Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer. Ludwig GanghoferЧитать онлайн книгу.
Was suchen denn die da heroben?« Er trat, das Messer in der Hand, ein paar Schritte gegen den Weg, um besser in die Tiefe sehen zu können.
Auch Irimbert hatte sich erhoben und blickte heiter durch den Wald hinunter, als sollten ihm die drei Menschen, die da kamen, eine fröhliche Stunde bringen.
»Jäger?« Ein wenig verlegen wandte sich der Bauer zu ihm. »Ich mein, bis die drei da vorbei sind, solltest du hinein ins Hüttl gehen. Sie verdenken’s dem Hilpot lang schon, daß er dem Gotteslechner ein guter Kamerad ist. Und dem Reinold müssen sie den Weg zu mir verboten haben. So lang ist er nimmer bei uns gewesen. Wenn sie dich finden bei mir, das nehmen deine Herrenleut dir übel.«
Irimbert lächelte: »So will ich’s tragen.«
»Mich plagen sie drum und sagen, ich tat ihre Leut verschwatzen.«
Der Jäger zögerte mit der Antwort. »Wenn es dir eine Sorge nimmt, will ich mich bergen. Fragen sie nach einem, den sie suchen, dann sollst du mich nicht verleugnen. Dann will ich dem guten Medardus einen Weg ersparen. Er ist beleibt und schwitzt nicht gerne.«
Irimbert trat in die Hütte.
Der Bauer sah ihm befremdet nach, als wüßte er nicht, was er zu diesen Worten denken sollte. Hatte der Jäger ein Verschulden in seinem Dienst begangen? Dann käme doch nicht der Zinsmeister, um ihn zu suchen!
Langsam kamen die drei durch den Wald heraufgestiegen, Frater Medardus voran, eine derbe Gestalt, deren wohlgenährte Rundung an der weißen Kutte keine Falte mehr bestehen ließ. Der Kopf war klein, aber das Gesicht verbreiterte sich nach unten zu dick hängenden Hamsterbacken, die von der Anstrengung des steilen Weges glühten. Dieser runde Glanz um den lächelnden Mund herum hatte was Gemütliches. Dennoch sahen die hörigen Albleute, wenn Zins und Steuer fällig waren, den Bruder nicht gern erscheinen. Er pflegte als Zinsmeister des Klosters seine Geschäfte mit Behaglichkeit zu erledigen und machte harmlose Scherze. Aber hinter seinen Späßen standen mit Strick und Knittel die beiden Fronboten, die unerbittlich zugriffen, wenn ihnen Bruder Medardus einen Wink mit den kleinen Augen gab, die so wohlwollend unter den gepolsterten Lidern hervorblinzelten.
Während die beiden Knechte auf dem Waldweg stehenblieben und den Bauer prüfend betrachteten, als hätten sie Ursach, seine Kraft zu schätzen, ging Bruder Medardus, mit dem Kuttenärmel den Schweiß vom Gesichte wischend, auf den Gotteslechner zu. »So? So? Seh ich dich auch wieder einmal? Der Weg zu dir da herauf ist wie der Weg zum Himmel, mühsam und steil!« Ein paar schnappende Atemzüge, und segnend machte er das Zeichen des Kreuzes. »Pax tecum Domini, mein lieber Sohn!« Alle Herzlichkeit eines guten Menschen klang aus seiner Stimme. »Und Gottes besten Gruß!«
»Gottes Dank!« erwiderte Greimold, der forschend den lachenden Bruder und seine Geleitschaft musterte.
Medardus schielte nach dem Messer in der Hand des Bauern. »Gott? Redest du von Gott? Und hast den Teufel in der Hand. Bin ich nit der gutherzige Medardus, den alle liebhaben, die er heimsucht? Schau, das ist der Unterschied zwischen mir und Gott, der alle heimsucht, die er liebhat.«
Freundliche Heiterkeit zwinkerte in dem glänzenden Gesicht. »Im Namen Gottes, deines guten Lehensherren, komme ich zu dir, bin sein gefeiter Sendbot, und du stehst da mit dem Messer in der Hand, als hättst du Mörder und Dieb von dir abzuwehren?«
Greimold stieß das Messer in einen Baum. Die Knechte schmunzelten.
»Leut, ihr könnet rasten«, rief Medardus zu den beiden hinüber, »da liegt ein Baum, der ist wie eine gute Bank. Ich will derweil meinen sündigen Leib kasteien und setz mich auf harten Stein!« Dem Baum gegenüber, auf dem sich die Knechte niederließen, wählte er als Sitz einen Felsblock, der mit Moos überwachsen war. Da saß er wie in einem Lehnstuhl und spreitete die Beine, daß die weiße Kutte unter seinem runden Bauch einen tiefen Sack machte. »Soooo, da wären wir jetzt!«
»Wohin denn heut noch?« fragte der Gotteslechner.
»Nimmer weit! Komm, setz dich her zu mir und laß uns plauschen, derweil ich rast. Wenn verstandsame Männer miteinander reden, macht der Weltkarren ein Schübl vorwärts. Schau, da steht ein Baumstock, da können wir uns vertraulich in die Augen schauen.«
Der Bauer ließ sich nieder, und Medardus, der von Wetter und Jahreszeit zu schwatzen begann, tauschte einen Blick mit den Knechten, die der Gotteslechner hinter dem Rücken hatte.
Und dann wollte der Bruder wissen, wie Greimold sein Vieh von den Hochalmen heimgebracht hätte, wie es in Hof und Haus stünde, ob er mit seinem Gesind zufrieden wäre und ob er nicht etwa gegen die hörigen Almleute des Klosters eine Klage hätte.
»Nein!« sagte Greimold. »Versucht haben sie’s freilich und hätten ihr schlechtes Vieh auf meine guten Alben getrieben. Aber ich hab ihnen gezeigt, wo der Zaun ist.«
»Freilich, du bist von den Starken einer!« Medardus schmunzelte. »Aber solltest du einmal zu kurz kommen mit deiner eigenen Kraft, so hast du eine Hilf am Kloster, das dir allweil dein Recht verschafft.«
»Allweil, ja, wenn’s ihm selber taugt. Mag der Imm, so tragt er Honig. Stechen kann er auch.«
Scherzend drohte der Bruder mit dem Finger. »Ein Glück, daß ich ein guter Kerl bin, der keinem ein grades Wörtl übelnimmt! Aber vor den Knechten solltest du Vorsicht üben.«
Wieder begann er zu plaudern und berichtete von einem Wunder, das vor dem Reliquienschrein des heiligen Martin geschehen wäre. Und zu Schellenberg hätte man einen Juden geschunden, der einen Brunnen vergiften wollte. Und dem Erzbischof von Salzburg, diesem Klosterfeind und Kirchenräuber, wäre in der Michelsnacht der Teufel erschienen und hätte ihm die grausamsten Höllenstrafen angedroht, wenn er den Berchtesgadener Salzbau nicht ungeschoren ließe.
Greimold lächelte. »Daß der Salzburger Herr viel Unrecht tut an eurem Kloster, das ist wahr. Euer Gut ist aus einem Kind ein starker Mann geworden. Das macht ihn neidisch und feindselig. Aber daß für euer gutes Recht der Teufel fechten muß, das will mir nit gefallen, Bruder! Ich glaub’s auch nit.«
»Bauer, Bauer«, sagte Medardus im Tone freundlicher Warnung, »das ist eine unchristliche Red.«
»So? Und ich mein, daß sie christlicher war als die deinig.« Medardus lachte. »Schau nur, schau, das Kindl im Glauben will klüger sein als die Mutter!«
»Laß gut sein, Bruder! Daß du mir von Jud und Teufel erzählen kannst, deswegen bist du doch nit den weiten Weg bis darauf gestiegen. Sag’s lieber gleich, was willst du von mir?«
Lustig blinzelte der Bruder mit den kleinen Augen. »Was ich will von dir? Den Michelzins.«
Dem Gotteslechner schoß das Blut in die Stirn. Ruhig sagte er: »Zinsmeister, mir scheint, du hast einen großen Krug über den Durst getrunken.«
Medardus hob drei Finger wie zum Schwur. »Seit dem Morgen trank nit ein einzigs Tröpfl!« Er seufzte. »Der Kellermeister im Kloster hat sparsam gemessen. Ich bin nüchtern, lieber Greimold, nüchtern wie ein Saibling, den der Fischer zum Dörren in die Sonn gehangen.«
»So mußt du vergessen haben, wer ich bin.« Dem Bauer zitterten die Fäuste, die er auf den Knien liegen hatte. »Am Michelstag und an Lichtmeß zinsen die hörigen Leut. Ich bin der freie Bauer im Gotteslehen. Weißt du das nit? Und keinem anderen muß ich steuern als nach freiem Willen meinem Lehensherren im Himmel.«
»Aber schau, mein lieber Sohn, Gottvater kann doch nit selber kommen und deine Steuer holen.« Der Bruder sprach so herzlich, wie ein erfahrener Pädagog mit einem widerspenstigen Schüler redet. »Drum amtet an Gottes Stell das Kloster in seinem Land und muß für deinen himmlischen Lehensherren von dir die Steuer heben.«
Der Bauer blieb ruhig, nur seine Stimme wurde rauh. »Hab ich nit am Ostertag in die Kirch getragen, was ich aus freiem Willen geb?«
»Ja, das ist wahr.«
»Es ist mehr gewesen, als ich früher gegeben hab. Das Kloster könnt zufrieden sein.«
»Das Kloster? Was geht es das Kloster an, wenn du dem heiligen Osterlamm ein frommes Angebind ins Krippl legst? Dafür