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Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer. Ludwig GanghoferЧитать онлайн книгу.

Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer - Ludwig  Ganghofer


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dich und für uns alle! – Kind?«

      Lo wollte sprechen und brachte kein Wort über die Lippen. Auf die Holzbank niedersinkend, brach sie in Schluchzen aus.

      Schweigend setzte Frau Petri sich an die Seite ihres Kindes, nahm die Weinende in den Arm und streichelte ihr das Haar.

      Noch ehe Frau Petri sprechen konnte, hatte Lo ihre Fassung wiedergefunden. Sie trocknete die Augen, und nur noch ein schmerzliches Lächeln irrte um ihren Mund, als sie ruhig sagte: »Mutter! Wir müssen fort von hier.«

      »Fort?«

      »Ja. Weil ich ihn liebe.«

      »Ach Gott!« stammelte die alte Frau. »Was ist über mich schon alles gekommen! Und jetzt auch das noch! Mein Kind muß ich leiden sehen und kann ihm nicht helfen. So ein Unglück!«

      »Nein, Mutter!« Lolos Augen leuchteten in stillem Glanz. »Was ich fühle, ist das Herrlichste eines Menschenherzens. Es wird mein Leben erfüllen wie die Sonne einen klaren Tag. Ist Liebe weniger schön und reich, weil sie nicht hoffen darf? Kein Unglück, nein! Was ich fühle, ist Glück. Nur Zeit mußt du mir vergönnen, um mich wiederzufinden, um so stark und mutig zu werden, daß ich ihm ruhig begegnen und verbergen kann, was in mir brennt. Nur deshalb will ich fort. Ein paar Wochen. Ich bitte dich, Mutter, tu mir das zuliebe.«

      »Ja, Kind! Alles, was du willst. Und wohin möchtest du?«

      »Das war immer eine Sehnsucht von mir: Vaters Heimat kennenzulernen, das Haus zu sehen, in dem er geboren wurde.«

      »Ja! Da reisen wir hin.«

      »Und dann, Mutter, gehen wir nach München.«

      »München?« Vor den Augen der alten Frau erwachte bei diesem Wort das Bild ihrer bittersten Lebensjahre. Wie scheue Abwehr klang es aus ihrer Stimme: »Kind?«

      »Das müssen wir, Mutter! Was wir über Vater erfuhren, hat eine Pflicht auf uns gelegt. Die Welt soll die Schätze sehen, die unser Haus umschließt, und soll lieben lernen, was Vater unter diesem Dach geschaffen hat. Deshalb müssen wir nach München.«

      »Ich seh es ein. Das sind wir seinem Namen schuldig. Aber – Ach, Lo! Wieder hinein in den alten Kampf und in die neue Sorge! Und es war so friedlich hier! Bei unserem Erinnern und bei seinen Blumen!«

      Lo legte den Arm um den Hals der Mutter. »So wird es auch bleiben, immer! Wenn wir heimkehren, werden wir nur reicher sein um eine Freude.«

      »Gott soll's geben!« Frau Petri seufzte; ihr Herz wurde nicht leichter. Sie hatte es verlernt, an die Hoffnung zu glauben. Als nach allem Kampf der früheren Jahre die Ruhe gekommen war, hatte sie diesen Frieden nicht recht genießen können, weil sie immer fürchten mußte: er wird nicht dauern. Hatte sie nicht recht gehabt mit dieser Furcht? Noch war die Trauer um ihren Mann nicht still geworden. Und da kam das wieder! Der hoffnungslose Schmerz ihres Kindes! Und was würde dann kommen? Was stand ihr noch alles bevor an Leid und Weh? »Ach ja!« Die Hände fielen ihr schwer in den Schoß. »Wann willst du reisen?«

      »Sobald der Bub wieder wohl ist. Und morgen will ich hinausreiten zum See, nur über die Nacht, um da draußen alles in Ordnung zu bringen für den Winter. Auch dürfen wir die Blumen in den heißen Sommerwochen nicht ohne Pflege lassen. Ich will den Sebener Senn ersuchen, daß er die Arbeit übernimmt.«

      »Ja, das mußt du tun! Seine Blumen – das war sein letztes Wort – die dürfen nicht leiden.«

      Nun schwiegen sie, als wäre alles zu Ende gesprochen.

      »Noch eines, Mutter!« Lolos Wangen färbten sich. »Der Fürst –« Ihre Stimme schwankte bei diesem Wort. »Die Freude, die er uns brachte mit dieser Nachricht – das müssen wir ihm danken! Ich meine, wir sollten ihm eins von unseren Bildern schicken. Als Erinnerung an den Vater. Und an alles andere.« Ein mildes Lächeln verschönte ihren Mund. »Meinst du nicht auch?«

      »Wenn du willst. Welches meinst du?«

      Da rief die Magd in die Stube herein: »Ich bitt, der Gusterl gibt kei' Ruh nimmer: 's Fräuln soll kommen!«

      Lo erhob sich, zog die alte Frau zu sich empor und umschlang sie. »Sei ruhig, Mutter! Sorg dich nimmer! Der Vater hat mich erzogen zu seinem starken Kind. Und was ich dir sein kann, das sollst du haben an mir!« Sie verließ die Stube. Erst ordnete sie noch in der Küche die Teeplatte und sagte zu dem Mädchen: »Trag nur alles gleich hinein! Muttl hat schon so lange warten müssen.«

      Als sie durch die Schlafstube der Mutter ging, fiel aus dem anstoßenden Zimmer der Lampenschein und erleuchtete eine Bilderwand. Lolos Blick begegnete jener Leinwand mit dem Hermeskopf – mit der weißen Marmorsäule des jugendlichen Gottes, dem eine Natter auf die Schulter kriecht. Ekel und Grauen sprechen aus seinem Gesicht, doch seine Brust ist angewachsen an dem unbeweglichen Stein, und er hat keine Arme, um die giftige Häßlichkeit von sich abzuwehren. » Das soll er haben!« Zitternd, in einem Sturm von Empfindungen, nahm Lo das Bild von der Wand und küßte die Stirn des schönen Gottes.

      Da klang die Stimme des Bruders: »Lo? Was machst du da draußen? Komm doch zu mir!«

      Sie gab das Bild wieder an die Wand und trat in die kleine Stube.

      Das verpflasterte Gesichtchen vorgebeugt, saß Gustl in den Kissen. »Lo, jetzt eben hab ich probiert, ob ich marschieren kann. Es geht schon ganz famos. Morgen darfst du mich aufstehen lassen.«

      Sie trat zum Bett. »Morgen? Nein, Bubi, morgen mußt du noch liegenbleiben.«

      »Also übermorgen! Darf ich dann auch bald ins Jagdhaus? Er hat mich doch eingeladen. Übrigens, weißt du, ich hab so was wie eine Ahnung. Gib acht, Lo, morgen kommt er.«

      Damit der Bruder ihre Erregung nicht sehen möchte, ging sie zum Fenster, das noch offenstand.

      Verwundert sah Gustl zu ihr auf. »Aber Lo?«

      »Ich will das Fenster schließen, die Nacht wird kühl –«

      Ihre Stimme erlosch – draußen über der Hecke sah sie einen Menschen stehen, regungslos in dem trüben Dunkel. Ruhig schloß sie das Fenster und zog die Gardinen vor.

      Der auf der Straße draußen lachte leis. Dann schritt er durch das finstere Dorf, dem Geißtal entgegen.

      Es ging auf elf Uhr, als Mazegger die Tillfußer Alm erreichte. Zitherklang, Gesang und Lachen tönten aus der Sennhütte. Das Jagdhaus stand noch mit hell erleuchteten Fenstern, nur das Speisezimmer war dunkel. Und im Försterhäuschen wurde just die Lampe ausgeblasen.

      Während Mazegger an der Sennhütte vorüberging, warf er einen gleichgültigen Blick in die offene Tür, durch die es herausquoll wie roter Feuerdampf.

      Zigarrenrauch und Staub, den die tanzlustigen Paare aufgewirbelt hatten, erfüllten den großen Raum. Ein festes Feuer flackerte auf dem Herd, und über dem dicht besetzten Tisch, in einem Mauerring, brannte eine Kienfackel. Einer der jungen Touristen spielte mit wenig Kunst, aber mit vielem Eifer die Zither, die anderen sangen und tranken, schwatzten und lachten. Nur die Wirtin hielt sich abseits von dem fidelen Spektakel. Mit rotem Gesicht und gerunzelten Brauen stand Burgi neben dem Herd und warf ein Scheit ums andere ins Feuer, als gält es eine Höllenlohe für eine dem Bratspieß verfallene Sünderseele anzuschüren. Sie trat nur zum Tisch, wenn sie ein leer gewordenes Glas wieder zu füllen hatte. Und dann mußte sie in den Keller hinunter, wo das Fäßlein mit dem roten Spezial schon bedenklich hohl klang. Was ihre gallige Laune am meisten zu reizen schien, das war, daß sie den Weg in den Keller besonders häufig für den Praxmaler-Pepperl machen mußte. Der schien den Schwur der Nüchternheit, den er beim Sebensee seinem Jagdherrn geleistet hatte, völlig vergessen zu haben. Zwei Liter hatte er schon hinuntergegossen in seine aufgeregte Seele, und jetzt eben schrie er zum neuntenmal: »He, Sennerin! Noch aber Viertele!«

      Abgewandten Gesichtes stellte ihm Burgi den frisch gefüllten Schoppen hin. Während sie zum Herd ging, warf sie einen Wutblick über die Schulter. Nicht auf den Praxmaler-Pepperl. Die Zornglut dieses Blickes galt der kleinen Französin, deren lustiges Lachgezwitscher die Stimmen der anderen übertönte.

      Zwischen


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