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Schloss Gripsholm. Kurt TucholskyЧитать онлайн книгу.

Schloss Gripsholm - Kurt  Tucholsky


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      Wir be­sich­tig­ten die Zim­mer. Sie wa­ren groß und schön; alte Ein­rich­tungs­stücke des Schlos­ses stan­den dar­in, in ei­nem schwe­ren be­hag­li­chen Stil; ich sah kei­ne Ein­zel­hei­ten mit mei­nen blin­den Au­gen – aber es sprach zu mir. Und es sag­te: Ja.

      Aus ei­nem Fens­ter blick­te man auf das Was­ser, aus ei­nem an­de­ren in einen stil­len klei­nen Park. Die Prin­zes­sin, die die Ver­nunft ih­res Ge­schlechts hat­te, sah sich in­zwi­schen an, wo man sich wa­schen konn­te und wie es mit den Lo­ka­li­tä­ten be­stellt wäre … und kam zu­frie­den zu­rück. Der Preis war er­staun­lich bil­lig. »Wie kommt das?« frag­te ich den Di­cken; wir sind selbst dem Glück ge­gen­über so arg­wöh­nisch. Die Dame im Schloss täte es aus Freund­lich­keit für ihn, denn sie kann­te ihn, auch ka­men sel­ten Leu­te hier­her, die lan­ge blei­ben woll­ten. Ma­rie­fred war als klei­ner Aus­flugs­ort be­kannt; man weiß, wie sol­che Be­zeich­nun­gen den Plät­zen an­haf­ten. Da mie­te­ten wir.

      Und als wir ge­mie­tet hat­ten, sprach ich die gol­de­nen Wor­te mei­nes Le­bens: »Wir hät­ten sol­len …« und be­kam von der Prin­zes­sin einen Ba­cken­streich: »Oll Krit­tel­kopp!« Und dann be­gos­sen wir die Mie­tung mit je ei­nem großen Brannt­wein, wir alle drei. »Ken­nen Sie die Frau im Schloss gut? Sie ist doch so nett zu uns?« frag­te ich Herrn Bengts­son. – »Wis­sen Sie«, sag­te er nach­denk­lich, »den Af­fen ken­nen alle – aber der Affe kennt kei­nen.« Und das sa­hen wir denn auch ein. Und dann ver­ab­schie­de­te sich der Di­cke. Die Kof­fer ka­men, und wir pack­ten aus, stell­ten die Mö­bel so lan­ge um, bis sie alle wie­der auf dem­sel­ben Platz stan­den wie zu An­fang … die Prin­zes­sin ba­de­te Pro­be, und ich muss­te mich dar­über freu­en, wie sie nackt durchs Zim­mer ge­hen konn­te – wirk­lich wie eine Prin­zes­sin. Nein, gar nicht wie eine Prin­zes­sin: wie eine Frau, die weiß, dass sie einen schö­nen Kör­per hat. »Ly­dia«, sag­te ich, »in Pa­ris war ein­mal eine Hol­län­de­rin, die hat sich auf ih­ren Ober­schen­kel die Stel­le tä­to­wie­ren las­sen, auf die sie am liebs­ten ge­küsst wer­den woll­te. Darf ich fra­gen …« Sie ant­wor­te­te. Und es be­ginnt nun­mehr der Ab­schnitt

      Wir la­gen auf der Wie­se und bau­mel­ten mit der See­le.

      Der Him­mel war weiß ge­fleckt; wenn man von der Son­ne recht schön an­ge­bra­ten war, kam eine Wol­ke, ein leich­ter Wind lief da­her, und es wur­de ein we­nig kühl. Ein Hund trot­te­te über das Gras, da­hin­ten. »Was ist das für ei­ner?« frag­te ich. – »Das ist ein Bull­da­ckel«, sag­te die Prin­zes­sin. Und dann lie­ßen wir wie­der den Wind über uns hin­ge­hen und sag­ten gar nichts. Das ist schön, mit je­mand schwei­gen zu kön­nen.

      »Jun­ge«, sag­te sie plötz­lich. »Es ist ganz schreck­lich – aber ich bin noch nicht hier. Gott seg­ne die­se Ber­li­ner Ar­beit. In mei­nem Kopf macht es noch im­mer: Burr­burr … Der Alte und all das Zeugs …«

      »Wie ist der Alte jetzt ei­gent­lich?« frag­te ich faul.

      »Na … wie im­mer … Er ist dick, neu­gie­rig, fei­ge und scha­den­froh. Aber sonst ist er ein ganz net­ter Mensch. Dick – das wäre ja zu er­tra­gen. Ich habe di­cke Män­ner ganz gern.« Ich mach­te eine Be­we­gung. »Brauchst dir gar nichts ein­zu­bil­den … Dein biss­chen Fett!«

      »Du glaubst wohl, weil du Ly­dia heißt, du wärst was Bes­se­res! Ich will dir mal was sa­gen …« Nach­dem sich die Un­ter­hal­tung wie­der ge­setzt hat­te: »Also gut, dick. Aber sei­ne Neu­gier … er hät­te am liebs­ten, ich er­zähl­te ihm je­den Tag einen neu­en Klatsch aus der Bran­che. Er ist ein see­li­scher Voy­eur. Er selbst nimmt an den meis­ten Din­gen gar nicht rich­tig teil; aber er will ganz ge­nau wis­sen, was die an­de­ren ma­chen und wie sie es ma­chen und mit wem, und wie viel sie wohl ver­die­nen das vor al­lem! Und wo­von sie le­ben … Wie? Wie er Geld ver­dient? Das macht er durch sei­ne rück­sichts­lo­se Frech­heit. Dad­dy, das ler­nen wir ja nie! Ich sehe das nun schon vier Jah­re mit an, wie der Herr Ge­ne­ral­kon­sul zum Bei­spiel nicht zahlt, wenn er zah­len soll. Wir könn­ten das nicht, des­halb kom­men wir ja auch nicht zu Geld. Das muss man mit­an­se­hen! Da kann aber kom­men, wer will; die­se ei­ser­ne Stirn, mit der er un­ter­schrie­be­ne Ver­trä­ge ver­dreht, ab­leug­net, sich plötz­lich nicht mehr er­in­nert, wie er sich ver­leug­nen lässt … nein, Dad­dy, du lernst es nicht. Du willst es doch im­mer ler­nen! Du lernst es nicht!«

      »Las­sen die Leu­te sich denn das ge­fal­len?«

      »Was sol­len sie denn ma­chen? Wenn es Ih­nen nicht passt, sagt er, dann kla­gen Sie doch! Aber ich be­zie­he dann bei Ih­nen nichts mehr! Und das hält er auch ei­sern durch. Das wis­sen die Leu­te ganz ge­nau – sie ge­ben schließ­lich nach. Neu­lich ha­ben wir doch das gan­ze Büro re­no­vie­ren las­sen – was er da mit den Hand­wer­kern ge­trie­ben hat! Ja, aber auf die­se Wei­se kommt man nach Ab­ba­zia, und die Hand­wer­ker fah­ren mit der Hand übern Alex­an­der­platz. So gleicht sich al­les im Le­ben aus.«

      »Und wie­so ist er scha­den­froh?«

      »Das muss ein Erb­feh­ler sein – an die­ser Scha­den­freu­de ha­ben of­fen­bar Ge­ne­ra­tio­nen mit­ge­ar­bei­tet. Ei­ner al­lein schafft das nicht. Ich glau­be, wenn ihm sein bes­ter Freund einen Ge­fal­len tun will, dann muss er sich zum Ge­burts­tag vom Chef das Bein bre­chen. Ich habe so et­was noch nicht ge­sehn. Der Mann sucht gra­de­zu nach Ge­le­gen­hei­ten, wo er sich über das Mal­heur ei­nes an­de­ren freu­en kann … Es ist viel­leicht, um sich die eig­ne Über­le­gen­heit zu be­wei­sen; wenn er frech wird, hält er sich für sehr über­le­gen. Das muss es wohl sein. Er ist so un­si­cher …«

      »Das sind sie bei­nah alle. Ist dir noch nicht auf­ge­fal­len, wie viel Frech­heit durch Un­si­cher­heit zu er­klä­ren ist?«

      »Ja … Das ist eine ver­gnüg­te Stadt! Aber was soll ich ma­chen? Da sa­gen sie: So eine Frau wie Sie! … Wenn ich das schon höre! … Ir­gend­ei­nen Stie­sel hei­ra­ten … Du lachst. Dad­dy, ich kann mit die­sen Brü­dern nicht le­ben. Na ja, das Geld. Aber es ist doch nicht bloß der Schlaf­wa­gen und das große Auto; das Schlimms­te ist doch, wenn sie dann re­den! Und wenn sie erst an­fan­gen, sich ge­hen­zu­las­sen … Komm, es wird kühl.«

      Der Uhr nach wur­de es nun lang­sam Abend; hier aber war noch al­les hell, es wa­ren die hel­len Näch­te, und wenn Grips­holm auch nicht gar so nörd­lich lag, so wur­de es dort nur für ei­ni­ge Stun­den dun­kel, und ganz dun­kel wur­de es nie. Wir gin­gen über die Wie­sen und blick­ten auf das Gras.

      »Wir wol­len zu Abend es­sas!« sag­te die Prin­zes­sin auf schwe­disch.

      Wir aßen, und ich trank sehr an­däch­tig Was­ser dazu. Wenn man in ein frem­des Land kommt, dann muss man erst ein­mal das frem­de Was­ser in sich hin­ein­glu­ckern las­sen, das gibt ei­nem den wah­ren Ge­schmack der Frem­de. Da sa­ßen wir und rauch­ten. So – und jetzt be­gan­nen die Fe­ri­en, die rich­ti­gen Fe­ri­en.

      Die Vor­hän­ge des Schlaf­zim­mers wa­ren dicht zu­ge­zo­gen und mit Na­deln zu­ge­steckt. Män­ner kön­nen nur im tie­fen Dun­kel schla­fen; die Prin­zes­sin hielt das gra­de­zu für ein männ­li­ches Ge­schlechts­merk­mal. Ich las. »Rasch­le nicht so bös­ar­tig mit der Zei­tung!« sag­te sie.

      In die­ser Nacht dreh­te sich die Prin­zes­sin um und schlief wie ein Stein. Sie at­me­te kaum; ich hör­te sie nicht. Ich las.

      Es ist vor­ge­kom­men, dass ich nachts, in wil­der Traum­furcht, auf­ge­fah­ren


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