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Der Mondstein (Ein Wilkie Collins-Krimi). Wilkie Collins CollinsЧитать онлайн книгу.

Der Mondstein (Ein Wilkie Collins-Krimi) - Wilkie Collins Collins


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Verinder’s Haushofmeister in einer ganz behaglichen Stimmung auf, die ich lediglich Robinson Crusoe verdanke.

      Eben sieht mir meine Tochter Penelope über die Schulter, um zu sehen, was ich bis jetzt geschrieben habe. Sie bemerkt, daß es sehr schön geschrieben ist und Alles die reine Wahrheit, aber sie macht eine Einwendung Sie sagt, was ich bis jetzt geschrieben habe, ist durchaus nicht das, was ich schreiben sollte. Ich solle die Geschichte des Diamanten schreiben und statt dessen habe ich meine eigene Geschichte geschrieben, sonderbar genug und mir selbst unbegreiflich. Ich möchte wohl wissen, ob es den Herren, die vom Bücherschreiben leben, auch wie mir begegnet, daß ihnen mitten in ihren Erzählungen ihre eigene Geschichte in die Feder kommt. Wenn dem so ist, so kann ich mich sehr gut in ihre Lage versetzen. Einerlei, da habe ich schon wieder verkehrt angefangen, was ist nun zu thun? So viel ich sehe, nichts Anderes, als für meine Leser: nicht die Geduld zu verlieren, und für mich: die ganze Geschichte zum dritten Mal von vorne anzufangen.

      Drittes Capitel

       Inhaltsverzeichnis

      Auf zwei Weisen habe ich versucht, über die Art, wie ich die Geschichte gut anfangen soll, in’s Reine zu kommen; erstens indem ich mir den Kopf zerkratzt habe, was zu nichts führte, zweitens indem ich meine Tochter Penelope zu Rathe, zog, die mich auf eine ganz neue Idee gebracht hat. Penelope ist der Meinung, ich müsse die Begebenheiten von jedem Tage niederschreiben, und da anfangen, wo wir erfahren, daß Herr Franklin Blake zu einem Besuche bei uns erwartet werde, Wenn man einmal auf diese Art sein Gedächtniß auf einen bestimmten Tag fixirt hat, ist es wunderbar, wie das Gedächtniß wenn es einmal einen solchen Anstoß bekommen hat, Einem zu Hülfe kommt. Die einzige Schwierigkeit besteht darin, erst einmal die Daten festzustellen. Das will aber Penelope für mich übernehmen, aus ihrem eigenen Tagebuche zu thun, welches sie schon in der Schule zu führen angehalten wurde und das sie seitdem immer fortgeführt hat. Auf einen daraufhin von mir gemachten Vorschlag, nämlich daß sie statt meiner die Geschichte nach ihrem Tagbuche erzählen sollte, entgegnete Penelope mit einem zornigen Blick und erröthend, daß ihr Tagebuch nur für sie allein sei und daß kein lebendes Wesen außer ihr selbst jemals erfahren solle, was darin steht. Als ich sie fragte, was das zu bedeuten habe, sagte Penelopin »Dummes Zeug!« und ich sagte: »Liebesgeschichten!«

      Um, nun also nach Penelopes Plan anzufangen, habe ich zu sagen, daß ich am Mittwoch den 24. Mai 1848 zu Mylady in ihr Wohnzimmer beschieden wurde.

      »Gabriel,« sagte Mylady zu mir, »da sind Nachrichten, die Sie überraschen werden. Franklin Blake ist wieder da. Er ist eben eine Zeit lang bei seinem Vater in London gewesen und kommt morgen zu uns, um bis nächsten Monat bei uns zu bleiben und Rachel’s Geburtstag mit zu feiern.«

      Wenn ich einen Hut in der Hand gehabt hätte, so hätte mich nur der Respect vor meiner Herrin abhalten können, den Hut vor Freuden an die Decke zu werfen. Ich hatte Herrn Franklin nicht gesehen, seit er als Kind in unserm Hause gelebt hatte. Er war in meiner Erinnerung der herzigste Junge, der je einen Kreisel gedreht oder ein Fenster zerbrochen hat. Fräulein Rachel, die anwesend war und gegen die ich das bemerkte, erwiederte, daß er nach ihrer Erinnerung der abscheulichste Tyrann gewesen sei, der jemals eine Puppe gequält habe, und der grausamste Treiber eines erschöpften kleinen Mädchens beim Pferdspielen, den man in England finden könne. »Ich zittere vor Entrüstung und keuche vor Ermattung, wenn ich an Franklin Blake denke,« waren Rachel’s letzte Worte.

      Man wird fragen, wie es kam, daß Herr Franklin die ganze Zeit von seiner ersten Jugend bis zu seinen Mannesjahren im Auslande zubrachte. Meine Antwort ist: Weil sein Vater das Unglück hatte, der nächste Erbe eines Herzogthums zu sein, ohne es beweisen zu können.

      Die Sache war kurz folgende:

      Mylady’s älteste Schwester heirathete den berühmten Herrn Blake, der eben so bekannt durch seinen Reichthum wie durch seinen großen Proceß war. Wie viele Jahre er die Gerichte des Landes in Anspruch nahm, um den Herzog außer Besitz und sich selbst an seine Stelle zu setzen, wie vieler Advokaten Taschen er bis zum Platzen füllte, wie viele sonst friedliche Leute er zum Streit über die Frage brachte, ob er Recht oder Unrecht habe, das Alles genau zu erzählen, würde über meine Kräfte gehen. Seine Frau und zwei von seinen drei Kindern starben, bevor die Gerichte sich entschlossen, ihn abzuweisen und ihm kein Geld mehr abzunehmen. Als Alles vorbei und der Herzog in seinem Besitz gesichert war, fand Herr Blake, daß die einzige Art, mit seinem Vaterland für die Behandlung, die es ihm habe angedeihen lassen, quitt zu werden, die sei, seinem Lande nicht die Ehre der Erziehung seines Sohnes zu Theil werden zu lassen. »Wie kann ich den Institutionen meines Landes Vertrauen schenken,« war sein Ausspruch, »nachdem ich durch diese Institutionen so schlecht behandelt worden bin.« Wenn man hinzu nimmt, daß Herr Blake alle Knaben, seinen eigenen mit einbegriffen, haßte, so wird man begreifen, daß die Sache nur aus eine Art enden konnte. Der kleine Franklin wurde aus England entfernt und nach dem herrlichen Deutschland geschickt, um Institutionen übergeben zu werden, denen sein Vater, wie er sich ausdrückte, vertrauen könne. Herr Blake selbst blieb, wohlgemerkt, ruhig in England, um für die Besserung seiner Landsleute im Parlament zu wirken und eine Darlegung seiner Proceß Angelegenheit auszuarbeiten, welche noch heute nicht vollendet ist.

      Da, Gottlob, das wäre gethan. Mit dem alten Blake brauchen wir uns nun nicht weiter zu befassen. Ueberlassen wir ihn seinem Herzogthum und kommen wir endlich zu dem Diamanten.

      Der Diamant bringt uns wieder zu Herrn Franklin zurück, der die unschuldige Ursache davon war, daß dieser verwünschte Edelstein in unser Haus kam.

      Unser lieber Junge vergaß uns nicht im Auslande. Er schrieb uns ab und zu, bisweilen an Mylady, bisweilen an Fräulein Rachel, bisweilen an mich. Wir hatten vor seiner Abreise ein Geschäft mit einander gemacht, welches darin bestand, daß er sich von mir ein Knäuel Bindfaden, ein Messer mit vier Klingen und sieben Shilling sechs Pence lieh, die ich bis jetzt noch nicht wieder gesehen habe und wohl auch nicht wieder zu sehen bekommen werde. Seine Briefe an mich hatten hauptsächlich fernere Darlehen zum Gegenstande. Wie es ihm im Auslande ging, wie er an Jahren und Größe zunahm, erfuhr ich immer von Mylady. Nachdem er Alles gelernt hatte, was die deutschen Institutionen ihn lehren konnten, machte er den Franzosen und dann den Italienern einen Besuch. Da machten sie ihn, so weit ich es beurtheilen kann, zu einer Art von Universalgenie. Er schriftstellerte ein wenig, er malte ein wenig, er sang, spielte und componirte ein wenig, immer glaube ich auf anderer Leute Kosten. Das Vermögen seiner Mutter, 700 Lftr. jährlich, fiel ihm zu, als er mündig wurde, und lief ihm durch die Finger wie durch ein Sieb. Je mehr Geld er hatte, desto mehr brauchte er, in seiner Tasche war ein Loch, das keine Kunst zunähen konnte. Wohin er kam, war er wegen seines lebhaften, liebenswürdigen Wesens beliebt. Er reiste herum und lebte bald hier, bald dort, und seine Adresse, wie er sie selbst aufzugeben pflegte, war: »Europa poste restante.« Zweimal hatte er die Absicht gehabt, zu uns zum Besuche zu kommen, und beide Male stand, mit Respect zu melden, eine unnennbare Dame im Wege und hielt ihn zurück. Sein dritter Versuch endlich gelang, wie man schon aus der Mittheilung Mylady’s gesehen hat. Am Dienstag den 25. Mai sollten wir zum ersten Mal sehen, was für ein Mann unser Herzensjunge geworden sei. Er war von guter Race, er hatte einen hohen Sinn und war nach unserer Rechnung fünfundzwanzig Jahre alt. Jetzt weiß der Leser gerade so viel von Herrn Franklin Blake, als ich von ihm wußte, bevor er wieder in unser Haus kam.

      Jener Dienstag war der herrlichste Sommertag, den man sich denken kann, und Mylady und Fräulein Rachel, die Herrn Franklin nicht vor Tisch erwarteten, waren zum Frühstück zu einigen Freunden in der Nachbarschaft gefahren.

      Als sie fort waren, ging ich in das für unsern Gast hergerichtete Fremdenzimmer und sah, ob Alles in Ordnung sei. Da ich um jene Zeit nicht nur Mylady’s Haushofmeister, sondern auf meinen besonderen Wunsch auch ihr Kellermeister geworden war, weil es mich verdroß, die Schlüssel zu des verstorbenen Sir John’s Keller in andern Händen zu sehen, ging ich dann in den Keller und holte ein Paar Flaschen von unserm famosen Latour herauf und stellte sie in die warme Sonne, damit sie bei Tisch die rechte Temperatur hätten.

      Ich beschloß, mich selbst auch in die warme Sonne´zu setzen, weil ich wußte, daß, was für alten Rothwein gut sei, auch


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