Der exzellente Butler Parker 7 – Kriminalroman. Günter DöngesЧитать онлайн книгу.
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Josuah Parker sah die Katastrophe kommen, doch er hatte keine Möglichkeit, dem Schicksal in die Arme zu greifen. Tatenlos mußte er zusehen, wie seine Herrin sich in akute Gefahr begab. Sie näherte sich energisch einem der vielen Messestände der Kunstausstellung und steuerte zielsicher einen zierlichen und eleganten Queen-Anne-Sessel an, dessen Sitzfläche mit Brokat bezogen war.
Das nicht gerade billige Original war von Mylady dazu ausersehen worden, ihre Fülle aufzunehmen. Agatha Simpson nickte den beiden Repräsentanten der Antiquitätenfirma wohlwollend zu und ließ sich dann auf dem Sessel nieder.
Sie hätte es besser nicht getan.
Lady Simpson war eine majestätische Erscheinung, die das 60. Lebensjahr mit Sicherheit überschritten hatte. Sie war groß, bewegte sich mit dem Gehabe einer Regentin und wies beeindruckende Proportionen auf.
Durch Myladys Schwung fühlte sich der Sessel veranlaßt, einen tiefen Seufzer auszustoßen. Zwei Verkäufer, die das teure Möbel bedauerten, gaben noch einige höfliche Warnrufe von sich – doch es war schon zu spät.
Die vorderen Beine des Sessels, reich verziert mit Muschel-Ornamenten, waren der jähen Belastung nicht gewachsen und knickten ein. Dann löste sich die linke Armstütze und brach seitlich weg. Mylady geriet in eine Schieflage, die man nur als gefährlich bezeichnen konnte.
Agatha Simpson stieß einen spitzen Schrei aus, der die Ausstellungshalle erfüllte und erste Anzeichen einer allgemeinen Panik auslöste. Myladys Fülle senkte sich, doch geistesgegenwärtig stützte die ältere Dame sich auf der geöffneten Schreibfläche eines sogenannten Bureau-Kabinetts auf.
Dieser nicht weniger elegante und zierliche Sekretär mit Spiegelaufsatz war der jähen Belastung ebenfalls nicht gewachsen. Er brach stillos in sich zusammen und ließ bei dieser Gelegenheit deutlich erkennen, aus welchen Einzelteilen er mal zusammengesetzt worden war.
Damit war die Demontage dieses kleinen Messe-Standes allerdings noch keineswegs beendet.
Mylady rollte über einen teuren Seidenteppich auf ein dreibeiniges Tee-Tischchen zu und knickte dessen Beine ohne jede Schwierigkeit ein. Die Platte kippte hoch, überschlug sich in der Luft und landete krachend und splitternd in einem Standspiegel.
Butler Parker war tief beeindruckt.
Es zeigte sich wieder mal, daß Mylady keine Halbheiten kannte. Wenn sie etwas tat, kannte sie keine Kompromisse. Der Butler beeilte sich, zum Messe-Stand zu kommen. Die beiden Verkäufer waren bereits damit beschäftigt, Mylady hochzuziehen, was ihnen sichtlich einige Schwierigkeiten bereitete. Mylady war schließlich kein Leichtgewicht. Zudem war sie eindeutig verärgert. Sie belegte die beiden Aussteller mit Ausdrücken, die man nicht gerade als ladylike bezeichnen konnte.
»Wie können Sie es wagen, dieses wurmstichige Mobiliar aufzustellen?« meinte sie dann, als sie endlich wieder auf ihren stämmigen Beinen stand. »Warum haben Sie mich nicht gewarnt? Wollten Sie mich umbringen? Ich hätte mir zumindest ein Hüftgelenk anbrechen können ...«
Die beiden konventionell gekleideten Männer nahmen die Anwürfe der Lady Agatha so gut wie nicht zur Kenntnis. Sie blickten auf die diversen Trümmer und schnappten nach Luft, Parker sah deutlich, daß ihre Augen feucht geworden waren« Einer der beiden Aussteller und Verkäufer bückte sich und hob ein geschwungenes Stuhlbein hoch. Dann entrang sich seiner Kehle ein trockenes Schluchzen.
»Guter Gott«, murmelte er, nachdem er sich ein wenig gefaßt hatte, »das ist eine Katastrophe..«
»Richtig«, fauchte Lady Simpson den Mann an, »und zwar für Sie, damit wir uns gleich recht verstehen! Ich hätte umkommen können.«
»Darf man sich höflich nach Myladys Befinden erkundigen?« fragte der Butler die ältere Dame. Er war ein alterslos wirkender. Mann und das Urbild des hochherrschaftlichen englischen Butlers.
Parker trug über seinem schwarzen Zweireiher einen korrekt sitzenden Covercoat, eine Melone und einen altväterlich gebundenen Regenschirm.
»Hoffentlich haben Sie mitbekommen, daß man mich fast umbringen wollte, Mister Parker«, erwiderte Agatha Simpson und griff nach ihrem perlenbestickten Pompadour, der ihr aus der Hand geglitten war. Sie blickte die beiden Aussteller kampflustig an.
»Sie haben sich auf das Hinweisschild gesetzt, Madam«, verteidigte sich einer der beiden Männer. »Darauf stand, daß man den Sessel nicht berühren soll.«
»Sie werden für den Schaden aufkommen«, fügte der zweite Aussteller leichtsinnigerweise hinzu. »Und er ist nicht unerheblich. Diese beiden Stücke sind ... waren sehr teuer.«
»Drei Stücke, wenn dieser Hinweis erlaubt ist«, warf Josuah Parker in seiner höflichen Art ein. »Es handelte sich um Originale, wenn diese Frage erlaubt ist?«
»Selbstverständlich«, lautete die Antwort des ersten Ausstellers. »Einzelstücke, die nie wieder zu bekommen sind.«
»Plumpe Fälschungen«, grollte die passionierte Detektivin. »Ich sah das auf den ersten Blick.«
Bevor die beiden Aussteller sich näher dazu äußern konnten, erschien ein geschmeidig wirkender Mann, der etwa vierzig Jahre alt sein mochte. Er war etwas über mittelgroß, trug einen dunkelgrauen Maßanzug und hob beschwichtigend die Hände. Die goldschwere Rolex an seinem linken Handgelenk war nicht zu übersehen.
Und auch nicht die feinen Umrisse einer Schulterhalfter, die eindeutig gefüllt war.
*
»Es gab also Ärger?« fragte Mike Rander. Er und Kathy Porter hatten sich zum Lunch in Myladys Haus in Shepherd’s Market eingefunden. Mike Rander glich, was Aussehen, Alter und Statur betraf, einem bekannten James-Bond-Darsteller und verwaltete als Anwalt das immense Vermögen der älteren Dame.
Dabei half ihm Kathy Porter, die als Sekretärin und Gesellschafterin der Lady Agatha fungierte. Sie war langbeinig, schlank und hatte kastanienbraunes Haar mit einem leichten Rotstich. Ihre ein wenig schräg geschnittenen Augen und die betonten Wangenknochen verliehen ihr ein etwas exotisches Aussehen.
»Es gab leider keinen Ärger, mein Junge«, beantwortete Agatha Simpson die Frage des Anwalts. »Mister Parker betätigte sich wieder mal als schlechter Verhandlungsführer.«
»Sie sorgten für eine gütliche Einigung, Parker?« fragte Mike Rander salopp. Er hatte in früheren Jahren sehr eng mit Parker zusammengearbeitet. In den USA hatte man gemeinsam eine Reihe von Abenteuern erlebt.
»Mister Richard Dexter verzichtete in der Tat auf Ansprüche jeder Art, Sir«, ließ Parker sich vernehmen. »Mylady hingegen kam zu dem Schluß, daß man keineswegs die Absicht hatte, Mylady nach dem Leben zu trachten.«
»Es lebe der Vergleich«, meinte Rander. »Aber das sage ich als Anwalt nur hier im privaten Kreis.«
»Die drei Möbelstücke waren wirklich Fälschungen, Mylady?« erkundigte sich Kathy Porter interessiert.
»Ich habe keine Ahnung, Kindchen«, erwiderte Lady Agatha wegwerfend.« Mir ging es nur darum, diese Lümmel zu bluffen.«
»Der geschlossene Vergleich, Miß Porter, läßt allerdings die Vermutung zu, daß es sich um Fälschungen handelte«, warf Josuah Parker ein. »Meine Wenigkeit war so frei, sich die Preise der drei Stücke anzusehen. Sie stellten einen Gesamtwert von neunzehntausend Pfund dar.«
»Wie war das? Neunzehntausend Pfund?« Mike Rander lächelte ungläubig.
»In der Tat, Sir«, bestätigte der Butler, »allein das Bureau-Kabinett war mit sechzehntausend Pfund ausgezeichnet.«
»Ein verdammt großzügiger Aussteller«, sagte der Anwalt.
»Der dazu erstaunlicherweise noch der Besitzer einer Schußwaffe war.«
»Schußwaffe, Mister Parker? Und das erfahre ich erst jetzt?« Agatha Simpsons Stimme war wie ein Gewittergrollen, das sich aus der Ferne deutlich ankündigte.
»Mylady waren und sind sicher daran interessiert, aus taktischen Gründen Ahnungslosigkeit vorzutäuschen.«
»Das ist richtig, Mister Parker, aber ich werde dieser Sache natürlich