Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer. Ludwig GanghoferЧитать онлайн книгу.
der Maler ein. Und seine Augen leuchteten, als er weiter fortfuhr: »Immer besser und besser hab ich ihn kennenlernen ... und wie mein Glauben an sein Talent immer mehr und mehr bestärkt worden is, da hat in mir unter all der Aschen die alte Glut wieder aufgflammt! Da hab ich den Menschen wachsen und werden sehen zu dem, was er werden kann. Da hab ich im Geist voraus schon die Kunstwerke angstaunt, die unter seiner Hand einmal entstehen, und in Gedanken seh ich die Leut sich rumdrängen und hör, wie sie einander erzählen: ›Sehts, dort, der alte Maler is's, der den Menschen für die Kunst gwonnen hat!‹ Und von dem Dank, den die Welt ihm zu Füßen glegt hätt, wär auch für mich ein Bröserl abgfallen, wenn auch nur ein kleinwinzigs, und ich wär zfrieden gwesen!«
Loni konnte ihre Bewegung nicht mehr unterdrücken; sie sprang auf, und in unverhehlter Rührung streckte sie dem Maler die beiden Hände hin. »Was kann ich tun, damit's so kommt, sagen Sie's mir ... und ich tu's!«
»Du selber mußt mit dem Pauli reden!«
»Na! Net um alles in der Welt!« fuhr Loni auf, und dunkle Röte überfloß ihr Gesicht. »Alles tu ich... alles, aber das ... das kann ich net!«
»Geh, red net so voreilig!« mahnte der Maler. »Denn schau, Lonerl, was ich von dir verlang, das ist das einzige, was noch helfen kann.«
»Und warum soll's grad helfen, wann ich mit ihm red?« fragte Loni zweifelnd. »Da glaub ich eher, daß mein Reden alles noch schlechter machet.«
»Und wenn's auch so wär, versuchen mußt du's, ob du ihn net bewegen kannst, daß er die Hand nach seim Glück ausstreckt.« Der Maler trat an Lonis Seite, und indem er den Arm vertraulich um ihre Schulter legte, fuhr er fort: »Schau, Kindl, du hast schon eine Schuld abzutragen an dem Menschen! Ich weiß auch, und lang schon hab ich dir's angmerkt, daß du's selber in dir spürst, als ob's so sein müßt.«
Schnaufend nickte Loni vor sich hin.
»Gelt? Gstehst es auch ein? Drum sei gscheit und laß dir auch was sagen! Schau, der Pauli hat dich so gern ghabt, daß mit demselbigen bösen Tag noch net alles verraucht sein kann. So viel Lieb zu dir is bei ihm noch allweil daheim, daß er dir's gwiß net abschlagt, wenn du zu ihm sagst: Pauli, ich bitt dich, geh fort, mich leidt's nimmer im Dorf, solang du da bist! Und wann er erst einmal bei mir in der Stadt is, wann er all das Neue sieht, was ihm da entgegentritt, und wann er's Arbeiten anfangt und 's Studieren, da müßt's doch mit dem Teufel zugehen, wenn er mit der Zeit net die unglückliche Lieb aus dem Kopf brächt, die ihm ein Elend is und dir ein Ungemach, und wenn er net ein Mensch werden tät, der sein Glück verdient und der sein Glück auch findet.«
Lautlos hatte Loni dem Maler zugehört, und als er schloß und sie fragend ansah, legte sie ihre Hand auf seinen Arm und spähte ihm mit forschendem Blick in die Augen. Und leichte Röte huschte über ihre Wangen, als sie fragte: »Glaubts Ihr auch gwiß, daß es dem Pauli sein Glück sein wird, wann er geht?«
»Es ist meine feste Überzeugung!« gab der Maler flink zur Antwort.
Hastig streckte ihm Loni die Hand hin. »In Gottes Namen, ich tu's!« Das stieß sie mit zitternder Stimme hervor. »Weil Ihnen ein Gfallen damit gschieht ... und weil ...«, die Tränen schossen in Lonis Augen, und ein leises Schluchzen erschütterte ihre Lippen, »und weil ... ja, weil ich so froh bin, wann ich ... den Menschen nimmer sieh.«
»Geh, Lonerl«, tröstete der Maler, »geh, nimms net so schwer!«
»Schwer?« fuhr Loni ganz entrüstet auf und wischte rasch mit der Faust über die Augen. »Fallt mir ja gar net ein!«
»So is recht!« rief Baumiller freudig aus und drückte das Mädel an seine Brust. »Jetzt kann ich ruhig wieder auf meine Berg nauf steigen. Weißt, es muß ja net gleich sein! Ich geh heut fort auf ein paar Tag, und wann ich nachher heimkomm, können wir noch mal drüber reden. Und nachher wird sich schon einmal die rechte Zeit dazu finden. jetzt bhüt dich Gott ... und ich dank dir halt im voraus für dein guten Willen. Bhüt Gott!«
Lange, lange noch stand Loni regungslos und starrte vor sich hin auf das Fenstergesimse. Sie wußte gar nicht mehr, wie es gekommen war, daß sie dieses unselige Versprechen geben konnte --- sie --- und reden? Mit jenem Menschen, der ihr so bitterböse Worte gesagt hatte? Aber freilich, hatte sie denn nicht selbst ...
Loni schlug die Hände vor die Augen. Sie hatte nicht den Mut, einen Gedanken auszudenken, der sie selbst aller Schuld zeihen mußte. Seufzend ließ sie sich nieder und nahm ihre Näharbeit wieder zur Hand. Aber die Nadel zwischen ihren Fingern war recht träge, und nur langsam suchte sie ihren Weg durch das widerspenstige Tuch, bis sie auf einmal wieder stillestand.
»Es muß ja net gleich sein'« murmelte Loni vor sich hin, die Worte des Malers wiederholend. Dann sprang sie plötzlich auf. »Wohl muß es gleich sein, denn ein altes Sprichwort sagt: Man muß das Eisen schmieden, solang's heiß is.« Sie eilte zur Tür und rief hinaus: »Resl!«
Die Kellnerin kam und fragte: »Was magst?«
»Geh ummi zum Pauli und sag ihm, er soll gleich auf der Stell da her kommen, der Herr Baumiller hätt was Wichtigs mit ihm z'reden!«
Resl hatte den Maler fortgehn sehen und blickte verdutzt auf Loni: »Ja ... aber ...«
»Schau net so dumm drein«, fuhr Loni sie zornig an, »sondern tu, was ich dir schaff!«
»Das is aber gspaßig!« knurrte Resl, als sie kopfschüttelnd ging, um Lonis Auftrag auszuführen.
Loni trat zum Tisch, der in der Mitte des Zimmers stand. Und weil ihr augenblicklich keine andere Beschäftigung einfiel, fing sie an, mit den Fingernägeln aus den Klunsen der Tischplatte den grauen Sand herauszubohren, der sich beim Reinfegen des Tisches fest in alle Ritzen gelegt hatte.
Ein paar Minuten mochten vergangen sein, da klang aus der Wirtsstube die Stimme der Kellnerin: »Geh nur da eini in d' Stuben!« Und schwere Tritte näherten sich der Tür.
»Heilige Muttergottes, steh mir bei«, flüsterte Loni, »da is er schon!«
9
Ein schüchternes Klopfen wurde hörbar. Gleich darauf öffnete sich die Tür, und Pauli trat ein.
»Jesses ... d' Loni!« fuhr es erschrocken aus ihm heraus, als er das Mädchen erblickte. Und in brennender Verlegenheit drehte er seinen Filzhut zwischen den Fingern.
Mit der einen Hand auf den Tisch gestützt, stand Loni da und blickte scheu zu dem Gast hinüber. »Grüß Gott!« hauchte sie leise.
»Grüß Gott auch!« klang die trockene Antwort. »Ich weiß net, ob ich da recht bin? Ich soll zum Herrn Baumiller kommen.«
»Ja, ja, bist schon recht!« stieß Loni hervor. Und als fiele ihr eine schnell gesprochene Lüge weniger schwer, fügte sie mit flinkem Gesprudel bei: »Er hat gsagt, du sollst da warten, er wird gleich kommen, hat er gsagt.«
»Muß ich halt warten!« Pauli wandte sich zum Fenster, das neben der Tür war, stellte sich vor die Scheiben, kreuzte die Arme hinter dem Rücken, schwenkte zwischen zwei Fingern seinen Hut und blickte stumm ins Freie hinaus.
Loni näherte sich ihm mit kurzen Schritten, aber nur so weit, daß ihr ausgestreckter Arm mit den Fingerspitzen noch immer die Tischecke berührte. Vergebens mühte sie sich, ein Wort über die Lippen zu bringen; es war ihr, als umschlösse eine unsichtbare Hand wie mit eiserner Zange ihre Kehle. Bange Sekunden verrannen --- bis endlich Pauli, dem sich diese Stille nicht minder drückend aufs Herz legte, sich kurz vom Fenster abwandte und der Tür zuschritt mit den Worten: »Ich will doch lieber draußen warten!«
»Jesses na!« fuhr Loni erschrocken auf »So bleib nur, der Herr Baumiller kommt gleich! Das heißt ... es könnt ja möglich sein, daß er auch net gleich käm ... aber ... wenn du's vielleicht mit der Arbeit recht notwendig hast ... ich weiß auch, was er dir zum sagen hat ... nachher ... wenn du meinst ... und wenn du's von mir anhören willst ... nachher könnt's ja