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Berühmte deutsche Frauen des achtzehnten Jahrhunderts. Alexander von Ungern-SternbergЧитать онлайн книгу.

Berühmte deutsche Frauen des achtzehnten Jahrhunderts - Alexander von Ungern-Sternberg


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ihm. Am Ende entschloß sie sich selbst zum Handeln; sie ließ sich von ihm Briefe geben, eine geheime Mission, und reiste mitten im Winter in das schwedische Lager von Narva, um Karl unter seinen Soldaten aufzusuchen.

      Karl empfing sie mit einer Impertinenz, wie sie vielleicht noch nie im Verkehr der gesitteten Stände von einem Manne gegen eine Frau geübt worden. Er ließ die zarte, schöne Frau lange in den Schneefeldern herumirren, unter den lärmenden Bivouaks des Lagers herumfragen, und endlich, als sie ihn glücklich irgendwo überrascht und aus ihrer Kutsche steigt, um ihn anzureden, läßt er sie am Wege stehen, grüßt sie flüchtig und beantwortet ihre Anrede nicht. Dieser nordische Jugurtha konnte nicht ungezogener sein; er, der Verächter der Frauen, setzte einen jämmerlichen Stolz darein, gerade seine schönste und liebenswürdigste Zeitgenossin zu demüthigen. Die Mission verunglückte.

      Aurora's diplomatische Verhandlungen und Reisen kamen ausführlich an's Licht in einer eigenen kleinen Druckschrift eines Zeitgenossen, die den Titel führt: »Denkwürdigkeiten eines polnischen Edelmanns.« Man sieht hieraus, daß Aurora mit großer Energie ihre Pläne zur Rettung ihres gekrönten Freundes verfolgte, daß aber ihr Heroismus mit den ungünstigsten Verhältnissen zu kämpfen hatte. Außer dem von uns angeführten Versuch machte Aurora noch einen zweiten, sich Karl XII. zu nähern, und zwar bei jener merkwürdigen Zusammenkunft bei Leipzig zwischen August und Karl. Aber auch dieser letzte Versuch scheiterte. Schon hatte Karl, obwol unwillig, dem ewig bittenden Grafen Piper die Erlaubniß gegeben, die Gräfin einladen zu dürfen zu einem Feste, bei dem er selbst zu erscheinen versprochen, als die Etikette und Rangordnung wieder alle Hoffnungen vernichtete. Aurora machte auf den Rang einer Reichsfürstin Anspruch und somit auf einen besondern Platz an der Abendtafel; Karl befahl seinem Minister, sie unter alle übrigen Damen zu setzen. Erstaunt fragte Piper um den Grund dieser Demüthigung. »Weil sie eine Maitresse ist,« erwiderte der König. »Aber, Sire, die Maitresse eines Königs!« – »Tut nichts zur Sache, ob eines Königs oder eines Bauern; genug, sie gehört nicht an den Platz, wo meine Schwedinnen sitzen.« – Aurora blieb vom Feste weg; sie scherzte selbst über jene Antwort und machte ein boshaftes Epigramm auf Karl, das dieser natürlich nicht las. Karls rauhe Tugend, die an's Plumpe streifte, hatte, da er im Kampfe mit Geist und Schönheit unterlag, die öffentliche Stimme nicht für sich. Wäre Aurora ein gewöhnliches Weib gewesen, so hätte sie dieser Keulenschlag des hyperboräischen Jupiters ohne Zweifel vernichtet, aber sie war ein ungewöhnliches, ein in allen Jahrhunderten und zu allen Zeiten seltenes Weib, auf sie war nicht anwendbar, was für tausend Andere Strafe oder Belohnung war.

      Mit der eminenten Klugheit, die die großen Geister auf ihren Bahnen leitet, vermied sie es, dem Fürsten, dessen Sache sie führte, bis zu jener Grenze zu vertrauen, wo die Rathlosigkeit eines Großen die Existenz des Kleinen gefährdet, und wo fürstliche Perfidie mit jedem gegebenen Versprechen, mit allen Freundschafts- und Liebesversicherungen zu spielen beginnt. Das Schicksal Patkuls, das vor ihren Augen seine blutige Katastrophe abspielte, gab ihr Belehrung und Warnung. Sie floh, erschreckt von dem jammervollen Fall des Freundes, denn sie ehrte und schätzte Palkul, in ihr Kloster zurück, und war nur schwer zu bewegen, sich wieder in den Strudel der Welt zu stürzen. Als sie es dennoch that und wieder am Hofe zu Dresden erschien, war es nicht, um frivole Freuden zu suchen, um einem Fürsten Weihrauch zu streuen, der ihrem Herzen und Geiste immer fremder wurde; sie kam um ihres Sohnes willen, für den sie vom ewig zögernden Vater endlich die Würde eines Reichsgrafen und den Titel eines Grafen von Sachsen erhielt. Dies war aber auch so ziemlich Alles, denn Geld vermochte August ihm nicht zu geben, er hatte keines mehr. Ein Heer von plündernden Maitressen zog ihm überall nach, und in Warschau, wo er wieder als König einzog, hefteten sich gerade die verächtlichsten und gierigsten Geschöpfe dieser Art an seine Fersen. Die Galanterie der Polinnen feierte Triumphe, über die man in Sachsen auf das Lebhafteste erstaunte. Immer gab es kleine niedliche Feste, immer Maskenbälle, die Millionen kosteten, und dabei liefen die Soldaten weg, weil sie keinen Sold bekamen. Die ganze Umgebung des Königs war käuflich, Alles stahl und raubte. Die Männer tranken ungeheuer, die Frauen waren furchtbar unsittlich, alle Laster traten in bisher unerhörtem Maaßstabe auf. Die libertinen dresdener Frauen waren, wenn sie nach Warschau kamen, noch Tugendmuster, die sächsischen Trinker waren noch Schulknaben gegen die polnischen; und all dieses wüste Schwärmen, dieser tumultuarische Leichtsinn, diese taumelnden Haufen wogten fortwährend zwischen den Höfen von Dresden und Warschau auf und ab, der König wie ein alternder Bacchus immer an ihrer Spitze. Zuletzt verlor die Ausschweifung allen Glanz, das Laster alle Anmuth; die Schönheit, der Geist und der Adel zogen sich zurück und die gemeine Orgie blieb. Der König war so weit gekommen, daß er nur die Frau noch liebenswürdig fand, die im Stande war, mit ihm eine Flasche zu leeren.

      Es ist ein herbes Loos, das der armen Aurora gefallen war, daß sie immer wieder gezwungen wurde, den Treulosen, Entwürdigten an gewisse Erinnerungen zu mahnen. Empörend ist es, die kalten Antworten zu lesen, die August ihr zusendet. Er hat keine Liebe, kein Geld, er hat nichts mehr für sie. Nur Scheu empfindet er vor ihr, denn ein geheimes, unbehagliches Gefühl sagt ihm, daß er sie achten müsse, die arme, von ihm so brutal zertretene Frau. Sie bittet ihn zuletzt, eine kostbare Perle einzulösen, die sie in ihrer größten Geldnoth bei einem sächsischen Juden versetzt hat; er thut es nicht. Sie bittet nochmals und erinnert ihn, bei welcher Gelegenheit sie einst diese Perle von ihm empfing; er antwortet ihr nicht mehr. Diese Briefe schneiden in's Herz. Das ist also das Spiel der Welt, so treibt sie's mit dem Herzen, das sich ihr hingibt! Aber Aurora bleibt stark und fest, sie bleibt sogar heiter und scherzend. Sie schreibt anmuthige Briefe an ihre alten Verehrer, die nicht müde werden, ihr Heirathsvorschläge zu machen. Ihren Kummer verbirgt sie in der stillen Klosterzelle. Wenn die laute Weltstimme sie ruft, erscheint sie immer, und die schöne Frau bezaubert noch immer alle Welt. So gibt sie dem Sohn Peters des Großen, jenem unglücklichen Prinzen Alexei, der sich mit einer deutschen Prinzessin vermählt, ein Fest in Quedlinburg, bei dem sie Verkleidungen, poetische Spiele und Ueberraschungen anbringt. Sie dichtet ein Bewillkommnungslied und spricht es selbst, in das Gewand einer antiken Muse gekleidet, anmuthig sich hin und her bewegend und sich keusch in ihre Draperien hüllend. Der Sohn des Zaaren ist entzückt, die Stiftsschwestern klatschen Beifall und die alte Aebtissin, die nicht mehr gut sieht und hört, begrüßt die antike Muse als heilige Therese und hält den Gesang Amors und der Grazien für den ambrosianischen Lobgesang. Aurora läßt die alte Dame bei diesem Irrthum, und bis spät in die Nacht schmaust und spielt man in den Klostermauern. Bald darauf erhält Aurora den Besuch benachbarter deutscher Fürsten, dann wohnt lange Zeit ihre Schwiegertochter bei ihr und macht durch ihre scandalösen Intriguen das Stift und die ganze Nachbarschaft aufrührerisch. Diese Gemahlin des Grafen von Sachsen, von der er sich scheiden ließ, spielt überhaupt in dem Register der Klagen und Sorgen Aurora's eine große Rolle. Es scheint eine junge Frau von zügelloser Herrschsucht und von sehr schlechten Sitten gewesen zu sein, die lediglich weil sie sehr reich war, dem jungen Grafen angetraut wurde, der sie gleich Anfangs nicht haben wollte und nur dem Befehl seines Vaters, des Königs, Folge leistete. Wir würden auf sie zurückkommen, wenn es uns erlaubt wäre, in unserer kleinen Gemäldesammlung auch das Bild des Grafen von Sachsen zu betrachten.

      Was ihre quedlinburger Angelegenheiten betraf, so gelangte Aurora trotz ihrer Klugheit und ihrer zur rechten Zeit angewandten Schmeichelkünste nicht zum gewünschten Ziel; sie wurde nicht Aebtissin und somit nicht wirkliche Reichsfürstin, welcher Titel mit dieser Stelle von selbst verknüpft war. Als die Prinzessin von Sachsen-Weimar starb, wählte man nach langem Zögern eine Prinzessin von Holstein-Gottorp. Aurora hatte es gleich Anfangs darin versehen, daß sie wenig Lust bezeigte, wie ihre alte Freundin, die Prinzessin von Sachsen-Weimar, es verlangte, im Stift zu wohnen und ein stilles, erbauliches Leben zu führen. Sie war fortwährend auf Reisen, und wenn sie zufällig einmal im Stifte ihre Wohnung aufschlug, so zog sie durch ihre Anwesenheit einen Schwarm Weltleute in die stille Behausung, womit den frommen Damen ebenfalls nichts gedient war. Der neue Schutzherr, der König von Preußen, schrieb ihr öfters: »Madame, begeben Sie sich wieder auf Ihren Posten, reisen Sie in Ihr Stift zurück. Ich höre, daß dort vielfältige Zänkereien ausgebrochen sind, bringen Sie durch Ihr Ansehen die Parteien zur Ruhe!« Aber solchen Aufforderungen leistete Aurora nie Folge; sie kam, wenn es ihr beliebte und sie sonst nirgends anderswo die Zeit angenehmer zuzubringen wußte, in's Stift zurück. Die alten Damen waren außer sich und thaten ein Gelübde, eine so ausgelassene Weltdame um keinen Preis zur Oberin zu wählen.


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