Alexander von Ungern-Sternberg: Historische Romane, Seesagen, Märchen & Biografien. Alexander von Ungern-SternbergЧитать онлайн книгу.
am sichersten überzeugt, daß wir es nicht sein können.«
Sie kamen jetzt an die letzten Häuser, meistenteils elende, halbverfallene Hütten, die von Fischern und Strandbauern bewohnt wurden; vor einer derselben, die ein wenig besser aussah, als die übrigen, standen die Beiden und klopften an. Eine alte Magd öffnete leise und leuchtete vorsichtig mit der Laterne in die Nacht hinaus; als sie den Herzog erkannte, wich sie demütig zurück, die Beiden traten gebückt hinein und hinter ihnen schloß sich die kleine Türe wieder. Im Innern des ärmlichen Hüttchens öffnete sich wider Erwarten eine Reihe, wenn auch nicht prachtvoller, doch auf das zierlichste ausgestatteter Zimmer, die auf eine kluge Weise nach der Straße dem Auge verdeckt lagen und sich nur gegen den einsamen Hof, der sorgfältig verschlossen gehalten wurde, ausdehnten. Helle, glänzend gefärbte Wände prangten in reizenden Pariser Wandgemälden, die tropischen Gewächse einer heißen Zone darstellend, nebst Badeszenen, wo schwarze afrikanische Schönen sich in silberhelle Gewässer tauchten. Ein mit Gold und Ketten geschmückter Armleuchter schwebte von der Decke nieder und strömte das klare Licht von schlanken Wachskerzen auf die purpurnen Sammetsessel und Diwans, welche längs den Wänden in orientalischem Luxus aufgestellt waren. Große, üppige Rosen und Astern hingen aus blitzenden Kristallschalen, passend verteilt, ihre Blumenhäupter nieder, und über dem eleganten Pianoforte hing ein süßes Bild von Carlo Dolce, einen schönen Heiligen darstellend, dessen weichen Jünglingskörper blutige Märtyrwunden mehr schmückten als entstellten.
Der Fuß des Herzogs schritt leicht und siegreich über die feinen, persischen Teppiche hin; er war eben im Begriff, die Reihe der schönen Gemächer zu durcheilen, um den Gegenstand seines Wunsches zu suchen, als dieser ihm schon aus einer Seitentüre mehr entgegen flog als trat. Ein helles, lächelndes Mädchen, das goldne Haar kunstlos auf den Nacken niederflatternd, das strahlende, große Auge mit einer Freudenträne gefüllt, warf sich mit entzückter Hast an die breite Brust des Geliebten; hinter ihr trat eine Dienerin ein, die sich mit dem spaßhaften Musiker auf das zeremoniöseste begrüßte. Das Fräulein hatte sich geschmückt, denn sie hatte um diese Stunde den Herzog erwartet, doch ihr Putz bestand darin, ungeputzt zu scheinen. Das Köpfchen, das sich an die Schulter des Freundes lehnte, trug weder Perlen noch Gold, sondern nur ein blasses Rosenknöspchen, das kaum bemerkbar in dem hellgelben Haar sich verbarg, der Schnitt des seidenen Gewandes lief ohne Garnitur von Spitzen oder Blumen um die Fülle des weißen Nackens und Halses herum, und nur um den weichen Marmorglanz des letztern zu heben, schmiegte sich ein Halsband von schwarzem Sammet, mit einem Demant fest gehalten, um die schöne Form. –
Wer das freundliche, liebliche Mädchen sah, den leichten Schmuck der Gemächer, und damit den unfreundlichen Eingang von außen in eine niedre Fischerhütte verglich, der mochte wohl an Zauberei denken, wenigstens an die natürliche Zauberei, die ein großer Herr sich mit dem Gegenstand seiner heimlichen Neigung zu bereiten sucht, um dem Gefühl seines Herzens die Beimischung des Wunderbaren und Hochpoetischen zu geben, welches bei den alltäglich ihn umgebenden Dingen, in der gewohnten Folge der fürstlichen Gemächer und Livréen-Gesichter gänzlich zu fehlen pflegt. Doch Jokonde schien diese Gesinnung nicht zu teilen, sie war ein gewöhnliches Mädchen, das gerne ihren Putz und ihren Liebhaber, so wenig Ehre das Dasein eines solchen ihr eigentlich machte, der Welt zeigen wollte. Es war ihrem mutwilligen Wesen etwas höchst langweiliges, sich in der einsamen Wohnung den ganzen Tag über eingesperrt zu erhalten, um ihren Geist mit Musikalien und Büchern zu nähren; die altklugen Gesichter des Papageis und der alten Dienerin waren eben auch nicht ergötzlich, und erst am Abend kam Gesellschaft, gewöhnlich der Herzog, der einige Freunde mitbrachte, und wo dann gelacht, gesprochen und gescherzt wurde. Heute, da der Herzog heiterer als gewöhnlich schien, nahm sich also das schöne Mädchen den Muth, ihm mit einem zärtlichen Geflüster die Bitte vorzutragen, sie aus ihrem Fischer-Pallaste zu entlassen, und in die Residenz oder irgend eine Stadt zu schicken. – »Ein schöner Vorschlag,« sagte der Herzog etwas trocken, »Du hast in der letzten Stadt, wo Du Dich aufgehalten, kindisches Mädchen, so viel Schulden gemacht, daß ich mir über meine Schwachheit, mit der ich immer wieder diese törichten Ausgaben bestritt, öfters Vorwürfe gemacht habe. Hier kann sich Deine Verschwendungssucht ein weit größeres Feld verschaffen, Du kannst Tausende von Fischen einkaufen, von allen Sorten, und sie dann meinethalben wieder ins Meer zurückwerfen oder die Armen mit ihnen speisen.« – Jokonde zog eine düstre Miene, die aber sogleich in ein Lächeln überging. – »Überdies,« sagte der Fürst, »bin ich jetzt an eine Braut versprochen, und da geht dergleichen, wie Du wünschest, durchaus nicht. Tröste Dich, meine Liebe, und suche ein wenig mehr Gefallen an Büchern Dir anzueignen, Du glaubst nicht, wie deinem Geschlechte geistige Ausbildung zahllose Reize mehr verleiht.« – »Nun schön,« rief die Zurechtgewiesene, »wenn Du das meinst, Geliebter, so will ich morgen gleich das große Geschichtswerk zu studieren anfangen, das auf meinem Pult eingestäubt liegt, und das der galante, gelehrte Herr, der es geschrieben, die Güte gehabt hat, mir zuzueignen.«
Dieses Gespräch wurde unterbrochen durch ein leises Klopfen, welches vom Saale aus sich hören ließ. Massiello war hingeschlichen, und als die Türe sich öffnete, sah ein breites, äußerst freundliches Gesicht hinein und sagte: »Ist es einigen alten Fischern erlaubt einzutreten?« – »Aha!« rief der Fürst, »da kommen unsre Freunde, nur herein!« Die Tür ging jetzt weit auf und zwei elegant gekleidete Jünglinge und eine dicke Figur in der Kleidung eines Weltgeistlichen traten ein. Sie begrüßten die freundliche Wirtin auf das artigste, und der ältere von den jungen Männern, ein bildschöner, aber bleicher Jüngling, nahm den andern an der Hand, indem er zu Jokonde sagte: »Dieser, mein Fräulein, ist der neue Freund und Schützling unseres Fürsten, dem die Erlaubnis erteilt worden ist, dem schönsten Mädchen in dieser Stadt die Hand zu küssen.« Eduard, so hieß der Vorgestellte, neigte seine Lippen auf die dargebotenen, zarten Finger, und der Herzog, über die Schulter seiner Freundin gebeugt, sah dem errötenden Jünglinge mit Huld ins blühende Antlitz. Die alte Aufwärterin und das junge Kammermädchen, beide ein wenig aufgeputzt, reichten Erfrischungen umher; Jokonde stand am duftenden, zierlichen Teetisch, die Tassen und das glänzende Geräte ordnend. Der Abt Siegwart war eine jener behaglichen Erscheinungen, die eine innere joviale Weltanschauung nach außenhin immer weiter und behaglicher ausrundet, auf dessen vollen Zügen immer ein heimliches Lachen nur auf den Moment zu lauern scheint, um in ein lautes auszuplatzen. Er wußte tausend Anekdötchen, mit denen er Markt machte und in den Häusern herumging, dabei spielte er trefflich das Pianoforte, und tanzte auch zu Zeiten, wobei er zu behaupten pflegte, daß es ihm gelungen sei, gewisse neue französische Tänze mit aller ihnen gebührenden leichten Grazie aufzufassen und darzustellen. Jetzt, da er eine heiße, dampfende Tasse am Mund hatte, lächelte er höchst vergnügt und sagte: »Sollte man nicht glauben, teurer Prinz, diese unscheinbare Hütte sei die Zauberwohnung, in der die liebliche Undine, nach unsers Fouqué's Zeugnis, ihr tolles Wesen mit den anständigsten und vornehmsten Leuten treibt?« – »Wer ist diese Undine,« fragte Jokonde, »vielleicht die Frau des Herrn Fouqué?« Der Herzog lachte: »Schon wieder ein Irrtum,« rief er, »Du siehst, wie Du noch zurück bist; geh morgen sogleich und hole Dir das Buch aus Deiner Bibliothek!«
Der ältere der jungen Männer, den wir Robert nennen wollen, trat jetzt zum Fürsten und sagte: »Dem alten Fleackwouth habe ich heute auf das Heiligste versprechen müssen, seinen Leichnam einst an den Galgen hängen zu lassen. Ich will nicht in die Erde – in die Luft, hinauf in die Luft; da wird mir wohl werden, und jener satte Überdruß, jener Erdgeschmack wird sich endlich aus meinem Gaumen verlieren. Am liebsten, meinte er, ginge ich als toter Mensch mit einem Luftballon einsam in die Lüfte hinauf, und triebe dann zwischen Wolken und Gestirnen, von träumerischen Winden hin und her geschaukelt, Jahrelang dort oben herum.« – »Eine sonderbare Idee!« rief der Fürst, »vollkommen dieses alten, wunderlichen Mannes würdig, der seinen Spleen noch mit sich in ein anderes Dasein nehmen will. Ist er etwa wirklich gefährlich krank?« – »O, ganz und gar nicht,« erwiderte der Abt, »ich habe ihn noch gestern gesprochen; doch, da ich den alten Thoren kenne, hüte ich mich wohl, ihn nach seiner Gesundheit zu fragen, vielmehr erkundige ich mich angelegentlich, wann er sein Begräbnis zu veranstalten gedenke.« Dann lächelt er gewöhnlich still vor sich hin und ruft sehr bestimmt: »Das sollen Sie schon erfahren.« – »Jene Worte des Alten,« nahm Robert das Wort, »mahnen mich an einen finstern, eiskalten Traum, den einst meine junge Seele träumte. Es war mir, als erwachte ich in dem Stübchen, wo ich mit meinem Vater zusammen