Die bedeutendsten Maler der Neuen Zeit. Norbert WolfЧитать онлайн книгу.
meditativen Tableaus (zum Beispiel seit dem Ende der fünfziger Jahre das »Color-Field-Painting« mit Repräsentanten wie Morris Louis, Mark Rothko, Barnett Newman, Kenneth Noland, Ad Reinhardt und Frank Stella) oder – mit der in den 50er-Jahren entstehenden Op-Art (Bridget Riley, Jesús Rafael Soto, Günther Uecker, Lucio Fontana und andere) – mit der Rückwendung zu einer wieder stärker optisch-geometrischen Kunst.
POP-ART (1952ff.)
Der englische Kunstkritiker Lawrence Alloway hatte den Begriff »Pop«, dessen Herkunft bis heute umstritten ist, 1958 als Bezeichnung für eine Mitte der 1950er-Jahre entstandene Kunstrichtung in die Literatur eingeführt. Sie setzte sich inhaltlich und formal mit Produkten des Massenkonsums, den Signets und werbenden Bildsymbolen der Konsumgüterindustrie, den Formeln des Comic strips, den Lichtreklamen der Großstädte, den klischeebehafteten Mustern aus Film und Fernsehen auseinander und vollzog dabei eine Abkehr vom bislang herrschenden abstrakten Expressionismus hin zu einer wieder gegenständlich gebundenen Bildersprache.
In London fand sich 1952 eine Gruppe junger Künstler zusammen, die »hohe« und »niedere« Künste, die modernen Massenmedien, wie erwähnt das Design, das Kino, die Werbung, Comics und Science-fiction zu »Popular Arts«, zu einer allen Schichten zugänglichen und verständlichen Sprache vereinen wollten. Richard Hamilton schuf 1956 die Ikone der frühen Bewegung mit der Collage Just what is it that makes today’s homes so different, so appealing? (Tübingen, Kunsthalle).
Rasch wurden die Zielsetzungen der Pop-Art in den USA aufgegriffen, wo sie, mehr oder weniger kritisch, den »American way of life« – von der Cola-Dose bis zum Marilyn-Monroe-Poster (Andy Warhol) beleuchteten. Neben Warhol wurden Robert Rauschenberg, Roy Lichtenstein, Tom Wesselmann, James Rosenquist und Claes Oldenburg zu den Leitfiguren des Pop.
Als eine Art Sonderform des Pop darf man ferner den sich in den 60er-Jahren herauskristallisierenden Fotorealismus (auch Hyperrealismus genannt; einige Namen: Chuck Close, Don Eddy, Richard Estes, Franz Gertsch, auch Gerhard Richter gehört hierher, zumindest partiell) betrachten. Nicht zuletzt mit ihm ist eine fatale Trennung ad absurdum geführt, die seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der »Aufteilung« der Welt in den »freien Westen« und den kommunistischen Ostblock lange Zeit die westliche Meinung beherrschte: dass abstrakte Kunst Ausdruck von Freiheit und Fortschrittlichkeit sei, figurative Kunst Zeichen von Rückständigkeit und ideologischer Fixierung.
POSTMODERNE UND NEUER PLURALISMUS (1960ff.)
1959 fanden in New York die ersten nachdadaistischen Happenings statt. Um 1960 entstand die Bewegung »Fluxus«, in der der koreanische Musiker, Komponist, Performance- und Videokünstler Nam June Paik eine prominente Rolle spielte (auch der Deutsche Wolf Vostell wäre zu nennen). Aktionen – durchaus auch in Nachfolge des Dadaismus – standen im Mittelpunkt ihres Interesses. In Deutschland schloss sich ihr auch Joseph Beuys an, in Österreich Hermann Nitsch. 1969 etablierte sich mit der »Konzeptkunst« eine Richtung in New York, der die Idee wesentlicher war als das objekthafte Werk. Gleichfalls Ende der 60er-Jahre machte die amerikanische »Land Art« von sich reden, angesiedelt in unwegsamem Gelände weitab von der Zivilisation. Und in den 60er-Jahren hielten die neuen Medien Einzug in die bildende Kunst – die Video-Installation entwickelte sich zu einem der zugkräftigsten und – mit Bruce Nauman beispielsweise – auch überzeugendsten Zweige der Gegenwartskunst.
Gleichzeitig jedoch, mit dem Beginn der sechziger Jahre, erregten einige deutsche Künstler Aufsehen (vor allem Markus Lüpertz, Georg Baselitz, etwas später Jörg Immendorff) die sich einer neuen Gegenständlichkeit zuwandten. Die indes hatte nichts mit der thematisierten Warenwelt der Pop-Art zu tun, welche den Gegenstand nicht als subkulturelles Objekt würdigte, sondern aufgrund seiner dinghaften Präsenz und der daraus resultierenden Faszination – eine Gegenständlichkeit sowie Figuration, die sich bald auch emblematisch auflud und so nicht selten deutsche Vergangenheit und deutsche Befindlichkeit evozierte.
Alles schien inzwischen möglich und auch möglich gemacht – und zwar so weit, dass Beliebigkeit drohte. Die sogenannte »Postmoderne« reagierte darauf. Der Begriff war zuerst in der Literaturwissenschaft geprägt worden. Dann übertrug man ihn in die Architekturgeschichte. Ausgangspunkt war 1972 die Sprengung eines Wohnviertels in St. Louis, Missouri. Als der Komplex einfallsloser und damals längst ruinöser Wohnhochhäuser aus den 50er-Jahren dem Erdboden gleichgemacht wurde, sah man darin das Sinnbild für den Tod der modernen Architektur: Was vor 1972 existierte, war »Moderne«, was danach entstehen würde, sei Postmoderne bzw. Postmodernismus. Postmoderne erlaube alles, erlaube alle denkbaren Zitate aus der Vergangenheit, erkläre letztlich alles zur Kunst. Das Ende der Kunst und der Kunstgeschichte, das damit eingeläutet schien, hat sich freilich nicht bewahrheitet!
Die früher so heftig geführte Debatte um die Postmoderne scheint gegenwärtig mehr oder weniger abgeklungen. Es gab und gibt eine Kunst und eine Kunstgeschichte nach der Postmoderne, Abstraktion und Figuration setzten an der früheren Moderne an, als ob es die Irritation der Postmoderne gar nicht gegeben hätte. Das totgesagte künstlerische Subjekt und die Vorstellung vom autonomen Werk sind – wenn auch noch gelegentlich durch »postmoderne« Befindlichkeit gebrochen – in die kulturelle Szene zurückgekehrt.
Vielfach kommt dies der Anerkennung gleich, dass sich die seit Beginn des 20. Jahrhunderts von der Avantgarde geforderte Identität von Kunst und Leben, die Grenzaufhebung zwischen den einschlägigen Realitätsbereichen, als vermessene geschichtliche Utopie erwiesen hat. Weil »die Institution Kunst die kreativen Potentiale nur um den Preis ihrer Abtrennung vom Leben rettet« (Peter Bürger), steht sie freilich vor der permanenten Notwendigkeit, diese Abtrennung und ihre Notwendigkeit zu reflektieren, und dies nicht zuletzt angesichts der hitzigen Diskussion um den Bildbegriff, der sich aus dem Vergleich der bildenden Kunst mit der Bilderflut der Massenmedien, mit dem digitalisierten Bild und den »virtuellen Welten« im Cyberspace ergibt. Häufig fechten die Kombattanten einen – ihren – Kampf, man muss es so sagen, lediglich um intellektuelle Machtpositionen aus. Der Kampf wird dann nicht länger auf der Ebene der Werke ausgetragen, sondern auf der der Institution Kunst, des Kunstbetriebs, der Selbstvermarktungsstrategien des jeweiligen Künstlers. Deshalb sind das »Werk« und seine Vermarktung (durch wen auch immer) spätestens seit der Pop-Art, eigentlich aber schon seit dem Dadaismus (der 1960 im »Neodadaismus« des Nouveau Réalisme, bei Yves Klein, Arman, Jean Tinguely, Martial Raysse, Daniel Spoerri, Mimmo Rotella, Christo, Niki de Saint Phalle und anderen eine variierte Neuauflage erlebte) kaum noch voneinander zu trennen. Ob sich Künstler wie Anselm Kiefer, Gerhard Richter, Cy Twombly und eine ganze Reihe verwandter Geister wieder, an die klassischen Kunstauffassungen heranrückend, auf die (archetypische?) Tradition des stimmigen Schöpfungsaktes – und auf die bewusste Abgrenzung zur »Unterhaltungskunst« – besinnen?
FRANCISCO DE GOYA Y LUCIENTES
(* FUENDETODOS BEI SARAGOSSA 30. 3. 1746,
† BORDEAUX 16. 4. 1828)
Francisco José de Goya y Lucientes ist eine jener überragenden Gestalten der europäischen Kunstgeschichte, ohne die man die Wege in die Moderne kaum verstehen kann. Er entzieht sich jeder klaren stilgeschichtlichen Einordnung, weil er von allen zu seiner Zeit vorhandenen Strömungen profitierte und sie in einen provokativ-unerwarteten Zusammenhang einbrachte. Inhalte und Ausdruck seiner Malerei, seiner nicht minder grandiosen Handzeichnungen und Grafiken haben, nochmals sei es betont, zahlreiche markante Entwicklungslinien ins 20. Jahrhundert hinein vorgegeben.1
Goya profitierte von Traditionen, weil er, so paradox es klingt, Normen des Stils, Usancen der Motive unterlief, ehe er sie revolutionierte: Indem er nämlich die realen Albträume und, in der Montagetechnik sowie dem szenischen Ausschnitt seiner Kompositionen, die filmischen Sequenzen der Moderne vorwegnimmt. Historische Strömungen bekommen durch ihn ihre bald traumtiefe und psychologisch sondierende, bald unerbittlich realistische Auslegung: individuelles Psychogramm, visuelle Erkundungen in den verkrusteten Schichten des Sozialen, Hinschauen auf die Fratze des Aberglaubens, der Volksverdummung