Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer. Ludwig GanghoferЧитать онлайн книгу.
haben, was Lehnl gesprochen hatte. Einen hastigen Schritt machte er gegen den Burschen und faßte ihn mit eisernem Griff am Arm. Muckl mußte eingeschüchtert und zum Schweigen gezwungen werden, sei es auch um den Preis einer Unwahrheit. »Ein einzigs Wörtl, wenn du schnaufst über die heutige Nacht, so bring ich dich aufs Gricht. Der Lehnl liegt bei mir daheim im Sterben, daß du's weißt!«
Muckl erblaßte. Doch sein Gesicht nahm einen trotzigen Ausdruck an. »Was geht denn das mich ...«
»Sei stad!« herrschte ihn Pauli an und ließ seinen Arm fahren, denn er sah, daß Loni aus der Tür trat und auf ihn zueilte.
»Pauli ... is wahr, was ich über den Lehnl ghört hab?« fragte das Mädchen in Sorge.
»Von wem hast du was ghört?« Und mit großen Augen sah Pauli in Lonis Gesicht.
»Grad vorhin ... vom Muckl!«
Pauli sah sich nach dem Burschen um, der es für geraten gefunden hatte, sich schweigend zu entfernen. »So ... von dem hast was ghört!« sagte er langsam. »Aber wie kommst denn nachher dazu, daß du mich um den Lehnl fragst?«
»Du hast ihn ja gfunden, hat der Muckl gsagt. Is denn net so?«
»Ja ... ja ... es is schon so ...«, gab Pauli zögernd zurück.
»Aber ich möcht nur wissen, wie der Lehnl dazu kommt, daß ihm so was passiert.«
»Ich denk mir halt, er wird in aller Früh aufgstanden sein, um dir ein Buschen z'brocken, damit er dir gleich eine Freud machen könnt, wenn du aufwachst ...«
»Der gute Mensch!«
»Und da wird's halt noch ein bißl finster gwesen sein ... und ja ... no ... und da wird er wohl gfallen sein.«
»Aber wie kommst denn nachher du ...«
»Ich war heut in der Früh schon im Wirtshaus da«, fiel Pauli dem Mädchen hastig ins Wort, »um dir ein Gruß ausz'richten vom Lehnl und dir zsagen, du sollst kein Angst net haben, und es wär net so arg. Hast es aber so nötig ghabt, daß d'mir sagen hast lassen, du könntst dir net denken, was ich mit dir z'reden hätt. jetzt weißt es ja, wie's mit dem Lehnl steht.« Damit wandte sich Pauli zum Gehen.
Loni war mit diesem Bescheid nicht zufrieden, sondern faßte den Burschen am Arm und fragte weiter: »Aber wo hast denn du ihn gfunden?«
»Wo ich ihn gfunden hab? ... ja ... schau, das is doch wohl net so wichtig ... und ...« Pauli wußte nicht mehr, was er sagen sollte; erleichtert atmete er deshalb auf, als ihm ein Zufall zu Hilfe kam. »Je ... da schau ... der Lostanzer!« rief er aus und deutete nach der Tür, durch die der Hochzeitlader in den Tanzsaal trat, den reich mit Bändern geschmückten Stab schwingend und umdrängt von der schwatzenden Schar der Mädchen und Burschen. Pauli benützte den Augenblick, um in dem lärmenden Gedränge zu verschwinden. Was kümmerte ihn der Lostanz, der da nach alter Sitte abgehalten werden sollte? Auf das zweifelhafte Vergnügen, mit dem nächstbesten, durch das Los ihm bestimmten Mädchen tanzen zu müssen, verzichtete Pauli gern.
Inzwischen hatte der Hochzeitlader einen schweren Stand. Die Loszettel mußten mit den Namen der einzelnen Burschen beschrieben werden, von denen jeder zuerst die Gewißheit haben wollte, daß er ja nicht übersehen würde. Das Schreiben ging dem Alten auch nicht leicht von der Hand, und so war er froh, als Muckl sich zum Gehilfen anbot. Die beschriebenen Zettel wurden gerollt und in den Hut des Hochzeitladers geworfen. Dabei drückte Muckl dem Alten heimlich ein gefaltetes Los in die Hand und flüsterte ihm zu: »Da steht dem Pauli sein Name drauf. Den gibst z'allerletzt der Loni. Es soll dein Schaden net sein.«
Beistimmend zwinkerte der Hochzeitlader mit den Augen, dann nahm er den Hut mit den Zetteln und rief: »Also, her da zum Gspiel! Buben und Deandln! A jeds kommt ans Ziel! Seids alle da?«
»Ja!« schallte es laut im Chorus.
»Franzerl, komm her!« rief der Hochzeitlader einem der Mädchen zu, »mach du den Anfang!«
Das Mädchen zog ein Los aus dem Hut und reichte es dem Alten.
»Also aufgepaßt! Erstes Paar: die ehr-- und tugendsame Jungfrau Franziska Reindl mit dem hochlöblichen Jüngling Kaspar Hintermeier.«
»Da bin ich schon!« lachte der Bursche, drängte sich durch und faßte mit hellem Juhschrei das Mädchen um die Hüften.
So ging es weiter; Paar um Paar wurde ausgelost, bis die Zettel zu Ende waren.
»Halt ... halt!« rief plötzlich der Hochzeitlader, als sich der Kreis der Umstehenden schon zerstreuen wollte. »Da hat sich ja gar so ein verfluchts Papierl unters Hutfutter einigschoben!« Geschickt praktizierte er das absichtlich zurückgehaltene Los in den Hut. »Welche von die Deandln hat noch net zogen?«
»Da ... d'Loni! Die hat gwiß noch kein Lostanzer!« fiel Muckl ein und zeigte auf das Mädchen, das, mit einer alten Bäuerin plaudernd, eben den Tanzboden betrat.
Der Hochzeitlader schritt auf Loni zu, und der ganze Kreis drängte sich ihm nach. »Ja, was is denn, Loni«, rief der lustige Alte das Mädchen an, »du wirst doch beim Spiel kein Ausnahm net machen? Schau, da is grad noch ein Los da!«
»No, so geh her, daß Ruh is!« gab Loni lächelnd zur Antwort, nahm das Los aus dem Hut und reichte es dem Hochzeitlader.
»Jetzt bin ich aber neugierig ... so neugierig war ich noch nie!« rief Muckl, trat an die Seite des Hochzeitladers und blickte ihm über die Schulter, als er das Los aufrollte: »Je, der Pauli!« lachte er auf
»Letztes Paar: die ehrengeachtete Jungfrau Apollonia Höflmeier und der tugendsame Jüngling Paulus Lohner, Herrgottschnitzer von Ammergau!«
jähe Röte hatte im ersten Augenblick Lonis Gesicht überflogen; dann riß sie dem Hochzeitlader, der die Entscheidung des Loses verkündete, den Zettel aus der Hand.
»Schau, schau, der Pauli!« kicherte Muckl. »Der muß dir rein von unserm Herrgott aufgsetzt sein, weil er ihn dir sogar beim Lostanz bis auf die Letzt aufhebt.«
»Das ist eine abkartete Gschicht!« fuhr Loni auf. »Da tu ich net mit!«
»Wär net zwider!« fiel der Hochzeitlader mit gutgespielter Entrüstung ein. »So wie's Los fallt, so muß tanzt werden! Das is Gotteswillen!«
Loni zuckte die Schultern und. »Da hätt unser Herrgott viel z'tun, wenn er sich um all eure Dummheiten kümmern müßt!«
»Aber wo steckt denn der Pauli?« fragte der Hochzeitlader und blickte suchend im Kreis umher.
»Man wird's ihm wohl sagen lassen müssen«, meinte Muckl, »dem blinden Gockel, was ihm 's Glück für ein Gerstenkörndl ins Maul gesteckt hat. Geh weiter, Loisl, rühr dich!« schnauzte er den Geißbuben an, der sich neugierig herbeigedrängt hatte.
»Befehlen Euer Gnaden!« Dazu machte Loisl eine tiefe Verbeugung, wobei er komplimentierend den Blechtrichter abnahm, den er auf seinen Krauskopf gestülpt hatte, und sprang davon, um Pauli zu suchen.
»Mach dir kein Arbeit«, rief ihm Loni nach, »er wird's noch zeitlich gnug erfahren.«
»Du wirst doch net am End na sagen?« fragte Muckl, und lauernd blickte er dem Mädchen in die Augen.
»Was ich tu, is mein Sach!« war die bündige Antwort.
»Das schon«, gab Muckl lächelnd zurück, »aber der Lostanz is ein alter Brauch, und wie sich's trifft, so muß tanzt werden.« Die lebhaftesten Zeichen der Zustimmung von seiten der umstehenden Burschen begleiteten diese Worte. »Da täten wir uns ghörig auf die Füß stellen, wenn du ein Ausnahm machen wolltest!«
»Hab ich denn gsagt, daß ich's will?« fuhr Loni auf, und ihr Gesicht rötete sich vor Erregung. »Aber wann ich's wollt, nachher könnt's ihr alle mich net davon abhalten!«
»0 ja! Das können wir!« rief ein Bursche aus dem Haufen; und schreiend und protestierend drängte alles auf Loni ein.
Muckl lachte laut hinaus. »Geh, plag dich net, du Feinspinnerin! Man weiß ja doch, daß