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Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer. Ludwig GanghoferЧитать онлайн книгу.

Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer - Ludwig  Ganghofer


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      Als das Feuer gelöscht war, halfen sie alle zusammen, um den Zaun wiederherzustellen und das angebrannte Loch mit zusammengeschlepptem Reisig zu füllen. In jener wohligen Erregung, die jedem schadlos überstandenen Schreck zu folgen pflegt, wurde breit erörtert, welch ein »schönes« Unglück da hätte entstehen können.

      Brennt der Zaun einmal, von einer Felswand über das schmale Tal hinüber bis zur anderen, dann brennt auch der ganze Sebenwald bis über den See hinauf, und alles Jungvieh, das droben im Seetal auf der Weide steht, ist verloren. Wenn auch der Brand nicht höher gehen kann als bis zu den letzten Latschenfeldern, und wenn auch das Vieh hinaufflüchtet in die Felsenkare – droben erstickt es im Rauch. »Kreuzsakra!« meinte Beinößl. »Da möcht ich net droben sein im Seetal! Oder ich müßt den letzten Juchezer machen und 's Leben so billig verkaufen wie an alten Strumpf!«

      Draußen im Karwendelgebirg, erzählte ein anderer, wäre vor Jahren ein großer Waldbrand durch einen Almzaun entstanden, in den der Blitz geschlagen hätte. Ähnliche Fälle erzählten zwei andere, und man kam zu dem Schluß, daß es auch im Geißtal an der Zeit wäre, diese »Zunderhecken« durch Legmauern aus Steinen zu ersetzen, wie es längst schon überall geschehen wäre, wo die Leute Verstand und kein Sägmehl im »Hirnkastl« hätten. »Daß man an die alten Bräuch hängt, dös is ja gut und schön, aber a bißl Furtschritt is net ohne!«

      Plötzlich verstummte diese Weisheit – der Förster kam mit den zwei Leutascher Jägern. Wohl begann es schon Tag zu werden, aber der Nebel verschleierte den Aschenhaufen, und so merkte der Förster nicht, was geschehen war. Er ließ die Jäger und Treiber im Halbkreis Aufstellung nehmen: »Also, Leut! Daß wir unserer lieben Duhrlaucht heut a saubers Jagderl machen! Am Almzaun auffi wird die Treiberketten angstellt. Den Losschuß mach ich um Punkt halb sechse. Da is die Duhrlaucht auf'm Stand, und da wird sich auch der Nebel schon verzogen haben. Und wie der Losschuß fallt, fangen wir 's Drucken an. Und langsam, Leut, langsam, nur langsam, daß die Hirsch net aussifahren zum Loch wie die narrischen Mäus. Verstanden? Also, in Gotts Namen, packen wir's an!«

      Neben dem Almzaun stiegen sie bergan, während das Frühlicht zu wachsen und der Nebel sich schon zu verziehen begann. Hinter den halblaut Schwatzenden blieb Mazegger unschlüssig zurück. Sein Gesicht war übernächtigt, seine Augen lagen tief, von dunklen Ringen umzogen. Sein Flackerlicht hing an dem kalt gewordenen Aschenhaufen, glitt hinüber zum Almzaun und folgte dem braunen Reisigwall bergauf und wieder bergab, über das ganze schmale Tal, von einer Felswand bis zur anderen.

      Dann nickte er vor sich hin, und langsam stieg er hinter den anderen her.

      Vierzehntes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Zögernd schwammen die Schleier des Morgennebels durch das Geißtal hinaus und wurden immer dünner. Eine Waldzunge nach der anderen gaben sie frei, enthüllten hier eine sonnbeglänzte Bergzinne, dort ein Almfeld in blauem Schatten, und selbst schon angestrahlt und durchwärmt von der steigenden Sonne, verwandelte sich ihr trübes Grau in zarten Schimmerduft, der spurlos in den Lüften zerfloß.

      Fast war das ganze Tal schon nebelfrei, und mit leuchtender Klarheit spannte sich der Morgenhimmel über Tal und Berge, als Ettingen und Praxmaler gegen sehr Uhr morgens in der Talsohle das breite Kiesbett der Ache überschritten, um durch einen steilen Waldstreif emporzusteigen zum Fürstenstand. Der lag am Waldsaum auf einem Latschenrücken und gewährte freien Ausblick über eine von Erlengestrüpp erfüllte Mulde und eine spärlich bewachsene Lawinengasse, die sich vom Fuß der steilen Felswand hinunterzog bis ins Tal. Drunten sah man das weiße Kiesfeld und eine lange Strecke des Pfades, der zum Sebensee führte. Über dunkle Fichtenhügel konnte man hinausblicken zum Sebenwald und zu der vom Seeufer aufsteigenden Sonnenspitze, die ihren goldumstrahlten Felskegel schlank in den blauen Himmel hob.

      Den Stand, auf dem zwischen den Wurzeln einer Fichte ein bequemer Sitz gerichtet war, umzog eine kleine Legmauer als Deckung für die Jäger.

      Während Pepperl den Wettermantel über den Sitz breitete und den Feldstecher aus dem Futteral nahm, blickte Ettingen immer dort hinaus, wo jener schlanke, sonnige Felds in die Lüfte stieg.

      »So, Duhrlaucht, jetzt haben S' a nobels Platzl!«

      Ettingen ließ sich nieder, und Pepperl, der sich seinem Herrn zu Füßen setzte, zeigte ihm die beiden Wildwechsel, von denen der eine unter der Felswand hinlief, während der andere schräg über die Lawinengasse hinunterging ins Tal und gegen das Kiesbett des Baches. »Auf dem, mein ich, auf dem sollt was anlaufen!«

      Ettingen nickte. Und Pepperl schwieg. Während aus den Augen seines Herrn ein frohes Träumen redete, ein freudiges Ausgenießen der schönen Morgenstunde, sprach grämliche Verdrossenheit aus dem Gesicht des Jägers. Für ihn lag der Fürstenstand auf einem unbequemen Platz. Wenn er den Hals streckte, konnte er draußen im Geißtal den Tillfußer Almwald sehen und zwischen den Wipfeln den Flaggenmast, dessen drei Fahnen sich wie eine Reihe winziger Farbkleckse vom Grün des Hintergrundes abhoben. Immer wieder beugte Pepperl sich vor, von der unbequemen Stellung begann ihn das Genick zu schmerzen, und immer schwerer seufzte er. Scheu hatte er schon ein paarmal zu seinem Herrn aufgeguckt, als läge ihm was auf der Seele, was nicht heraus wollte. Und plötzlich sagte er mit einem Ton, als ging es um Wohl und Weh eines Menschen:

      »Ja, Duhrlaucht, passen S' auf, heut schießen S' an guten Hirsch!«

      Ettingen hörte nicht.

      Pepperl drückte die Hand in den Nacken. »Ja, ja! Heut kommt was! Unser Jagdl is gut. Aber kosten tut's! Dös is a sauberer Haufen Geld, der da verwaltet werden muß! Verwaltet!« Immer weiter öffneten sich Pepperls Augen, während er in heißer Spannung zu seinem Herrn hinaufguckte. »So an Jagdbezirk verwalten! Teufi, Teufi, Teufi! Dös macht Arbeit! Und verstehn muß man's. Dös is d' Hautpsach. Aber der Förstner, gelten S', der versteht's! Der macht alles allein. Der braucht keinen andern. Der versteht's halt, gelt?«

      »Ein tüchtiger Jäger«, sagte Ettingen, »auf den man sich verlassen kann, in allen Dingen!«

      Aus Pepperls Augen blitzte die Freude, und in allen Tonarten begann er das Lob des Försters zu singen, um mit der diplomatischen Wendung zu schließen: »Aber no, freilich, vom Land einer is er halt doch, und da kennt er sich halt net so aus mit die fürnehmen Sacherln, wissen S'! Und da hab ich mir schon diemal denkt: kunnt sein, daß der Herr Fürst amal ein' anstellt, so an Herrischen, an Jagdverwalter, oder wie man's heißt – wie sag ich denn gleich – no ja, wie der Herr Martin einer is?«

      »Martin? Und Jagdverwalter?« Das war eine Vorstellung, die den Fürsten lachen machte. »Nein! Wenn ein Jagdverwalter nötig wäre, wüßte ich mir einen anderen zu finden. Aber der Förster mach seine Sache so gut, da ich mir das besser gar nicht wünschen kann.«

      Pepperl grinste im Triumph seiner Schadenfreude wie ein Indianer, der den Skalp des Todfeindes eroberte. »Wart, Frau Verwalterin, heut auf'n Abend kriegst was z'hören!« dachte er und streckte den Hals, daß ihm die Schultern fast aus der Joppe sprangen. »Aber jetzt, Duhrlaucht, jetzt müssen S' Ihnen stad halten! Die Zeit wird kritisch. Allbot kann was daherspringen.«

      Lautlos saßen sie eine halbe Stunde.

      Da ließ sich aus dem Waldstreif hinter der Lawinengasse das leise Rollen von Steinen hören. Pepperl, jetzt ganz bei der Sache, spitze die Ohren. Im gleichen Augenblick faßte Ettingen mit hastigem Griff den Feldstecher. Doch während der Jäger hinüberspähte zum Wald, hielt Ettingen das Glas nach dem Tal gerichtet.

      Dort unten auf dem Pfad war Lolo Petri erschienen, den Basthut mit einem Kranz von Blumen geschmückt. Ihr folgte der Bruder, dessen Hütl unter Almrosen ganz verschwand; er führte an losem Zügel den Esel, der mit dem Gepäck und mit einem riesigen Busch von Rosen und anderen Blumen beladen war.

      »Obacht!« flüsterte Pepperl, der drüben aus dem Waldsaum ein Alttier sichernd auf die Lichtung treten sah. Als aber Ettingen die Büchse nicht faßte, blickte der Jäger verwundert auf. Da sah er, wie seinem Herrn das Glas in den Händen zitterte.


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