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Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer. Ludwig GanghoferЧитать онлайн книгу.

Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer - Ludwig  Ganghofer


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schon die Dämmerung über den Wiesen. Nun schlich sie auch herauf über die tannenbewaldeten Höhen; langsam krochen die tiefen, riesigen Schlagschatten der Nachbarberge über die entschlummernden Wipfel und über die stillen Matten, während der letzte Scheidegruß der Sonne die waldlosen Kuppen und Spitzen mit dunklem Purpur überhauchte. Hinter den Bergen da draußen, fern am Himmel, sah man noch einzelne langgezogene Wolkenstreifen mit lichtem Gold gesäumt, aber je höher es hinging am Firmament, um so blasser wurden die Farben, um so unklarer schwammen die Konturen der gleichgetönten Wolkenmassen durcheinander. Fast schien es, als hätten diese leblosen Gebilde der Lüfte plötzlich Leben und Gefühl in sich geboren, fähig, die ganze herbstliche Schönheit des hinschwindenden Tages zu erfassen --- so sehnsüchtig zogen sie der untergehenden Sonne nach. Und fern im Osten zeigte die dunkle Hülle des Himmels einen matten, sich in der Runde wieder verlierenden Lichtkreis. Der kam von den Strahlen des Mondes, die sich dort einen hellen Weg durch die Wolken brachen.

      Auch auf der Alm war es still geworden; das Gebrüll der einziehenden Kühe war verstummt, das vielstimmige Geläut der Schellen war verklungen, und auch der Brunnen schien leiser und ruhiger zu fließen als am Tage. Still inmitten dieses Friedens stand die Hütte; nur die leichten Dampfwolken des mit Wasser gelöschten Herdfeuers kräuselten sich noch durch die Ritzen des Schindeldaches in die dunkelnde Luft.

      Auf der Bank vor der Hütte saß Lehnl und schmauchte sein Pfeifchen. Nun trat auch Loni aus der Tür ins Freie; sie hatte die Arbeitsschürze abgelegt und zog, als sie sich an Lehnls Seite auf die Bank setzte, die Ärmel ihres Leibchens nieder.

      Der Alte mußte wohl all die Zeit her über die wenig freundlichen Worte nachgedacht haben, mit denen Loni seinen jungen Freund Pauli entlassen hatte; denn er sagte: »Heut hättst dir mit leichter Müh den schönsten Buschen Edelweiß verdienen können, wenn dem Pauli, wie er gangen is, ein gutmütigs Wörtl geben hättst. Er hat ihn schon im Rucksack ghabt. Aber freilich ...«

      »Laß mir mein Ruh!« unterbrach ihn das Mädchen. »Und fang net wieder von dem Leimsieder an! Du kannst viel zu mir sagen ... wenn du aber sonst nix z'reden weißt, nachher kannst mich fuchsig machen.«

      »Ich tu's doch net, um dich z'ärgern«, fiel Lehnl beschwichtigend ein, »ich tu's ja nur, weil ich dir's gut mein!«

      »Was du net sagst!« lautete die halb spöttische, halb verdrossene Antwort.

      Lehnl tat ein paar tiefe Züge aus seiner Pfeife. »Schau ...«, abermals ein tiefer Zug, »gestern, wie dem Muckl sein Vater um dich anghalten hat, is mir völlig angst worden, du könntest ja sagen. Der Mucki is ein guter Kerl, das heißt, wenn er mag ... aber wenn du ihn auch gern ghabt hättst, ihr zwei hätts doch net zammpaßt! Er is ein Mensch, der's Leben nimmt wie d' Sennerin den Rahm: von oben weg. Bei dir is die Gschicht ganz anders. Und zwei Leut, die im Verstand verschieden sind, die passen niemals net zamm. Der einzige, nimm mir's net übel, daß ich halt wieder davon anfang, der einzige, der in solcher Art zu dir paßt, das is und bleibt der Pauli.« Vertraulich rückte Lehnl näher und schmiegte sich an die Schulter des Mädchens. Seine Pfeife schien er ganz vergessen zu haben, als er fortfuhr: »Schau, Loni, du mußt bloß denken, wen du auf der Welt noch hast. Deine Pflegemutter liegt schon unterm Boden, und dein Pflegvater is auch schon ein alter Heiter, ich will gwiß nix berufen«, so unterbrach er sich, als er sah, daß die Lippen des Mädchens leise zu zittern begannen, »ich will gwiß nix berufen, aber schau, mein liebs Madl, man weiß halt doch net, was heut oder morgen gschehen kann.«

      Loni hatte die Hände in ihrem Schoß liegen; nun fuhr sie rasch mit dem Arm über die Stirne, und ihre Stimme klang gepreßt: »Was gaukelst jetzt da so lang umeinand im Nebel? Sag doch kurz: Du hast kein Menschen auf der Welt, von dem du sagen könntest, er ghört zu dir und du zu ihm. Schau, Lehnl« --- die Härte in ihrer Stimme milderte sich --- »ich hab selber schon öfters über den Pauli nachdenkt. Und wenn's mir dann in Sinn kommt, wie verlassen ich auf der Welt bin, da tut's mir wohl, wenn ich mir sagen kann, es gibt ein Menschen, von dem ich weiß, ich bin sein ganz Denken, ich bin sein Alles. Aber wenn ich nachher den Pauli wieder anschau, wie er is und wie er tut, so muß ich mir wieder sagen, ich kann ihn net mögen, ich kann halt net.«

      »Wann ihn nur ich heiraten könnt!« seufzte Lehnl in einem leisen Anlauf von Scherz, als begänne ihm das Gespräch zu ernst zu werden.

      Loni aber hatte diesen Einwurf ganz überhört. »Mein Pflegvater hat gwiß viel für mich tan«, sprach sie weiter, »ich hab ihn auch ganz gern. Aber die rechte Lieb, wie man s' zu eim Vater haben soll, is das halt doch net. Wenn ich mir das alles sag« --- tief atmend preßte Loni die Hände auf ihre Brust --- »dann spür ich's recht schwer, daß ich kein Menschen hab auf der Welt, den ich so recht von Herzen liebhaben kann und wo ich auch wüßt, warum. Schau, in eim solchen Augenblick, da steigt's mir heiß auf, und ich kann die Stund nur verfluchen, in der meine rechten Eltern mich der Gnad und Barmherzigkeit fremder Leut überlassen haben.«

      Loni war aufgesprungen und drückte den Arm mit geballter Faust über die Augen.

      Als Lehnl sie um die Hüfte faßte und sanft wieder auf die Bank niederzog, fühlte sie, wie die Hände des Alten zitterten. »Weißt denn auch gwiß«, so fragte er mit einer Stimme, die das Mädchen erstaunt aufblicken machte, »weißt denn auch gwiß, ob's keine Sünd is, wenn du so von deine Eltern redst?«

      »Schau, Lehnl ... in meim Herzen, da is mir's grad, als wär ein Kammerl drin, das mir unser Herrgott ganz extra für d' Eltern gschaffen hat. Und wie weh mir's tut, daß die Kammer leer blieben is, das kann ich keim Menschen net sagen. Ich hab keine Eltern und hab doch ein Herz dafür, und mir will's net in Sinn, daß es Leut geben soll, die ein Kind haben und keine Liebe dazu, die's weggeben können in Gleichmut oder gar in Haß!«

      Der Alte, vor dem das Mädchen so ihr Innerstes ausschüttete, mußte ein tiefes, mitfühlendes Herz besitzen; denn seine Stimme war ganz zerdrückt, als er fragte: »Wer sagt dir denn für gwiß, daß alles so is?«

      »Wie könnt's denn anders sein?« fuhr Loni auf. Dann sank sie wieder in sich zusammen und nickte. »0 ja ... eins könnt ich mir noch denken: daß ich eine Mutter ghabt hab, die mich wegglegt hat aus Angst vor der Schand, daß sie Mutter worden is. 0 hätt s' mich bhalten! Meine Lieb hätt ihr müssen alles vergessen lassen, die Treulosigkeit von ihrem Schatz und 's Achselzucken von die andern Menschen!«

      Loni verstummte und vergrub ihr Gesicht an Lehnls Schulter, der plötzlich von einer sonderbaren Neugier erfaßt wurde, wie es um die Glut in seiner Pfeife stünde; denn er begann zu ziehen, zu blasen und mit dem Daumen in der Asche zu kratzen. Freilich, wäre es heller Tag gewesen, so hätte man mit dieser gleichgültigen Beschäftigung die schwere Träne wenig in Einklang bringen können, die ihm langsam über die braune, faltige Wange rollte.

      »Sag einmal, Madl«, sprach er Loni an, und ein tiefer Ernst klang durch seine Worte, »sag einmal, wie's kommt, daß du, wenn du von deine Leut redst, bloß allweil die schlechten Seiten aufführst und nie eine gute?«

      Ohne den Kopf von Lehnls Schulter zu erheben, fragte sie leise: »Wüßtest du da eine z'finden?«

      »0 ja! ... Denk einmal, sie hätten Unglück ghabt und wären so recht im Elend gsteckt, daß s' gar net gwußt hätten, wie sie sich von einem Tag auf den andern durchbringen sollen. Kannst dir jetzt gar net denken, daß deine Leut dich grad deswegen, weil s' dich so gern ghabt, fortgeben haben unter Kummer und Herzleid, bloß damit's dir bessergehen sollt im Leben?«

      »Jetzt, so eine Lieb, die will mir net recht in Kopf! Ich mein', d' Lieb müßt bsitzen, d' Lieb müßt haben ... man sagt doch net umsonst: liebhaben!« In heißer Leidenschaftlichkeit lösten sich diese Worte von den Lippen des Mädchens. Wie in unbewußtem Drange hatte sie den Arm um den Hals des Alten geschlungen, und als nun ein breiter Strahl des Mondes, der durch eine Lücke der hüllenden Wolken niedergeflossen war, die beiden mit seinem milden Lichte übergoß, da leuchteten Lonis Augen in hellem Feuer, und aus ihren Zügen sprach die dürstende Sehnsucht nach dem Besitz eines Wesens, das sie in treuer Liebe umschlingen könnte.

      »0 mein, Deandl, Lieb und Lieb is zweierlei.« Ein tiefer, stockender Seufzer hob Lehnls Brust. »Schau, Loni, es gibt auf der Welt gar verschiedene Lieben. Aber die richtigste und die wahrste is halt doch bloß


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