen ist hier. Der Herr werden demnach gar nicht erwartet. Sie fahren nun am besten mit uns nach der Bukowina und kehren dann morgen oder übermorgen zurück; besser noch übermorgen.« Während der sprach, begannen seine Pferdchen zu wiehern und zu schnauben und wild auszuschlagen, sodass der Fuhrmann sie halten musste. Dann fuhr eine Kalesche mit vier Pferden von hinten an uns heran und hielt auf gleicher Höhe an, während die Bauern in lautes Geschrei ausbrachen und sich bekreuzigten. Beim Schein der Laternen konnte ich erkennen, dass die Pferde kohlschwarz und wundervoll gebaut waren. Die Zügel führte ein hochgewachsener Mann mit braunem Vollbart und einem großen schwarzen Hut, der sein Gesicht vor uns verbergen zu sollen schien. Als er sich zu uns wandte, konnte ich ein paar funkelnde Augen sehen, die im Lampenlicht rot erschienen. Er sagte zum Postillon:
»Du bist sehr früh daran, mein Freund.« Der Mann stammelte verlegen:
»Der englische Herr hatte große Eile«, worauf der Fremde erwiderte:
»Weil du ihn, wie ich vermute, nach der Bukowina fahren wolltest. Du kannst mich nicht täuschen, mein Bester, ich weiß zu viel und meine Rosse sind zu flink.« Während er das sagte, lächelte er, und der Schein der Laterne fiel auf einen grausam aussehenden Mund mit sehr roten Lippen und scharfen, elfenbeinweißen Zähnen. Einer meiner Reisegefährten flüsterte seinem Nachbarn die Worte aus Bürgers »Lenore« zu:
»Denn die Toten reiten schnell.«
Der seltsame Kutscher hatte offenbar die Worte gehört, denn er sah lächelnd den Sprecher an. Dieser wandte sein Gesicht ab, indem er zwei Finger ausspreizte und das Kreuz schlug.
»Gib mir das Gepäck des Herrn«, sagte der Kutscher, und mit außerordentlicher Geschwindigkeit wurden meine Koffer abgeladen und auf der Kalesche untergebracht. Ich stieg dann auf der Seite des Postwagens aus, wo die Kalesche stand, wobei mit der fremde Kutscher half, indem er meinen Arm mit stahlhartem Griff umspannte; seine Stärke muss beträchtlich sein. Ohne ein Wort zu sagen, zog er die Zügel an, die Pferde wendeten und jagten der finsteren Passenge zu. Als ich zurücksah, bemerkte ich noch den Dampf der Pferde, der im Laternenschein emporstieg, und dunkel sich davon abhebend die sich bekreuzenden Gestalten meiner Reisegenossen. Ich hörte noch, wie der Fuhrmann die Peitsche klatschen ließ und den Pferden etwas zurief; dann flogen sie dahin, der Bukowina zu.
Als sie im Dunkel verschwunden waren, überlief mich ein eisiger Schauer, und das Gefühl der Verlassenheit kam über mich.
Der Kutscher legte mir einen Mantel um die Schultern und eine Decke um die Knie und sagte in fließendem Deutsch zu mir:
»Die Nacht ist kalt, und mein Herr, der Graf, hat mir geboten, besonders auf Sie Acht zu geben; hier unter dem Sitz steht eine Flasche Slibowitz7 (der Pflaumenbranntwein des Landes), falls Sie seiner bedürfen sollten.« Ich nahm nichts davon, aber es war mir immerhin eine Beruhigung zu wissen, dass so für mich gesorgt war. Ich hatte ein eigentümliches Gefühl, welches aber nicht als Furcht bezeichnet werden konnte. Wenn allerdings irgend eine Möglichkeit gewesen wäre, hätte ich lieber auf diese nächtliche Fahrt verzichtet. Der Wagen fuhr in scharfem Tempo dahin, dann machten wir eine vollkommene Kehrtwendung und fuhren wieder in entgegengesetzter Richtung. Ich hatte den Eindruck, als seien wir jedoch noch auf der gleichen Straße; ich merkte