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Mein erster Aufenthalt in Marokko und Reise südlich vom Atlas durch die Oasen Draa und Tafilet. Gerhard RohlfsЧитать онлайн книгу.

Mein erster Aufenthalt in Marokko und Reise südlich vom Atlas durch die Oasen Draa und Tafilet - Gerhard  Rohlfs


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ich zu sagen habe. Das Wort entfiel mir damals, aber später fand ich, dass man in Marokko allgemein für Bleikugel das Wort "chfif", d.h. "leicht" sagt. Gerade die dem Blei entgegenstehende Eigenschaft. Er sagte mir, ich solle nie die Frauen und jungen Mädchen ansehen und als Fremder nicht mit ihnen sprechen, kurz, er gab mir goldene Lehren, machte sich freilich auch am folgenden Tag dafür bezahlt.

      Im Duar logirten wir nicht im Gitun el diaf oder Fremdenzelt, sondern Si- Embark hatte auch hier seinen speciellen Freund, bei dem er Unterkommen fand und ich mit ihm. Hatte ich am Abend vorher zum ersten Male eine einheimische feste Behausung kennen gelernt, so war jetzt das Leben und Weben einer Zeltfamilie mir erschlossen. Ich sah jetzt ein, welch ungemeinen Vortheil ich aus der Maske des Islam ziehen würde. Hätte man einen Christen oder auch einen unter Gepränge reisenden Mohammedaner so ohne Weiteres ins geheiligte Innere eines Familienzeltes zugelassen? Nie. Auf diese Art, unscheinbar, ohne alle Mittel, aber ganz wie die dortige Bevölkerung selbst lebt—auf diese Art reisend, durfte ich hoffen, genau die Sitten und Gebräuche der Eingeborenen kennen zu lernen. Vor mir war keine Scheu, keine Zurückhaltung, Jeder gab sich, wie er war, ja, ich kann sagen, auf dem Lande beeiferte man sich, mich mit Allem, was mir neu und unbekannt war, bekannt zu machen. Freilich war ich auch geplagt dafür vom Morgen bis zum Abend. Ich hatte, um mich besser der zudringlichen Fragen, warum ich gekommen, weshalb ich übergetreten, warum ich nicht heirathe und mich sesshaft mache etc. etc., erwehren zu können, ausgesagt, ich sei Arzt; aber von dem Augenblick war keine Ruhe mehr. Die mit wirklichen Krankheiten Behafteten sowohl, wie die vollkommen Gesunden, Alles wollte Mittel und Rathschläge vom ehemaligen christlichen Arzt haben. Freilich schöpfte ich auch hieraus manchen Nutzen, denn ebenso gut wie in Europa der Arzt manchmal mehr erfährt als der Beichtvater, haben in jeder Beziehung die Marokkaner Vertrauen zu dem Arzte, wenn sie nur einmal den geringsten Beweis seiner Heilkraft erprobt haben.

      Das Zelt, welches wir für die Nacht bewohnten, war dasselbe, worin die ganze Familie unseres Gastgebers zubrachte. Im Allgemeinen sind die Zelte der Marokkaner etwas kleiner als die der Algeriner, aber grösser als die der Bewohner von Tripolitanien und Cyrenaika. Dies gilt indess nur für die Theile in Marokko, die unter der Hand des Sultans oder seiner Blutsauger stehen, in den Gebieten, welche eine unabhängige Herrschaft haben, besitzen die Stämme ebenso grosse, wenn nicht noch grössere Zelte als die der Triben in Algerien. Man kann mit Recht von dem grossen Hause oder grossen Zelte auf den Wohlstand Einzelner, sowie auch ganzer Triben schliessen, und wie bei uns ursprünglich die Redensart: "er ist aus einem grossen Hause", "er macht ein grosses Haus", nicht nur bildlich sondern in Wirklichkeit zu nehmen ist, so auch in Marokko; "min dar kebira", oder "cheima kebira" heisst vom grossen Hause, vom grossen Zelte und bedeutet, dass der, auf den es Bezug hat, wirklich ein grosses Haus oder grosses Zelt, mithin Reichthum und Macht besitzt.

      Man kann wohl denken, dass das Zelt, welches wir bewohnten, nicht zu den grossen gehörte; in der einen Hälfte schliefen Mann und Frau, in der anderen wir und noch zwei männliche halberwachsene Kinder. Die Scheidewand war durch die im Zelte üblichen Möbel gebildet: hohe Säcke mit Korn, darauf ein Sattel, Ackergeräth, zwei Flinten, ein grosser Schlauch mit Wasser, ein anderer, worin gebuttert wird und der nur halb voll zu sein schien6, Töpfe und leere hölzerne Schüsseln vervollständigten die trennende Barrikade. Bei Vornehmen pflegt aber aus Zeug eine Scheidewand gezogen zu sein. Ein kleines Füllen, welches an unserer Seite angebunden war, bekam mehrere Male Nachts Gesellschaft, Ziegen, Schafe, wahrscheinlich Besitz des Eigenthümers, kamen aus der Mitte des Duars ins Zelt, um einen kurzen Besuch zu machen, wobei sie ungenirt über uns wegkletterten. Glücklicherweise sind die Hunde des Zeltes, in das man einmal aufgenommen ist, nicht mehr zu fürchten, es ist, als ob sie den Gastfreund ihres Herrn respectiren wollten. Aber wehe Dem, der ohne Knittel Nachts einen Duar verlassen oder in denselben einzudringen versuchen wollte, er würde von der ganzen Meute der stets halbverhungerten Bestien angefallen werden. Und dennoch kommt mitunter Diebstahl vor, man lockt durch faules oder frisches Fleisch die hungerigen Thiere fort, und mit Leichtigkeit kann dann gestohlen werden, da die Eingeborenen sich Nachts nur auf die Wachsamkeit ihrer Hunde verlassen.

      Die Heerden, d.h. Rinder, Schafe und Ziegen werden stets für die Nacht in den inneren Kreis getrieben und Morgens und Abends gemolken. Besitzt ein Einzelner viele Schafe, so werden sie in zwei Reihen mit den Köpfen nach vorn gerichtet, durcheinander gebunden, um so gemolken zu werden. Sobald ein Schaf gemolken ist, wird es freigelassen. Unter der Zeit führen die Widder der verschiedenen Heerden furchtbare Kämpfe auf und meistens lassen die Besitzer sie gewähren. Ein jeder der Kämpfer geht ungefähr zehn Schritt zurück, und sodann stürzen beide mit gesenktem Kopfe auf einander, dass die Köpfe zu zerspringen drohen. Sie bohren nach jedem Stosse mit dem Kopfe nach vorwärts, sie fallen auf die Knie, endlich räumt der eine das Feld, während der andere laut schnuppernd zu seiner Heerde eilt. Das marokkanische Schaf ist nicht das fettschwänzige. Die Hörner des Schafes sind spiralförmig gebogen, der Kopf ist vorn gewölbt, die Wolle lang und fein, durch Veredlung dieses Schafes ist das spanische Merino entstanden. Für Veredlung der Race der Schafe wird natürlich in Marokko gar nichts gethan, im Gegentheil wundert man sich, dass sie bei so ungünstiger Behandlungsweise noch so ausgezeichnet gedeihen. Hemsö schätzt die Zahl der Schafe auf vierzig bis fünfundvierzig Millionen. Wo Schafe sind, ist gleichzeitig auch Ziegenzucht und verhältnissmässig gedeihen diese besser, weil sie weniger Wartung bedürfen. Vorzugsweise in den gebirgigen Theilen Marokko's zieht man dieselben, und von den Einwohnern werden sie wegen ihrer Felle geschätzt. Die Schläuche zum Wasserbedarf, Eimer, sind nur dann gut, wenn sie aus Ziegen- oder Bockfellen bereitet sind. Aber auch das gegerbte Leder, Safian, Maroquin, oder das, was heute am bewährtesten ist, Fessian und das von Tafilet wird aus Ziegenleder bereitet; als Fleisch zieht der Marokkaner jedoch Schaffleisch dem Ziegenfleisch vor.

      Am Morgen ehe wir den Duar verliessen, gab man uns statt der üblichen Morgensuppe, ein Gericht grosser Bohnen, welche in Wasser gekocht und mit Butter gegessen wurden. Wir hatten die Absicht, Abends noch die Stadt L'xor zu erreichen. Wie am Tage vorher war die Hitze ausserordentlich, und ich fing bald an, mich meiner überflüssigen Kleidungsstücke zu entledigen, auch mein spanisches Mützchen wurde dem Bündel beigefügt und dafür aus meinem Tuch zum besseren Schutz gegen die Sonne ein Turban gedreht. Si-Embark war freundlich genug, das Packet, mein ganzes Hab und Gut auf sein Maulthier zu nehmen, welches in zwei an beiden Seiten angebundenen Körben, "Schuari" genannt, verschiedene Waaren seines Herrn trug. So wurde Tleta-Risane erreicht, Oertlichkeit, wo Dienstags ein Markt abgehalten wird; ungefähr halbwegs zwischen Tanger und L'xor gelegen, zeichnet sich dieser Platz sonst durch nichts aus. Manchmal soll auch in der Nähe ein Duar zu finden sein, zu der Zeit sahen wir nur eine leere Stätte, die aber auf den ersten Blick andeutete, dass zu Zeiten dort grosses Leben und Treiben sein müsste. Hier standen leere Hütten aus Zweigen, dort waren Metzgerplätze, und viele Aasgeier und Raben durchwühlten noch den blutdurchtränkten Boden, hier sah man Asche der Schmiedewerkstätte, dort todte Kohlenreste einer Garküche, aber nirgends war ein Mensch zu sehen.

      Da Wasser in der Nähe war und die Sonne ihren höchsten Stand erreicht hatte, würde gelagert, und nachdem wir etwas trockenes Brod gegessen hatten, sagte Si-Embark, er wolle einen Freund aus einem in der Nähe lagernden Duar abholen, ich solle ihn erwarten, gemeinschaftlich wollten wir dann nach L'xor gehen. Ich wagte nicht, um nicht misstrauisch zu scheinen, ihn um mein Bündelchen zu bitten, er entfernte sich und nie habe ich ihn wiedergesehen.

      Ich wartete und wartete, Si-Embark kam nicht wieder; die dem Untergange zueilende Sonne mahnte aber zum Aufbruch. Indess ein ängstliches Gefühl beschlich mich, so allein auf jetzt völlig einsamer Strasse weiter zu ziehen, sämmtlicher Sachen beraubt. Ich hatte vor, nach Tanger zurückzukehren, aber ich schämte mich, nach einer dreitägigen Reise dort und noch dazu unter solchen Verhältnissen wieder zu erscheinen. Ich nahm noch einen tüchtigen Trunk Wasser und vorwärts zog ich nach Süden. Da Si- Embark mir gesagt hatte, im Funduk el Sultan in L'xor absteigen zu wollen, hoffte ich noch, ihn dort zu finden;


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