Butler Parker 183 – Kriminalroman. Günter DöngesЧитать онлайн книгу.
>
»Aufdringlich wie eine Schmeißfliege«, grollte Agatha Simpson und verrenkte sich fast den Hals, als sie dem kleinen Hubschrauber nachblickte, der gerade wieder im Tiefflug über sie hinweg taumelte und dann hinter einer kleinen Anhöhe verschwand.
»Möglicherweise hat der Pilot gewisse Schwierigkeiten mit seiner momentanen Position«, gab Butler Parker zurück, »das Wetter ist nicht gerade als ideal zu bezeichnen.«
Es regnete, und von der nahen Küste trieben zusätzlich noch Nebelschleier über das Land. Mylady hatte sich einen fußlangen Wettermantel übergezogen und wurde außerdem von Parkers aufgespanntem Universal-Regenschirm beschützt. Mylady und der Butler befanden sich auf einem schmalen Feldweg, der von hohen Büschen und Sträuchern gesäumt wurde. Sie waren auf dem Weg zurück zu Parkers hochbeinigem Monstrum, das an der nahen Landstraße abgestellt worden war.
»Da ist diese Schmeißfliege wieder«, räsonierte die ältere Dame und blieb stehen, »so schwer kann es doch gar nicht sein, eine passende Wiese zu finden, Mr. Parker.«
»Möglicherweise sucht der Pilot eine ganz bestimmte Wiese oder ein ländliches Anwesen, Mylady.«
Mylady antwortete, doch ihre Worte gingen im Lärm der Rotoren unter. Der Hubschrauber kurvte ein und ging in einen geradezu halsbrecherischen Tiefflug über. Seine Landekufen streiften fast die Kronen der Büsche, und Lady Agatha zog unwillkürlich den Kopf ein. Wenig später zog der Hubschrauber wieder hoch und verschwand hinter den Schornsteinen des kleinen Gasthofes, dem die passionierte Detektivin und ihr Butler eben erst den Rücken gekehrt hatten, ohne dort eingelassen worden zu sein.
»Falls der Pilot landet, kann er mit einigen Ohrfeigen rechnen«, kündigte die ältere Dame an, die das sechzigste Lebensjahr mit Sicherheit bereits überschritten hatte. Sie war groß, füllig und von majestätischer Erscheinung. Agatha Simpson war eine Dame von hohem Rang, mit dem Blut- und Geldadel der Insel eng verschwistert und verschwägert. Immens reich, ging sie ihrem Hobby nach und betätigte sich als Privatdetektivin. Ihre Energie dabei war kaum weniger groß als ihre Unvorsichtigkeit. Sie sprühte stets vor Energie und ließ grundsätzlich keine Gelegenheit aus, in irgendein Fettnäpfchen zu treten.
Erneut geriet sie in Zorn, als der kleine Hubschrauber mit dem Gitterrumpf heranflatterte und nun direkt auf sie zuhielt. Die ältere Dame schob den Regenschirm, den Parker hielt, zur Seite und drohte nach oben. Dabei verrutschte ihr Hut, der eine skurrile Mischung aus einem Südwester und einem Napfkuchen darstellte.
Der Pilot des Hubschraubers schien diese Geste der Drohung mißverstanden zu haben – oder aber er wollte sich revanchieren. Parker sah deutlich, daß der Mann im verglasten Cockpit plötzlich einen dunklen Gegenstand nach unten warf, dann sein Fluggerät wieder hochzog und erneut hinter dem Gasthof verschwand.
Der Gegenstand gehorchte inzwischen den Gesetzen der Schwerkraft und fiel in leichtem Bogen nach unten. Die Luftwirbel der Rotoren mußten den dunklen Gegenstand leicht abgelenkt haben. Hinzu kam wohl auch noch der Wind, der die Nebelschwaden über das Land trieb.
Dicht neben Lady Agatha klatschte ein Päckchen in einen Strauch. Zweige brachen und wurden abgerissen. Dann kollerte das Gastgeschenk aus der Luft vor die nicht gerade kleinen Füße der älteren Dame, die unwillkürlich einen Hüpfer zur Seite tat.
»Haben Sie das gerade gesehen, Mr. Parker?« fragte sie dann und schnaubte vor Empörung, »der Lümmel da oben wollte mich treffen.«
»Ein Eindruck, Mylady, dem meine Wenigkeit nicht unbedingt widersprechen möchte«, gab Josuah Parker zurück und bückte sich nach dem Päckchen, das kaum größer war als eine Packung für Waschmittel. Es war sehr gut verklebt und verschnürt.
»Was sage ich denn dazu?« fragte Lady Agatha neugierig.
»Mylady dürften überrascht sein«, gab Josuah Parker zurück, »das Päckchen macht einen durchaus wasserdichten Eindruck.«
»Vielleicht eine Bombe«, hoffte die Detektivin, die sich auf jedes Abenteuer freute.
»Falls Mylady wünschen, könnte man das Päckchen öffnen.«
»Selbstverständlich will ich sehen, was man mir da auf den Kopf werfen wollte«, entgegnete die ältere Dame, während Parker das Päckchen hochnahm und sein rechtes Ohr daran legte.
»Ein deutliches Ticken, nicht wahr?« Ihre grauen Augen funkelten vor Erwartung.
»Nicht unbedingt, Mylady«, dämpfte Parker die freudige Hoffnung seiner Herrin, »aber vielleicht hat man es mit einem sogenannten Säurezünder zu tun.«
»Hauptsache, Mr. Parker, es ist eine Bombe«, meinte sie, »man stellte mir also wieder mal nach und will mich umbringen.«
»Man könnte das Päckchen vielleicht im Wagen öffnen«, schlug Josuah Parker in seiner höflichen Art vor. Er war längst davon überzeugt, daß man es auf keinen Fall mit einer Bombe zu tun hatte. Und er glaubte bereits zu wissen, daß man Mylady und ihn wohl verwechselt hatte. Der Regen und der immer dichter werdende Nebel mußten dem Piloten des Hubschraubers die genaue Sicht genommen haben.
Parker hielt längst wieder seinen Schirm über das Haupt der Lady und geleitete sie hinüber zur nahen Ladenstraße. Er war ein etwas über mittelgroßer, fast schlanker Mann und schon rein äußerlich das Urbild eines hochherrschaftlichen englischen Butlers. Sein glattes und meist ausdrucksloses Gesicht ließ kaum einen Rückschluß auf sein Alter zu.
Josuah Parker trug zur schwarzen Melone einen ebenfalls schwarzen Covercoat, einen weißen Eckkragen und einen schwarzen Binder. Seine Hände wurden umschlossen von schwarzen Lederhandschuhen.
»Ich bleibe dabei, daß man mich umbringen wollte«, behauptete Lady Agatha und ... runzelte verärgert die Stirn, als plötzlich zwei Schüsse fielen.
*
»Das haben Sie absichtlich getan«, grollte die ältere Dame einige Minuten später und verschmähte Parkers hilfreiche Hand. Der Butler hatte seine Herrin kurzerhand zur Seite gestoßen und in einen der mannshohen Sträucher befördert. Sie wischte einige nasse Blätter aus dem Gesicht und maß Parker mit drohendem Blick.
»Es ging um Myladys Leben«, erwiderte der Butler, »Mylady dürften kaum entgangen sein, daß geschossen wurde.«
»Tatsächlich?« Sie entspannte sich und sah ihren Butler bereits bedeutend freundlicher an.
»Es handelte sich um zwei Schüsse, Mylady«, sagte Josuah Parker, »meiner bescheidenen Ansicht nach kamen sie aus der Richtung jenes Gasthofes, dessen Türen sich als verschlossen erwiesen.«
»Dann hat man also absichtlich nicht geöffnet, nicht wahr?«
»Dieser Schluß, Mylady, drängt sich in der Tat auf.«
»Dann werde ich noch mal zurückgehen«, entschied sie, »Schüsse aus dem Hinterhalt kann ich nicht ausstehen.«
Sie schien das gut verschnürte Päckchen schon wieder vergessen zu haben und setzte ihre majestätische Fülle sofort in Bewegung. Sie verzichtete auf den Schutz von Parkers Regenschirm und stampfte ungeniert durch die Pfützen und Wasserlachen des Feldweges.
Josuah Parker folgte selbstverständlich.
Ihm war längst klar, daß man sich keineswegs allein in dieser engeren Region befand. Der Regen war inzwischen noch stärker geworden, der Nebel noch dichter. Es war inzwischen sehr dunkel geworden, die Sichtverhältnisse mehr als schlecht.
Als ein starker Windstoß einige Nebelvorhänge zur Seite blies, war der Gasthof wieder zu sehen. Die Fensterläden waren nach wie vor geschlossen, das anderthalbstöckige Haus aus Fachwerk und Bruchsteinen machte einen abweisenden, unbewohnten Eindruck. Lady Agatha, die die Tür erreicht hatte, klopfte mit der Faust gegen das Türblatt. Das Dröhnen mußte im Haus gehört werden, falls es Bewohner gab.
»Nichts«, sagte die ältere Dame leicht gereizt, »man will mich natürlich an der Nase herumführen, Mr. Parker.«
»Möglicherweise ist die Tür nur angelehnt«, erwiderte Josuah Parker und holte sein kleines Spezialbesteck aus einer seiner vielen Westentaschen. Er führte eine Art Pfeifenreiniger in das Türschloß und brauchte nur wenige Augenblicke, bis es nachgab. Als er die Tür