Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer. Ludwig GanghoferЧитать онлайн книгу.
hinunter und zischelte ihm ins Gesicht: »Du! Jetzt will ich dir was sagen! Um alles andere frag ich net – aber beim Herrn Martin seiner Privatsach, die er mir anvertraut hat, da hab ich d' Hand drauf geben, daß nix weiterkommt. Und dös möcht ich mir verbitten, daß du jetzt an Tratsch machst, und daß 's hintnach heißen tät, ich hab's gsagt! Verstehst mich?«
Pepperl blies ihr den Rauch ins Gesicht, daß sie husten mußte. »Dös kann ich halten, wie ich mag. Ich hab nix versprochen.«
»So? So?« Fuchtelnd wehrte sie mit beiden Händen den Rauch von sich ab. »Gleichschauen tät 's dir schon, dir, daß d' umanand rennst in der ganzen Gegend und alles ausschreit! Gelt?«
Das Blut stieg im ins Gesicht, doch er blieb ruhig. »So? Schaut's mir gleich? No ja!« Und paff, hatte sie wieder eine Wolke unter der Nase.
»Jetzt hör amal auf!« fuhr sie ihn hustend an. »Blas mir net allweil dein Stinkadores ins Gesicht!«
»Freilich, du vertragst halt bloß so a feins Zigarettendampfl. Übrigens, wenn dir sonst kei' Sorg net aufliegt, als daß ich an Tratsch mach, da kannst dich trösten. Lugen red ich net weiter. Denn daß ich den Schwindel mit der Jagdverwaltung glaub, für so strohkalbdumm möcht ich mich von die Leut net halten lassen.«
Burgi atmete erleichtert auf und kehrte zum Herd zurück. Einen »Tratsch« brauchte sie nicht zu fürchten, das wußte sie jetzt. Und über das Loch, das Pepperl mit dem Wörtlein »Schwindel« in ihre halbe Hoffnung gerissen hatte, machten ihre Gedanken einen großen Sprung. »Bist ihm halt neidisch, gelt?«
»Dem? Na!«
»Und ärgern tust dich, daß er sich mit dir net abgibt.«
»Ich hab halt nix so ›Urrwixikäs‹ und ›Härzikäs‹, wie er's gern hat.«
»Natürlich, so a Lümmel wie du!«
»Freilich! Ich hab's ja hören können, daß dir net leicht einer so zwider is wie ich.«
»So?« Die Schadenfreude blitzte in ihren Augen. »Hast es aufgschnappt? Ich hab's eh nur gsagt, damit du's hörst.«
»Geh?«
»Ja! Meinst, ich hab dich net umraspeln hören hinter der Wand da draußen?« Als sie die verdutzten Augen sah, die er machte, versetzte sie der Wahrheit einen gelinden Puff und sagte: »Hätt's da herin was zum Verheimlichen geben, meinst, ich hätt den Herrn Martin weiterreden lassen, wenn ich weiß, wer draußen steht mit die gespitzten Luser! Übrigens, schenieren möcht ich mich! Mit die Ohrwascheln umanand rutschen hinter der Mauer! Aber – ›Der Lauscher an der Wand hört die eigene Schand!‹ – Kennst es ja, dös Sprüchl, gelt?«
»Ja!« Pepperl biß in die Pfeifenspitze, daß es knirschte. »Schand hab ich gnug ghört. Aber net die meinig.«
»Du!«
Das Wort war wie ein Dolch. Und das brennende Scheit, das Burgi gerade tiefer ins Feuer schieben wollte, hatte sie in der Hand behalten und aus der Glut gerissen. Der Rauch quoll an ihr hinauf, und die Flamme züngelte nach ihrer Schürze.
Da war es um Pepperls Ruhe geschehen. Ein Sprung, und er stand an ihrer Seite, riß ihr das Scheit aus der Hand, um es ins Feuer zu werfen, und schrie ihr mit alles Überzeugung eines ehrlichen Menschen ins Gesicht: »Madl! Er schmiert dich an! Der!«
Sie wurde bleich. »So was laß ich mir net sagen! Von dir schon gar net. Und zum Anschmieren ghören zwei. Da müßt ich auch noch dabei sein. Aber weil du vom Herrn Martin bloß allweil 's Schlechte glaubst, deswegen mußt noch lang net recht haben!«
»Madl! Madl!« Pepperl fuhr ihr mit den fuchtelnden Händen fast ins Gesicht. »Wie kannst denn so was glauben! Der? Und Jagdverwalter? Da macht man ehnder an Pudel zum Pfarrer! Und wieviel hat er gsagt? Viertausend Gulden? Ja! Viertausend Pfifferling mit Schneckensoß und den Buckel voll Prügel zum Eintunken! Dös verdient er! Der!«Der Brustton, mit welchem Pepperl predigte, schien den zornigen Trotz des Mädels schon ins Wanken zu bringen. Aber was der Jäger im heißen Eifer weiter noch vorbrachte, verdarb wieder alles. »Meinst, ich hab's net gmerkt, gleich am ersten Abend, wie der dich angschaut hat? Kümmern tut's mich freilich nix. Ich? Und von dir was mögen? Ah na! Fallt mir net ein! Aber als gute Seel hab ich mir denkt, muß ich dös dumme Madl doch a bißl verwarnigen. Drum hab ich in der Nacht an deiner Kammer klopft. Ja! Sonst wegen nix. Aber hast dir ja nix sagen lassen. Natürlich, und jetzt is der Teufel los! Jetzt hat er dich anplauscht. Und glauben tust ihm auch schon und möchtest am liebsten gleich mit alle zwei Füß ins Unglück einihupfen, gelt? Aber da is noch was gut dafür! Da bin ich noch da! Verstehst mich? Du gehst mich net so viel an, weißt! Aber die gute Repadazion von unserer Gegend liegt mir am Gwissen. Und daß 's bei die Leut umanand heißen soll: auf der Tillfußer Alm, wo d' Jager hausen, geht's zu wie auf der ungraden Hochzeit, die der Pfarrer verschlafen hat – dös laß ich net zu! Verstehst mich?«
»Du, mir scheint, dir hat d' Sonn a bißl z'heiß aufs Dachl brennt!« fiel Burgi mit zornbebender Stimme ein. »Komm her, du, ich kühl dich ab!« Und ehe Pepperl den Sinn dieser Worte zu deuten vermochte, hatte sie den Tränkzuber gepackt und schüttete dem Jäger einen Guß ins Gesicht, daß das Wasser in plätschernden Fäden an ihm hinuntertroff.
»So? No wart nur, du!« Pepperl schüttelte sich, daß die Tropfen nach allen Seiten flogen. »Wir zwei sind fertig miteinander! Du und ich! Für ewige Zeiten! Jetzt soll dir an andrer ins Gewissen reden! Jetzt muß dein Vater her! Dein Vater soll's wissen, wie's steht um dich! Ja, schau mich nur an, du! Heut noch laß ich ihm Botschaft sagen. Dein Vater muß her! Und jetzt bin ich fertig, so!« Er quetschte das Wasser aus den Ärmeln und schleuderte die Tropfen von den Händen. »Mich siehst nimmer in deiner Hütten!«
Wie er zur Tür hinauskam, das schien er selber nicht recht zu wissen. Er merkte nur plötzlich, daß er draußen in der Sonne stand, und da schob er das Hütl zurück und griff sich an die Stirn, als müßte er sich erst besinnen, was denn eigentlich geschehen wäre. Der Anblick seiner pritschelnassen Kleider schien ihm alles wieder in Erinnerung zu bringen. »An saubern Dank hat man von der moräulischen Gwissenhaftigkeit!« Er zog die Joppe herunter, trocknete mit dem Sacktuch das Gesicht und drückte das Wasser aus der Lederhose, die sich anfühlte wie ein vollgesogener Schwamm. Und da er in dem Zustand, in dem er sich befand, das Försterhäuschen nicht betreten wollte, sprang er gegen Wald hinunter und legte sich auf einer kleinen, versteckten Lichtung in die Sonne, um trocken zu werden. »Grad zerreißen könnt ich dös Weiberleut!« murrte er mit geballten Fäusten vor sich hin, als er zwischen den Stauden hockte und sich von der Mittagshitze braten ließ.
Er hatte »seine Schuldigkeit getan«, hatte sein Gewissen entlastet. Aber der Ausdruck seiner Züge war nicht der friedliche des guten Hirten, der sein bedrohtes Schäflein gerettet weiß.
Es dauerte eine gute Stunde, bis Pepperl in der sommerlichen Backofenhitze trocken wurde – wenn auch nicht trocken bis auf die Haut. »Unterschichtig« klebte ihm noch das Gewand am Körper, aber auswendig, meinte er, »tut's es schon!«
Um nur ja nicht an der Sennhütte vorüber zu müssen, machte er zum Försterhäuschen einen weiten Umweg durch den Wald, bis hinunter zum Bach. Da begegnete ihm der Bote, der für den Fürsten die Post aus Leutasch gebracht hatte und jetzt wieder heimwanderte. Pepperls Augen funkelten vor Freude. »So! Du kommst mir recht. Kannst mir eine Botschaft tragen?«
»Was denn?«
»Triffst du den alten Brenntlinger heut noch?«
»Der Burgi ihren Vater?«
»Ja.«
»Heut nimmer, na! Aber morgen, wann ich am Wirtshaus vorbeikomm, da hockt er schon drin.«
»Richt ihm aus, daß ich ihm ganz ebbes Wichtigs sagen muß. Er soll mich aufsuchen. Je bälder, je lieber.«
»Sagen tu ich's ihm schon.« Der Mann lachte. »Ob ihm der Schnaps aber Urlaub gibt, dös weiß ich net.«
»Versprich ihm halt, daß er bei mir auch sein Stamperl kriegt.«
»No, da kann's sein,