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Der Mondstein (Ein Wilkie Collins-Krimi). Wilkie Collins CollinsЧитать онлайн книгу.

Der Mondstein (Ein Wilkie Collins-Krimi) - Wilkie Collins Collins


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Diebe mit ihrem Mondstein in Ruhe gelassen haben. Ich ging darauf mit Herrn Franklin in die Ställe und benutzte diese Gelegenheit ihn zu fragen, wie nach seiner Meinung wohl die Indier, auf die ich natürlich ebenso starken Verdacht hatte wie er, in das Haus gelangt sein könnten.

      Einer von ihnen, meinte er, hätte sich bei der Verwirrung, die bei Aufbruch der Gesellschaft am gestrigen Abend entstanden sei, in’s Haus schleichen können.

      »Der Kerl mag unter dem Sopha gelegen haben, während meine Tante und Fräulein Rachel sich darüber unterhielten, wohin man den Diamanten während der Nacht legen solle; er hätte dann nur zu warten nöthig gehabt, bis es im Hause stille geworden, und ihn dann aus dem Schränkchen wegnehmen können.«

      Mit diesen Worten rief er dem Stallknecht zu, das Thor zu öffnen und ritt davon.

      Das schien die einzige rationelle Erklärung zu sein. Aber wie war es dem Diebe gelungen, wieder aus dem Hause zu kommen? Ich hatte die Hauptthür, als ich sie am Morgen öffnen wollte, verschlossen und verriegelt gefunden, wie ich sie am Abend zuvor verlassen hatte. Die übrigen Thüren und Fenster waren noch diesem Augenblick so fest verschlossen wie vorher, und die Hunde, —- angenommen der Dieb hätte sich aus einem der Fenster des oberen Stockwerks herablassen können, wie konnte er unbemerkt an den Hunden vorbeikommen? Hatte er einschläfernde Bissen für sie bereit gehabt?

      Als ich eben mit diesem Gedanken beschäftigt war, kamen die Hunde selbst um die Ecke auf mich zugerannt, wälzten sich vor mir in dem nassen Grase so munter und ausgelassen, daß es nicht leicht war, sie zum Pariren zu bringen und sie wieder anzuketten. Je mehr ich mir die Sache überlegte, desto weniger befriedigend erschienen mir Herrn Franklins Erklärungen.

      Wir frühstückten. Einerlei, was in einem Hause vorgeht: Raub und Mord: gefrühstückt muß werden. Als wir fertig waren, schickte Mylady nach mir und ich fand mich nun genöthigt, ihr Alles in Betreff der Indier und ihres Complottes. was ich bisher vor ihr verheimlicht hatte, zu erzählen.

      Als eine Frau von großer Entschlossenheit überwand sie sehr bald den ersten erschreckenden Eindruck dessen, was ich ihr mitzutheilen hatte. Ihr Gemüth schien viel besorgter über den Zustand ihrer Tochter als über die heidnischen Räuber und ihre Verschwörung.

      »Sie wissen,« sagte Mylady zu mir, »wie sonderbar Rachel und wie verschieden ihr Benehmen bisweilen von dem anderer junger Mädchen ist. Aber in ihrem ganzen Leben habe ich sie noch nicht so sonderbar und so verschlossen gefunden, wie bei dieser Gelegenheit.

      Der Verlust ihres Edelsteins schien sie fast um ihren Verstand gebracht zu haben. Wer hätte es für möglich halten sollen, daß dieser schreckliche Diamant in so kurzer Zeit eine solche Umwandlung bei ihr würde bewirken können!«

      Es war in der That sonderbar genug. Im Allgemeinen machte sich Fräulein Rachel bei Weitem nicht so viel aus Schmucksachen und Spielereien, wie die meisten jungen Mädchen; aber jetzt saß sie noch immer untröstlich in ihrem Schlafzimmer. Ich muß freilich bekennen, daß sie nicht die einzige Person im Hause ist, die ihre Fassung verloren hatte.

      Herr Godfrey z. B. obgleich seinem Beruf nach eine Art Generaltröster, schien sich selbst völlig verloren zu haben. Da es ihm an erheiternder Gesellschaft und an Gelegenheit fehlte, zu erproben, was seine Erfahrungen mit unglücklichen Frauen zur Aufrichtung Fräulein Rachels vermögen würden, ging er in Haus und Garten unbehaglich und zwecklos aus und ab und hin und her. Er war sich offenbar nicht einig, was er nach dem unglücklichen Vorfall thun, ob er die Familie in ihrer gegen wärtigen Lage von der Last, ihn als Gast zu beherbergen, befreien, oder ob er im Hinblick auf die Möglichkeit, sich durch seine geringen Dienste nützlich zu machen, noch länger bleiben solle. Er entschied sich endlich für das Letztere, da es ihm angemessener schien, eine Familie in einer so eigenthümlichen Situation nicht zu verlassen. Besondere Lagen des Lebens lassen den wahren Character eines Mannes am besten erkennen. Die hier vorliegenden Umstände zeigten Herrn Godfrey von schwächerem Character, als ich ihm zugetraut hatte.

      Die weiblichen Dienstboten standen mit Ausnahme Rosanna Spearman’s, die für sich allein blieb, in den Ecken umher und flüsterten sich einander ihre Vermuthungen zu, wie es die Art des schwächeren Geschlechtes ist, wenn irgend etwas Außerordentliches in einem Hause passirt. Ich selbst muß bekennen, daß ich höchst aufgeregt und schlecht gelaunt war. Der verwünschte Mondstein hatte uns allen die Köpfe verdreht.

      Kurz vor 11 Uhr kam Herr Franklin zurück. Allem Anscheine nach war während der Zeit seiner Abwesenheit unter dem Gewicht der Ereignisse die entschlossene Seite in ihm wieder unterlegen. Er war im Galopp fortgeritten und kam im Schritt zurück. Beim Fortreiten war er wie von Eisen gewesen, bei der Rückkehr war er wie von Watte.

      »Nun,« sagte Mylady, »kommt die Polizei?«

      »Ja,« erwiederte Herr Franklin, »die Leute erklärten, sie würden, der Oberbeamte der Local-Polizei Seegreaf mit zwei seiner Unterbeamtem mir rasch zu Wagen folgen. Uebrigens wird die Sache nur eine Form sein, der Fall ist hoffnungslos.«

      »Wie? haben sich die Indier davon gemacht?« fragte ich.

      »Die armen Indier sind höchst unschuldigerweise verhaftet worden, « sagte Herr Franklin; » sie sind so unschuldig wie ein neugeborenes Kind.«

      »Meine Idee, daß Einer von Ihnen sich im Hause versteckt haben könnte, ist, wie alle meine übrigen Ideen, in Rauch aufgegangen.«

      »Es ist erwiesen, daß das völlig unmöglich ist.«

      Nachdem Herr Franklin uns durch diese total neue Wendung in der Mondstein-Angelegenheit in Erstaunen gesetzt hatte, nahm unser junger Herr Platz und erklärte sich auf die Bitte seiner Tante näher.

      Es schien, daß die entschlossene Seite bei ihm bis Frizinghall vorgehalten hatte: Er hatte der Magistratsperson den ganzen Fall klar vorgelegt und diese hatte sofort nach der Polizei geschickt. Die über die Indier alsbald angestellte Untersuchung ergab, daß sie nicht den leisesten Versuch gemacht hatten, die Stadt zu verlassen. Aus ferneren Nachforschungen ging hervor, daß alle drei am Abend zuvor zwischen 10 und 11 Uhr mit dem Knaben nach Frinzighall zurückgekehrt waren, was, wenn man die Zeit und die Entfernung berücksichtigte, zugleich bewies, daß sie direct von hier dahin gegangen waren, nachdem sie auf unserer Terrasse ihre Künste producirt hatten. Noch später, um Mitternacht, als die Polizei das Logirhraus, in dem sie wohnte, besichtigte, fanden sie sich dort alle drei mit ihrem kleinen Knaben wie gewöhnlich bei einander.

      Bald nach Mitternacht hatte ich selbst das Haus fest verschlossen. Einen besseren Beweis zu Gunsten der Indier konnte es nicht wohl geben. »Die Magistratsperson erklärte, daß bis jetzt auch nicht einem Schatten von Verdacht gegen die Indier Veranlassung sei. Da es jedoch möglich war, daß die Polizei bei näherer Untersuchung unserer Angelegenheit zu Entdeckungen in betreff der Jongleurs gelangen konnte, so ließ der Magistrat sich bereit finden, sie als Vagabonden verhaften zu lassen und dieselben eine Woche lang zu unserer Verfügung zu halten. Sie hatten ohne es zu wissen irgend etwas, ich weiß nicht mehr was, in der Stadt begangen, was diese Verhaftung gesetzlich möglich machte.

      Alle menschlichen Einrichtungem die Gerechtigkeit nicht ausgenommen, lassen sich, wenn man sie nur richtig anfaßt, ein wenig dehnen. Die würdige Magistratsperson war ein alter Freund von Mylady und so wurde das indische Pack auf eine Woche ins Gefängniß gebracht.

      So lautete Herrn Franklins Bericht über die Ereignisse in Frizinghall. Der indische Schlüssel zu dem Geheimniß des verlorenen Diamanten war allem Anschein nach in unseren eigenen Händen zerbrochen. Waren aber die Jongleurs unschuldig, wer in aller Welt konnte den Diamanten aus Fräulein Rachels Schubfach genommen haben?

      Zehn Minuten später traf zu unserer größten Beruhigung der Oberbeamte Seegreaf in unserem Hause ein.

      Er führte sich mit der Mittheilung ein, daß er Herrn Franklin in der Sonne sitzend (vermuthlich im Genusse seiner italienischen Seite) auf der Terrasse getroffen und daß derselbe ihn darauf aufmerksam gemacht habe, daß die Untersuchung, noch ehe sie ihren Anfang genommen, hoffnungslos sei.

      Für eine Familie in unserer Lage war der Oberbeamte der Polizei von Frizinghall die beruhigendste Persönlichkeit, die man sich wünschen konnte. Herr Seegreaf war


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