Die großen Ordensgründer. Anton Grabner-HaiderЧитать онлайн книгу.
20. Jahrhundert zusätzlich einen kleinen Überblick über bedeutende Ordensfrauen in der Geschichte des Mönchtums. Das Buch wird mit einer gerafften Darstellung der so genannten Säkularinstitute und der religiösen Bewegungen (movimenti) der Gegenwart und einigen Überlegungen zur Zukunft der Orden abgeschlossen. Diese Überlegungen verstehen sich als Problemanzeige zur Frage, wie die spirituellen Leitideen und einige der Lebensformen der Orden und Klöster auch in einer postmodernen Zeit gelebt werden können.
Danken möchte ich Herrn Kardinal Dr. Christoph Schönborn (Wien), der mir wertvolle Informationen über die »Movimenti« in Österreich zur Verfügung gestellt hat, sowie Pater August Janisch vom Stift Rein bei Graz, der mich auf wichtige Literatur zur gesamten Thematik aufmerksam gemacht hat.
Anton Grabner-Haider
EINLEITUNG:
AUF DEN SPUREN JESU – ZURÜCK ZU DEN ANFÄNGEN!
Die Orden und Klöster haben ohne Zweifel die christliche und europäische Kultur durch fast 1600 Jahre entscheidend mitgeprägt. Dabei haben sie eine Vielfalt an Lebensformen, Denkweisen und Glaubensüberzeugungen entfaltet. In der Frühzeit waren es Wanderlehrer und Einsiedler sowie Gruppen von gottgeweihten Mönchen und »Jungfrauen«, die asketisch lebten und ganz dem göttlichen Willen folgen wollten. Auch die frühe Jesusbewegung bestand schon aus solchen Wanderasketen, die ihren sesshaften Zeitgenossen ein damals erstrebenswertes, alternatives Lebensmodell vorführten.
Es waren vielfach marginalisierte Personen, soziale Außenseiter, die durch den großen Druck der Steuern und die Ausbeutung durch die Reichen wirtschaftlich nicht mehr weiterkonnten und daher aus ihren gesellschaftlichen Bezügen ausbrechen mussten. Deren Verzicht auf entfaltete Sexualität und die Weitergabe des Lebens war auch ein Protest gegen eine sozial ungerechte Welt und Gesellschaft. Sie dagegen lebten in einer engen Beziehung zu Gott, bei dem sie sich als ihrem Schöpfer geborgen fühlten. Zeitweise verzichteten sie auf Essen und Trinken, auf Schlaf und eben auch auf Sexualität, um dieser ihrer Gottheit näher zu sein.
Diese frühen Wanderasketen übten sich im Gebet und im einfachen Leben, viele von ihnen waren wohl Ekstatiker. Sie folgten den Empfehlungen des Wanderlehrers Jesus von Nazaret, der aus ihrer Sicht zu Demut, Armut und sexueller Enthaltsamkeit aufgerufen hatte. Aus diesen Wertvorgaben wurden später die so genannten »evangelischen Räte«, die das Leben der Mönche und Nonnen entscheidend prägen sollten. Der Begriff Mönch bezeichnet ursprünglich den als Einzelnen Lebenden (griech. monachos = der Einzelne), Nonne lautet sich vom lateinischen nonna her und bedeutet Mutter und Großmutter.
Diese Wanderasketen lebten schon bald in losen Verbindungen und fluktuierenden Gemeinschaften, andere wiederum verbanden sich zu dauerhaften Lebensgemeinschaften, die im Osten anfänglich den Regeln des griechischen und im Westen jenen des römischen Hauses folgten. So entstanden die ersten christlichen Klöster in Ägypten, in Palästina und in Syrien. Zu den gottgeweihten Mönchen und Jungfrauen kamen viele Menschen aus den Dörfern und Städten, um sich bei ihnen Rat zu holen, von Krankheiten geheilt zu werden und göttlichen Segen zu erbitten, da die Ansicht allgemein verbreitet war, dass diese Personen dem Göttlichen besonders nahestanden.
Nach dem Vorbild dieser frühen Klöster entstanden später viele religiöse Gemeinschaften und Orden (ordo = kirchliche Ordnung), in denen sich Männer und Frauen getrennt den Aufgaben der Glaubensverkündigung, Bildung und Sozialhilfe verschrieben haben. So haben die Gründer der kirchlichen Ordensgemeinschaften das christliche Leben nachhaltig und bleibend geprägt. Sie haben große Gemeinschaften geschaffen, die durch viele Jahrhunderte den Glauben gelebt und die Nächstenliebe in organisierter Form verwirklicht haben. Sie haben unterschiedliche Formen der Spiritualität und des geistlichen Lebens angeregt und damit auch das Leben der Laienchristen bereichert.
Viele dieser Ordensgründer werden in der Kirche als Heilige verehrt, nämlich als Vorbilder des guten und gelingenden Lebens. In der katholischen Kirche und in den Ostkirchen gelten sie als Fürsprecher bei Gott, die den Gläubigen göttliche Gnadenkraft vermitteln können. In sehr unterschiedlichen Zeitepochen haben sie die Nöte ihrer Mitmenschen und Mitchristen deutlich erkannt und haben Hilfsorganisationen für den Dienst an den Kranken, den Armen und den Außenseitern aufgebaut. Stets lebten sie in einer intensiven Liebesbeziehung zu Gott, zu Christus, wie auch zu Maria oder zu anderen Heiligen.
Die Anfänge der Orden gehen, genau betrachtet, schon auf die frühe Jesusbewegung zurück. Jesus wählte nach dem Zeugnis der vier Evangelien aus seinen Anhängern so genannte Wanderlehrer und Wandercharismatiker aus (Mk 6,7-13), die mit ihm von Ort zu Ort und von Dorf zu Dorf zogen, um dort die Botschaft vom Reich Gottes zu verkünden. Die meisten seiner Anhänger lebten jedoch sesshaft bei ihren Familien in Dörfern und unterstützten die Wanderlehrer mit Nahrung und Unterkunft.
Diese Zweiteilung setzte sich in vielen frühchristlichen Gemeinden fort. Auch dort gab es Gruppen, die wandernd unterwegs waren und das Evangelium von Jesus Christus verkündeten, neben den vielen sesshaften Christen in den Städten und Dörfern. Die Missionare der Botschaft Jesu waren mehrheitlich Männer, weil dem Zeugnis von Frauen in der antiken Gesellschaft weniger Wert beigemessen wurde. Und doch beteiligten sich auch Frauen an der Glaubensverkündigung und auch manche verheiratete Paare waren als Missionare unterwegs. Es ist möglich, dass Jesus selbst schon Paare als Wanderprediger ausschickte. Sicher wissen wir aber von frühchristlichen Gemeinden, etwa denen des Paulus, dass Paare missionarisch tätig waren (Röm 16,3).
Diese Wanderlehrer, aber auch die so genannten Propheten und Ekstatiker wurden als Eliten des christlichen Glaubens angesehen. Zu ihnen zählten alle Personen, die in ekstatischen Visionen den gekreuzigten Jesus als auferstandenen Christus gesehen hatten. Als die Ortsgemeinden größer wurden, gaben sie sich feste Leitungsstrukturen, mehrheitlich mit den Funktionen der Presbyter, Episkopen und Diakonen. Von da an traten die missionierenden Propheten und Prophetinnen häufig in ein Konkurrenzverhältnis zu den Leitern der sesshaften Ortsgemeinden. Diese versuchten fortan, das prophetische Element ein wenig zurückzudrängen.
Bereits im 2. Jahrhundert n. Chr. bildeten sich in den christlichen Gemeinden zwei verschiedene Gruppen von Christen, nämlich die Klerikerchristen und die Laienchristen. Jenen, die in der Gemeindeleitung tätig waren und im Gottesdienst Funktionen ausübten, nannten sich bald Kleriker, da sie glaubten, von Gott ein besonderes Los (kleros) zugeteilt bekommen zu haben. Zu ihnen gehörten Episkopen, Presbyter und Diakone, die im Gottesdienst eigene Plätze um den Altar zugeteilt bekamen. Das christliche Volk (laos = Volk) bildete demgegenüber die viel größere Zahl der Laienchristen. Sie wurden von den Klerikern im Glauben und in der Moral unterwiesen und finanzierten mit den Erträgen ihrer Arbeit die Gemeinden.
Schon früh kristallisierte sich über die Gruppe der Laienchristen und Kleriker hinaus eine dritte Gruppe von Gläubigen heraus, die das prophetische Element der frühen Gemeinden weitertrugen. Sie bildeten formell noch keinen eigenen Stand, waren aber in ihrer Wertschätzung deutlich von den Laienchristen abgehoben. Zu diesen Personen gehörten die Witwen, die nach dem Tod ihrer Ehemänner nicht mehr heirateten, sondern in kleinen Gemeinschaften in Familienhäusern lebten. Zu ihnen gehörten auch die so genannten »Jungfrauen« (griech. parthenoi, lat. virgines), die in verschiedenen Altersgruppen ehelos zusammenlebten. Von ihnen wurde angenommen, dass sie der christlichen Gemeinde göttlichen Segen bringen.
Diese ehelosen Frauen wurden auch als Vorbilder des guten Lebens in der Nachfolge Jesu geschätzt. Den Witwen unter 40 Jahren wurde von den Gemeindeleitern empfohlen, noch einmal zu heiraten und Kinder zu erziehen. Die Witwen über 40 sollten unverheiratet bleiben, um sich besonderen sozialen Diensten widmen zu können. Gemeinschaften unverheirateter Männer sind in den frühen christlichen Gemeinden nicht nachweisbar. Die Pastoralbriefe im Neuen Testament empfehlen, dass der Bischof und wohl auch die Presbyter und Diakone verheiratet sein und Kinder erziehen sollten, aber nach dem Tod ihres Ehepartners nicht mehr heiraten (1 Tim 3) sollten. Hier sind aber keine einheitlichen Regelungen für alle frühen Gemeinden zu erkennen.
In manchen Regionen wurde den Leitern der Gottesdienste empfohlen, ähnlich wie den jüdischen Priestern beim Tempeldienst, eine Zeitlang vor dem Gottesdienst auf sexuelle Betätigung