Butler Parker 138 – Kriminalroman. Günter DöngesЧитать онлайн книгу.
Simpson blieb stehen und sah Josuah Parker gereizt an. Sie schätzte es gar nicht, wenn Butler Parker wieder mal beiläufig und wie selbstverständlich einen Wissensvorsprung zeigte.
»Mr. Lem Coltex, Mylady, soll, wie es heißt, geldträchtige Gelegenheiten zusammen mit jenen Spezialisten anbieten, die diese Arbeiten auch durchführen können.«
»Guter Gott, können Sie sich nicht verständlicher ausdrücken? Nennen Sie mir ein Beispiel!«
»Wie Mylady wünschen.« Parker deutete wieder eine knappe Verbeugung an. »Mr. Lem Coltex bietet beispielsweise einen Wandsafe in irgendeinem Haus an und garantiert, daß dieser Safe wohlgefüllt ist. Gleichzeitig aber benennt er Spezialisten, die in der Lage sind, solch einen Wandsafe zu öffnen. Für solche kriminellen Pakete, Mylady, um bei diesem Ausdruck zu bleiben, nimmt er Prozente, die nicht unbeträchtlich sein sollen, was die Höhe anbetrifft. Er garantiert aber, wie man sagt, vollen Erfolg.«
»Und diesem Subjekt haben wir bisher nicht das Handwerk gelegt?« Mylady sah ihren Butler strafend an. »Warum erfahre ich erst jetzt von diesem Gangster?«
»Die sogenannte Gunst der Stunde, Mylady, hatte bisher noch nicht geschlagen.«
»Dafür aber jetzt. Und zwar laut und deutlich!« Lady Agatha Simpsons Augen funkelten unternehmungslustig. »Es ist natürlich klar, daß dieser Coltex genau der Mann ist, der Zeugen und Geschworene einschüchtern läßt. Wir werden uns da sofort einschalten.«
»Myladys Wünsche decken sich durchaus mit meinen bescheidenen Vorstellungen.«
»Was ich mir auch ausgebeten haben möchte, Mister Parker! Wo kommt unsere Rechtsprechung denn hin, wenn solche Subjekte tätig sind? Aber es ist doch wieder mal recht typisch für McWarden, daß er nicht Bescheid weiß.«
»Davon sollte man tunlichst nicht ausgehen, Mylady, Mr. McWarden dürfte über Mr. Coltex durchaus Bescheid wissen. Mr. Coltex hat es bisher nur geschickt verstanden, alle Spuren zu verwischen.«
»Das ändert sich ab heute, Mister Parker. Lassen Sie sich etwas Nettes einfallen! Sie wissen, mit Einzelheiten gebe ich mich nicht ab, die gehören zu Ihrem Ressort.«
»Mr. Lem Coltex dürfte inzwischen wissen, Mylady, daß man sich für ihn interessiert.«
»Woher sollte er das wissen?«
»Er dürfte sich inzwischen ausgerechnet haben, Mylady, daß nicht Butler William Preston die beiden Schläger ein wenig zur Ordnung rief.«
»Sie glauben, er weiß jetzt, daß Sie es gewesen sind?«
»Davon sollte man ausgehen, Mylady.«
»Sehr schön, damit sind die Fronten geklärt. Coltex wird sich an Ihnen rächen wollen. Und genau dann schlage ich zu, Mister Parker. Wir werden diesem Paketschnürer gründlich das Handwerk legen, verlassen Sie sich darauf!«
Butler Parker sah die Dinge wesentlich komplizierter, doch er hütete sich, darüber etwas zu verlautbaren. Er wollte die optimistische Grundstimmung der älteren Dame im Moment nicht erschüttern, wußte aber bereits jetzt, daß man sich mit äußerst brutalen und mörderischen Gegnern anlegen würde.
*
Mylady befand sich im Schwurgericht.
Neben ihr hatte Josuah Parker Platz genommen, der ebenfalls auf den Spruch der Geschworenen wartete. Die zwölf Damen und Herren der Jury hatten gerade wieder auf ihren Bänken Platz genommen und machten alle einen durchaus gesammelten und konzentrierten Eindruck.
Die Spannung im Gerichtssaal war fast körperlich zu spüren.
Der ehrwürdige Richter wartete, bis die Unruhe sich gelegt hatte. Dann nickte er dem Sprecher zu, der sich an die Geschworenen wandte. Deren gewählter Vertreter stand auf und teilte dem Gericht mit, der angeklagte George Hunt sei nicht schuldig zu sprechen.
Der Richter schnappte ein wenig nach Luft und schüttelte dann deutlich sichtbar den Kopf. Natürlich war er mit dieser Entscheidung nicht einverstanden, doch nach dem geltenden Recht blieb ihm anschließend nichts anderes übrig, als den Gangster George Hunt in die Freiheit zu entlassen. Er verkniff sich jeden Kommentar zum Entscheid der Jury, während im Zuschauerraum erneut Unruhe entstand.
Pressefotografen stürzten sich auf George Hunt und schossen serienweise Aufnahmen. Der durchschnittlich aussehende Mann von knapp vierzig Jahren grinste triumphierend in die Optik und genoß seinen Freispruch. Er schien gar nicht überrascht zu sein, was wohl auch kein Wunder war. Schließlich waren für ihn ja gewisse Weichen nachdrücklich gestellt worden.
McWarden erschien vor Lady Simpson und Butler Parker.
»Ein Skandal«, sagte er empört. »Aber so was hatte ich auch in diesem Fall erwartet.«
»Zumal die Hauptbelastungszeugen Erinnerungslücken zu verzeichnen hatten«, warf Parker gemessen ein.
»Da muß man nun einen Gangster laufen lassen, der eindeutig einen Mord begangen hat.« Der Chief-Superintendent ballte die Fäuste. »Aber noch ist nicht aller Tage Abend!«
»Verlassen Sie sich darauf, junger Mann!« Agatha Simpson nickte grimmig. »Dieser Hunt wird seines Lebens nicht froh werden, das verspreche ich Ihnen.«
»Der taucht jetzt erst mal unter«, vermutete McWarden. »Sehen Sie doch, wie er mich angrinst! Ich könnte ihm ... Nein, ich sage besser nicht, was ich am liebsten möchte.«
»Tun Sie sich nur keinen Zwang an, McWarden«, meinte die ältere Dame. »Haben Sie sich die Leute auf den Zuschauerbänken näher angesehen?«
»Da hat es vor Gaunern und Ganoven nur so gewimmelt«, meinte der Chief-Superintendent gereizt. »Die wollten doch miterleben, wie das neue System klappt. Und wie es geklappt hat!«
»Das Blatt wird sich bald wenden, junger Mann.«
»Sie haben schon erste Erkenntnisse gewonnen?« McWarden wurde sofort hellhörig.
»Lassen Sie sich überraschen, McWarden!« Lady Agatha tat sehr geheimnisvoll. »Ich bin bereits auf einer sehr heißen Spur.«
»Mylady, was immer Sie auch wissen, Sie sollten mich informieren«, riet McWarden eindringlich.
»Soweit bin ich noch nicht, McWarden. Du lieber Himmel, Sie waren ja erst gestern bei mir und flehten um Hilfe.«
»Nun, gefleht habe ich gerade nicht, Mylady«, korrigierte der Chief-Superintendent ein wenig ärgerlich.
»Sie lagen vor mir fast auf den Knien, junger Mann«, stellte die ältere Dame genußvoll fest. »Sehen Sie doch, wie dieser Lümmel sich feiern läßt!«
»Ich könnte ihn ...« McWarden beließ es erneut bei dieser Andeutung. Agatha Simpson hingegen boxte sich ziemlich ungeniert einen Weg durch die Menge der Fotografen und Freunde Hunts. Parker folgte ihr dichtauf, denn er rechnete selbstverständlich mit Komplikationen. Ihm war die Spontaneität seiner Herrin nur zu bekannt.
Lady Agatha benahm sich Sekunden später sehr undamenhaft.
Geschützt von der Menge, die Hunt umlagerte, trat sie dem freigesprochenen Gangster genußvoll gegen das linke Schienbein.
George Hunt ächzte, verfärbte sich und knickte ein. Schmerzenstränen schossen ihm ins Auge.
»Fühlen Sie sich nicht wohl?« erkundigte sich Agatha Simpson mit ihrer dunklen Stimme, um dann erneut zuzutreten. Diesmal traf sie das rechte Schienbein des Gangsters, der aufheulte wie ein getretener Hund.
»Es müssen seine Nerven sein«, teilte die resolute Sechzigerin den Umstehenden mit und sagte damit noch nicht mal die Unwahrheit. »Es war wohl alles zuviel für ihn.«
Während sie dies feststellte, rammte sie ihm den Stiel ihrer Lorgnette in die rechte Rippenpartie. Hunt brüllte auf und wollte sich hinter seinen Freunden in Sicherheit bringen, doch das erwies sich als schwierig. Er war fest eingekeilt und konnte eine schnelle Flucht nicht antreten.
»Diesem Mann ist nicht wohl«, verkündete Lady Simpson und ... jagte