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Berühmte deutsche Frauen des achtzehnten Jahrhunderts. Alexander von Ungern-SternbergЧитать онлайн книгу.

Berühmte deutsche Frauen des achtzehnten Jahrhunderts - Alexander von Ungern-Sternberg


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seiner Väter zu entsagen, noch weniger ist bei ihm irgend eine Neigung sichtbar, das Gelübde der Keuschheit abzulegen. Dennoch erhält er das Ordenskreuz, und Raphael Cotonerus, der Ordensmeister, umarmt den jungen Helden öffentlich vor dem versammelten Capitel der Ritter. Jenes Kreuz und diese Umarmung sind Ehrenbezeugungen, die die Welt staunen machen, da sie von einem streng katholischen Orden einem Ketzer erwiesen worden. Welchen Glanz mußte diese Auszeichnung dem jungen Schweden verleihen! Unsere Zeit hat Mittel gefunden, jeden Orden frivol und fast alle werthlos zu machen. Nur eine bewegte Zeit der Thaten kann diesen kleinen Zeichen, die sonst wie eine Ironie der Fürstenlaune aussehen, einen bleibenden Werth verleihen.

      Unser ritterlicher Abenteurer ging nunmehr von Malta nach Rom, nach Florenz, und der alten Stätte verliebter und gefährlicher Intermezzos, nach Venedig. Dieser Stadt der Masken und der Dolche, wo Melpomene, vereint mit Arlequin, die Säulenhallen durchzieht, trug auch der junge Schwede den Zoll der Jugend und des Muthes ab. Hier war es, wo er eine junge Gräfin Southampton kennen lernte, die sich entschloß, ihre Reichthümer und ihre Familie im Stich zu lassen, und ihm in Pagenkleidern überall hin zu folgen. In den Briefen Charlottens von der Pfalz, der Mutter des Regenten, Herzogs von Orleans, wird dieser romantischen Liebschaft gedacht, und zwar in jener anstößigen derben Weise, wie es die Herzogin liebte.

      Die Stelle lautet: »Ma chére princesse (Karoline von Wales, geborene Markgräfin von Anspach), ich will Ihnen etwas auch in aparter Manier schreiben. Ich habe einen Grafen Königsmark gekannt, dem war eine junge englische Dame in Pagenhosen nachgelaufen. Er hatte sie bei sich zu Chambor, und weil kein Platz für ihn im Schlosse war, hatte er ein Zelt im Walde aufschlagen lassen und logirte darinnen. Auf der Jagd erzählte er mir seine Aventüre. Ich hatte Curiosität, den Pagen zu sehen, und ritt zu seinem Zelte; er rief den Pagen und präsentirte ihn mir. Ich habe in meinem Leben nichts Artigeres, als das Mädchen in Pagenkleidung war, gesehen; sie hatte schöne große braune Augen, ein artiges Näschen, einen schönen Mund voller schönen Zähne, denn sie lachte wie sie mich sah; sie merkte wohl, daß der Graf mir alles erzählt hatte. Sie hatte ihre eigenen Haare, braune mit großen Bouklen. Wie er von Chambor wegzog und nach Italien reiste, kam die Wirthin in einem Wirthshause gelaufen und schrie: Monsieur, courez vite lá-haut, votre Page accouche! – Sie bekam ein Töchterchen. Man steckte Mutter und Tochter in ein Kloster zu Paris. So lange der Graf gelebt, hat er wohl für sie gesorgt; er starb aber in Morca und der Page hat ihn nicht lange überlebt; sie ist wie eine Heilige gestorben. Das Töchterchen hat ein Freund vom Grafen, Madame de Montespans Neveu, versorgt; nach dessen Tode hat der König dem armen Mensch eine Pension gegeben. Ich glaube, sie ist noch im Kloster.«

      So weit die alte originelle Dame, die mitten in der verfeinerten Hofsphäre Ludwigs XIV. nicht müde wurde, ihr deutsches Sauerkraut zu speisen und in Manieren und Sprache die deutsche Hausmutter zu spielen. – Der Graf ging von Venedig nach Madrid, dann hielt er sich in Holland einige Zeit auf, auch in Hamburg, kam dann an den Hof zu Stockholm, wo er mit den Anerbietungen, die man ihm machte, nicht zufrieden war, dennoch aber, wieder durch Fraueneinfluß, sich bestimmen ließ, eine diplomatische Sendung nach Windsor an den König Jacob II. zu übernehmen.

      In England stellten ihm die Verwandten der Gräfin Southampton nach, verwickelten ihn in Zweikämpfe, und selbst der Gefahr einer Vergiftung war er ausgesetzt. Auf den Rath des Königs, der sich väterlich für ihn interessirte, verließ er Englands Boden, um sich auf der Flotte einzuschiffen, die nach Afrika bestimmt war, um Tanger zu belagern. Die Schiffe wurden durch widrige Winde zurückgehalten, und der ungeduldige junge Held nahm durch Frankreich und Spanien seinen Weg, um rasch vor Tanger anzulangen. Hier erntete er wieder Ruhm und Waffenehre. Die darauf folgenden Jahre werden in beständigen Kriegszügen hingebracht. Dreimal kehrt er nach Afrika zurück, wir finden ihn auf der britischen Flotte vor Algier, dann in Madrid, dann in Holland, in England, in Deutschland.

      An der Spitze eines selbstgeworbenen französischen Regiments sehen wir ihn Courtrai belagern, wo er verwundet wird, aber dennoch bald darauf in rapidem Marsch nach Catalonien eilt, um das französische Heer mit dem Ruhm seiner Waffen zu unterstützen. In venetianische Dienste eingetreten, nimmt er unter dem Oberbefehl seines Oheims, Otto von Königsmark, an der Belagerung von Navarin und Modon Theil, und die gefahrvolle Unternehmung bei Argos zählt ihn mit unter die heldenmüthigsten Krieger.

      Hier war jedoch seiner Laufbahn ein Ziel gesetzt. Nicht dem Schlachtentode fiel er zum Opfer, sondern einer Seuche, die ihn nach kurzem Schmerzenslager im Monat August 1686 in Morea dahinraffte. Er hatte noch nicht sein siebenundzwanzigstes Jahr vollendet. Seine sterblichen Ueberreste, mit denen seines Oheims, der bald nach ihm ebenfalls den bösen Einflüssen des Klimas unterlag, wurden in die Familiengruft nach Stade gebracht. So war dieses Epos beschlossen, dessen Held so viel Gefahr, Liebe und ritterliche Tugend der Welt gezeigt hatte. Das damalige Europa hatte auf seinem Welttheater einen hübschen Schauspieler weniger, die Paläste und Fürsten sahen aus ihren Räumen eine elegante Figur verschwinden, die Putzgemächer und Schlafkabinette der Frauen verloren ihren kecksten und siegreichsten Eindringling. Auch mit den Musen hatte er sich abgegeben, und zwar nicht auf eine so gezwungene und zweifelhafte Weise wie der alte Marschall, sein Großvater.

      Welche Thränen und Seufzer mögen dem Sarge gefolgt sein, der seine Reise von Morea nach Stade antrat! Wie manches junge Herz in der Klosterzelle, im Palast und in der Hütte mag bei der Trauerbotschaft schmerzlich und krampfhaft sich zusammengezogen haben! Wir haben hierüber keine Nachrichten, und ohne die plauderhafte Feder der alten Prinzessin von Orleans wüßten wir nicht einmal die anmuthigen Details von dem Pagen. Auf diesen Pagen zurückzukommen, so starb er – oder sie – wie eine Heilige; so sagt uns nämlich unsere Berichterstatterin. Die Tochter, die ebenfalls im Kloster erzogen wurde, verlor ihre Pension, als Ludwig XIV. starb, und unter dem Namen einer Mademoiselle d'Holland trat sie in die Welt, vermählte sich mit einem gewissen Chevalier de Cavado, der ihr eine Rente von 40,000 Livres zusicherte, und hatte später die Undankbarkeit, die Schwestern ihres Vaters, Aurora und Emilie, in einen Proceß über die Nachlassenschaft des Grafen Königsmark, ihres Vaters, zu verwickeln. Der Proceß schlug nicht zu ihren Gunsten aus; dennoch verstieß Aurora, in angeborener Milde, dieses Kind der Liebe ihres Bruders nicht; sie that für dasselbe was nur in ihren Kräften stand.

      Philipp Christoph war ein Bruder Karl Johanns, und ihm in sehr vielen Charaktereigenschaften ähnlich, an körperlichen Vorzügen ihn jedoch übertreffend. Wenn wir einem Portrait Glauben schenken wollen, das aus der Nachlassenschaft Aurora's stammt und sich jetzt im Privatbesitz in Dresden befindet, so glich er seiner schönen Schwester und vereinigte in seinen Gesichtszügen denselben Liebreiz mit demselben Adel und Geist. Die gewinnende Anmuth der Schwester war auch ihm eigen, aber sein Scherz war nicht so unschuldig, seine Spöttereien nicht so harmlos; er war muthwillig und boshaft, und da seine Keckheit sich keine Grenzen setzte, so ist ein großer Theil seines Misgeschicks dieser gefährlichen Gabe, die die Welt liebt, aber zugleich verfolgt, beizumessen. Er wich hierin von seinem Bruder ab, der auch darin das wahre Bild des chevalier sans peur et sans reproche war, daß er nie über Frauen oder zarte Verhältnisse spottete, was Philipp gern that, wenn es galt, einen schläfrigen Hofcirkel zu beleben und die Fürsten lachen zu machen.

      Das Schicksal dieses jungen Mannes, der als der letzte seines Stammes fiel, ist ein wundersam schauerliches; es tauchen in demselben alle dunkelen Schrecken der Mordlust des Mittelalters auf, um sich mit dem feinen Gifthauch der modernen Intrigue des achtzehnten Jahrhunderts zu vereinigen. Noch weiß man nicht gewiß, wo und wie diese glänzende Erscheinung sich verlor, auf welche Weise ein junger Mann endete, der reich, übermüthig, angesehen, von den Fürsten geliebt, dem mächtigsten Adel entsprossen, seine Laufbahn begann. Sein Grab ist mit grausenhaftem Dunkel umhüllt. Tausende haben darnach geforscht und es nicht finden können. Seine unglückliche Schwester setzte ganz Europa in Bewegung, um das Geheimniß dieses Verschwindens aufzuklären; umsonst. Noch jetzt ist die Gruft, in welcher Philipp Christoph von Königsmark verschwand, eine von jenen mysteriösen Grabstätten, deren die Geschichte mehre zählt, ein Grab, das weder Mitwelt noch Nachwelt zu bezeichnen weiß, auf das keine Thräne der Andacht, kein Gebet des Gläubigen niedersank. Es steht ein altes Schloß in Deutschland; es geht eine Sage, daß man dort vor einem Jahrhundert zurück unter dem Parketboden eines Schlafgemachs ein männliches Skelet gefunden habe. (Reminiscences d'Horace Walpole. Paris 1826) Dies, behauptet man, waren die Ueberreste jenes Unglücklichen, aber


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